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Historische Schwelle erreicht
9-Millionen-Schweiz: Das sind die Folgen bei Jobs, Mieten und Kriminalität

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Diesen Artikel haben wir erstmals am 20. September 2023 publiziert. Wir erweitern unser Angebot für die Herbstferien und wünschen Ihnen eine gute Lektüre.

Die Schweiz hat erstmals in ihrer Geschichte mehr als 9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Gemäss aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik von Mitte September sind es exakt 9'006'664 Menschen. Eingerechnet sind die ständige Wohnbevölkerung (Schweizer und Ausländer) sowie die nicht ständige ausländische Wohnbevölkerung, beispielsweise Asylbewerberinnen und Asylbewerber.

Das Wachstum ist vor allem auf die Zuwanderung zurückzuführen. Diese löst bei der Bevölkerung seit jeher Ängste aus. Von mehr Ausländerkriminalität ist die Rede, von höheren Mieten, mehr Stau und Dichtestress. Die Zuwanderung gilt laut dem SRG-Wahlbarometer als zweitwichtigste politische Herausforderung. Doch sind die Sorgen auch berechtigt?

Wir zeigen anhand von sechs Beispielen, was sich infolge des Bevölkerungswachstums in der Schweiz verschlechtert hat – und was verbessert:

Die Schweiz wird immer stärker verbaut

Seit Jahren gibt es hierzulande einen regelrechten Bauboom. Dies ist unter anderem eine Folge der Zuwanderung. In den letzten zehn Jahren hat sich die Siedlungsfläche der Schweiz laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik um mehr als 180 Quadratkilometer ausgedehnt. Das entspricht der doppelten Fläche des Zürichsees. Im Vergleich mit den vorangehenden Jahrzehnten hat sich das Siedlungswachstum allerdings ein wenig verlangsamt.

Weniger geworden ist hingegen die Landwirtschaftsfläche. Sie schrumpfte seit 1985 um mehr als 1100 Quadratkilometer. Das entspricht etwa der Grösse des Kantons Uri. Diese Fläche ist primär neuen Siedlungen zum Opfer gefallen. Allerdings dehnt sich auch der Wald immer mehr aus, vor allem in den Bergen.

Es gibt mehr Jobs und weniger Arbeitslose

Eine der grossen Befürchtungen bei der Einführung der Personenfreizügigkeit im Jahr 2002 war, dass die Einwanderer den Einheimischen die Jobs wegnehmen würden. Dies hat sich aber als falsch erwiesen. Mehr noch: Das Gegenteil ist eingetreten, die Zahl offener Stellen hat sogar zugenommen.

Das Wachstum bei den Stellen ist vor allem auf das Gesundheits- und Sozialwesen zurückzuführen. Im Jahr 2002 arbeiteten gemäss dem Bundesamt für Statistik 430’000 Personen in diesem Bereich, 2022 waren es bereits fast 750’000. Spitäler in der Schweiz würden ohne Ärzte und Pflegekräfte aus dem Ausland nicht mehr funktionieren. 

Was für die Jobs gilt, zeigt sich auch bei der Arbeitslosigkeit. Bei der Einführung der Personenfreizügigkeit betrug die Arbeitslosenquote 2,3 Prozent – dies entsprach damals mehr als 90’000 Arbeitslosen (Stand Juni 2002). Heute liegt die Quote bei 2 Prozent, was ebenfalls rund 90’000 Personen entspricht (Stand August 2023).

Der Wohlstand ist weitergewachsen

Eine weitere Befürchtung war, dass die Zuwanderung den Wohlstand in der Schweiz schmälern würde. Das ist nicht passiert, wie ein Vergleich der Wirtschaftsleistung ausgewählter Länder zeigt. Die Schweiz hat ihre Vormachtstellung über die Jahre verteidigt. Und das – je nach Sichtweise – trotz oder wegen der Zuwanderung.

Seit 2002 legte die Schweiz beim Pro-Kopf-Wachstum um mehr als 20 Prozent zu. Das sind bessere Werte als sie beispielsweise Österreich, Frankreich oder Italien verzeichnen, allerdings leicht tiefere als Deutschland, die USA und Schweden – wobei die Schweiz von einem höheren Niveau aus gestartet ist.

Die liberale Denkfabrik Avenir Suisse bezeichnet in einer Analyse das Wachstum der Schweiz seit 2002 als «ansehnlich». Zudem ist laut den Wirtschaftsexperten mehr als die Hälfte des Wachstums auf eine höhere Arbeitsproduktivität zurückzuführen – also nicht bloss darauf, dass schlicht mehr Menschen in der Schweiz leben, die insgesamt gesehen auch mehr arbeiten. 

Wohnen wird immer teurer

Die Suche nach einer neuen Mietwohnung ist gerade in Zentren wie Zürich oder Bern schwierig. Das knappe Angebot hängt auch mit der Zuwanderung zusammen, wie Expertinnen und Experten immer wieder betonen. Die Folgen dieser anhaltend hohen Nachfrage sind bekannt: Wohnen wird immer teurer.

Gleich ist der Trend beim Wohneigentum. Von 2012 bis 2022 haben die Preise für Einfamilienhäuser in der Schweiz um fast 50 Prozent zugenommen. Das zeigen Daten des Immobilien-Beratungsunternehmens Wüest Partner.

Die Verkehrsüberlastung nimmt zu

Wenn mehr Menschen in der Schweiz leben, sind logischerweise auch mehr Menschen unterwegs. Entsprechend wird die Verkehrsinfrastruktur stärker belastet. Das zeigt sich exemplarisch an den jährlichen Staustunden auf den Nationalstrassen. Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit im Jahr 2002 haben sich die Staustunden mehr als verdreifacht.

Viele Bahnreisende beklagen sich regelmässig wegen überfüllter Züge. Das mag in subjektiver Hinsicht während der Stosszeiten sowie für einzelne Strecken stimmen – zumal die Leute in der Schweiz heute öfter zum Arbeitsort pendeln. Auch dieser Effekt wird durch die Zuwanderung verstärkt.  

Allerdings war die durchschnittliche Sitzplatzbelegung im Fernverkehr bei den SBB seit dem Jahr 2000 nie höher als 32,6 Prozent. Im Schnitt ist also nicht einmal jeder dritte Sitzplatz besetzt.

Die Belegung hat seit dem Jahr 2000 zugenommen (mit einem Knick während der Pandemie). Allerdings auch, weil die SBB 2004 die Berechnungsmethodik angepasst haben. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die SBB seit dem Jahr 2000 fast kontinuierlich das Angebot erhöht haben – hätten sie das nicht getan, wäre die Sitzplatzbelegung vermutlich stärker gestiegen.

Die Kriminalität ist zurückgegangen

Vor allem die SVP beschwört seit Jahren die Formel, wonach die «masslose Zuwanderung» Schuld sei an einer angeblichen Zunahme der Kriminalität. Das ist falsch: Gemäss den Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sank die Zahl der registrierten Straftaten von 2012 bis 2021 kontinuierlich.

Im Jahr 2022 registrierte die PKS erstmals wieder einen Anstieg. Ob das der Beginn eines Trends oder ein einmaliger Ausreisser ist, lässt sich heute noch nicht beantworten. Die Zahl der Straftaten ist jedenfalls immer noch 25 Prozent tiefer als im Jahr 2012.

Dass zumindest seit 2009 das Leben in der Schweiz sicherer geworden ist, zeigen auch die registrierten Straftaten pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner. Bei den Körperverletzungen beispielsweise gab es einen Rückgang von 1,3 Straftaten pro 1000 Einwohner im Jahr 2009 auf 0,9 im Jahr 2022. Noch deutlicher ist der Rückgang bei Vermögensstraftaten wie etwa Sachbeschädigungen oder Velodiebstählen.

Zudem zeigen die Daten, dass auch die Ausländerkriminalität zurückgegangen ist. Relativ zur Bevölkerung ist die Beschuldigtenrate bei Straftaten seit 2012 bei Ausländern leicht rückläufig, bei Schweizern konstant.