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Historische Rede in Korsika
Macron verspricht der «Insel der Schönheit» mehr Autonomie

epa10887285 French President Emmanuel Macron (C) arrives at the Corsican Assembly during his visit to the southern French island of Corsica, in Ajaccio, France, 28 September 2023. French President Macron on 27 September began his trip to Corsica until 29 September, as part of events marking the 80th anniversary of the island's liberation in 1943.  EPA/PASCAL POCHARD-CASABIANCA / POOL  MAXPPP OUT
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In der politisch bewegten Geschichte Korsikas, in Frankreich auch unter der lieblichen Bezeichnung «Île de beauté» bekannt, Insel der Schönheit, beginnt ein neues Kapitel. In einer Rede an das Regionalparlament der Korsen sagte heute Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, es sei Zeit, dass man den Mut aufbringe, «eine Autonomie Korsikas innerhalb der Republik» zu schaffen. «Das wird keine Autonomie gegen den Staat sein, keine Autonomie ohne den Staat, sondern eine Autonomie für die Korsen und im Rahmen der Republik.»

Innerhalb dieser Leitplanken aber sollen die korsischen Behörden und das korsische Parlament eigene Kompetenzen erhalten dürfen. Wie weit diese Befugnisse exekutiv und gesetzgeberischen tatsächlich gehen würden, ist noch unklar. Macron erwartet binnen sechs Monaten einen Vorschlag, der dann als Basis für eine mögliche Verfassungsänderung dienen werde. Er sei auch bereit, die «Einzigartigkeit» der Insel, ihrer Bewohnerinnen und Bewohner, ihrer Sprache und Kultur in seine Verfassungsreform aufzunehmen.

Nun regieren die gemässigten Nationalisten, ihnen reicht Autonomie

Diese Anerkennung der kulturellen «singularité», wie die Franzosen sagen, war den korsischen Nationalisten besonders wichtig – sie ist gewissermassen der Boden aller ihrer Forderungen. Frankreich ist ja ein ausserordentlich zentralistisch organisiertes Staatsgebilde, da gehen die Einzigartigkeiten oftmals unter.

Seit 2015 regieren moderate Nationalisten die Insel. Im Gegensatz zu den alten Kämpfern des Front de Libération Nationale Corse, kurz FLNC, die in der Vergangenheit auch mit Gewalt eine politische Unabhängigkeit der Insel angestrebt haben, geben sich die gemässigteren Nationalisten um ihren Chef Gilles Simeoni, den Präsidenten der korsischen Regionalverwaltung, mit einer Autonomie zufrieden.

Im vergangenen Juli hat die Assemblée de Corse einen Vorschlag zu einem Autonomiestatus ausgearbeitet, der von allen Mitgliedern des Parlaments befürwortet wurde – ausser von den Republikanern, die sich traditionell gegen Aufweichungen des Zentralismus stemmen. So schickten die Korsen am Ende zwei unterschiedliche Texte nach Paris.

Tod des Mörders Yvan Colonna brachte den Prozess in Gang

Der Prozess, der nun zu diesem historischen Moment führte, wie Macron ihn nannte, begann in den Wirren vor eineinhalb Jahren. Im März 2022 gab es in Bastia Aufstände mit vielen Verletzten, die Polizei bekam die Situation nur mit viel Mühe unter Kontrolle. Ausgelöst hatte das Chaos der kontroverse Tod von Yvan Colonna. Der Schafhirte war eine berühmte Figur der korsischen Unabhängigkeitskämpfer, eine Ikone der Unbeugsamen, ein Maximalist.

Demonstrators take part in a protest following the death of Corsican independence activist Yvan Colonna, in Ajaccio, on the French Mediterranean island of Corsica, on April 3, 2022. Yvan Colonna, the Corsican independence activist sentenced to life imprisonment for the assassination of a prefect, died on March 21, 2022 as a result of his attack in Arles prison on March 2, his family told AFP. (Photo by Pascal POCHARD-CASABIANCA / AFP)

1998 hatte er den damaligen Präfekten auf der Insel, Claude Érignac, ermordet und wurde dafür zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, die er zuletzt im Gefängnis von Arles absass. Ein Mithäftling griff ihn an, als er sich im Sportraum aufhielt – und würgte ihn minutenlang. Colonna wurde in ein Spital von Marseille gebracht, wo er drei Wochen später starb.

Die Hintergründe der tödlichen Aggression blieben schleierhaft. Den Anhängern von Colonna gereichten die Fragen, die man sich zum Tod stellte, zum Anlass, gegen den Zentralstaat zu protestieren. Die Kundgebungen arteten aus. Die Regierung schickte Innenminister Gérald Darmanin auf die Insel, und der stellte nach Absprache mit Macron den Korsen eine Veränderung des institutionellen Status der Insel in Aussicht, um die Gemüter zu besänftigen – «bis hin zu einer Autonomie» würde man gehen, sagte er damals.

Zum Abschied sagte Macron: «Ich zähle auf euch, ihr könnt auf mich zählen.»

Danach trafen sich die Nationalisten alle sechs Wochen mit Unterhändlern der Regierung in Paris, um an den Konturen einer Autonomie zu arbeiten. Gestritten hat man sich offenbar zum Beispiel über die Frage, was mit den «politischen Häftlingen» passiert, wie die Korsen ihre inhaftierten Unabhängigkeitskämpfer nennen.

Für Paris gab es vor allem eine rote Linie, die nicht überschritten werden durfte: Es soll auch in Zukunft nicht zwei Kategorien von Bürgerinnen und Bürgern geben dürfen in Frankreich. Und, natürlich: Korsika bleibt ganz Teil der Französischen Republik. Vom Inhalt der Verhandlungen drang jedoch nicht viel an die Öffentlichkeit.

Was am Ende des Prozesses auch herauskommen wird, es muss dem Parlament vorgelegt werden. Bei Verfassungsänderungen hat der französische Senat ein Vetorecht. Und dieser Senat wird von der Rechten beherrscht. Geht der die vorgeschlagene Autonomie für die Korsen zu weit, droht dem Vorhaben ein brüskes Ende.

Macron hat aber auch in der Assemblée Nationale keine absolute Mehrheit. Er muss sich dort auf die Linke stützen können, um sein Versprechen zu halten. Seine Rede vor den korsischen Abgeordneten schloss der Präsident mit den Worten: «Ich zähle auf euch, ihr könnt auf mich zählen.»