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Schuldspruch für Pleite-Reeder
Hier kommt die Quittung für die doppelten Rechnungen

Eines von mehreren Schiffen, für die Hansjürg Grunder beim Bund überhöhte Bürgschaften einholte: die SCL Bern.
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Hansjürg Grunder sass andächtig in seinem Stuhl. Die Hände verschränkt, die langen Beine ausgestreckt. Gerade so, als lausche er einer Arie. Selbst als die Gerichtspräsidentin das Urteil aussprach: keine Regung.

Dabei war spektakulär, was sich in diesen Minuten am frühen Donnerstagnachmittag im Berner Amthaus ereignete. Einer der grössten Wirtschaftskrimis der jüngeren Geschichte der Eidgenossenschaft fand sein vorläufiges Ende. Und Hansjürg Grunder, 67, der den Gerichtssaal als weltgewandter Schifffahrtsunternehmer aus dem Berner Oberland betreten hatte, musste ihn als verurteilter Betrüger verlassen.

Nach rund dreijährigen Ermittlungen und einem zweiwöchigen Prozess sieht es das Gericht als erwiesen an, dass Grunder die Eidgenossenschaft arglistig getäuscht hat, um unrechtmässige Leistungen im Umfang von 2,7 Millionen Franken zu beziehen.

Darüber hinaus sprach es den Reeder schuldig wegen Betrugs und der mehrfachen qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung. Die Freiheitsstrafe beläuft sich auf fünf Jahre. Hinzu kommen Geldstrafen und Ersatzforderungen in Millionenhöhe. Ob Grunder in Berufung geht, wollte er gestern Abend noch nicht sagen.

Wenn der Bund das Risiko trägt

Die Geschichte dieses Betrugs beginnt um die Jahrtausendwende. Hansjürg Grunder hatte als Finanzfachmann viel Erfahrung in der Schifffahrtsbranche gesammelt. Er interessierte sich insbesondere für die Schiffsbürgschaften des Bundes. Um im Krisenfall über eine Hochseeflotte zu verfügen, welche die Landesversorgung sicherstellen kann, übernimmt der Bund seit 1959 einen Grossteil der finanziellen Risiken dieser Hochseeschiffe. Grunder sah darin eine Chance: Wenn der Bund das Risiko für seine Schiffskäufe trüge, könnte er seine ehrgeizigen unternehmerischen Wachstumspläne viel schneller in die Tat umsetzen.

Die Differenz zum wahren Kaufpreis der Schiffe strich Grunder ein.

Bald ging Grunder noch einen Schritt weiter und trickste die Vorgaben des zuständigen Bundesamtes mit doppelten Rechnungen, Verträgen und gefälschten Bilanzen aus. Konkret: Grunder legte dem Bund Schiffsbauverträge mit überhöhten Preisen vor. Der Bund verbürgte diese überhöhte Summe, die kreditgebenden Banken spielten mit und zahlten die volle Summe aus. Die Differenz zum wahren Kaufpreis der Schiffe strich Grunder ein. So geschah es bei vier Schiffen, welche der Bund 2004 und 2005 für insgesamt 110 Millionen Franken verbürgte. Allerdings ist dieser Leistungsbetrug, wie das Gericht gestern feststellte, bereits verjährt, weil die wesentlichen Tathandlungen mehr als fünfzehn Jahre zurückliegen.

«Eine Inszenierung geschaffen»

Nach einem ähnlichen Muster ging Grunder sieben Jahre später vor, als seine SCL-Schiffsgruppe wegen der anhaltenden Schifffahrtskrise bereits in schweren Geldnöten war. Grunder fädelte in China einen Schiffskauf ein und liess einen Schweizer Investor und den Bund glauben, der Preis betrage 24 Millionen US Dollar. Faktisch belief sich der Preis aber nur auf 20,6 Millionen Dollar, wie aus diversen Dokumenten hervorgeht.

«Der Beschuldigte hatte eine Inszenierung geschaffen, um den Bund glauben zu lassen, dass der Kaufpreis wirklich 24 Millionen Dollar betrug.»

Gerichtspräsidentin Barbara Lips

Die Verteidigung argumentierte im Prozess unter anderem, dass Eigenleistungen von Grunders Firma die Differenz beim Kaufpreis erklärten. Doch dies überzeugte das Gericht nicht. «Der Beschuldigte hatte eine Inszenierung geschaffen, um den Bund glauben zu lassen, dass der Kaufpreis wirklich 24 Millionen Dollar betrug», sagte Gerichtspräsidentin Barbara Lips. Aufgrund dieser Täuschung habe der Bund eine Bürgschaft gewährt, die um 2,7 Millionen Franken zu hoch gewesen sei.

Ein willkommenes Urteil für den Bund

Das Urteil ist nicht frei von Ironie. Bei dreizehn von Grunders Frachtern und Tankern musste der Bund für seine Bürgschaften geradestehen, was die Steuerzahler rund 205 Millionen Franken kostete. Just jener Schiffsdeal, für den Grunder nun schuldig gesprochen wurde, hat dem Bund aber keinen Schaden verursacht. Die Rede ist von der MV Basilisk. Grunder verkaufte sie 2013 zum überhöhten Preis von 24 Millionen Dollar an eine private Holding. Das Schiff ist bis heute auf den Meeren unterwegs, trotz schwierigen Marktbedingungen werden die Kredite ordentlich amortisiert.

Dennoch ist der Schuldspruch vom Donnerstag für den Bund ein erfreuliches Ergebnis. Das Wirtschaftsdepartement hat für das Hochseeflottenfiasko viel Prügel von Medien und Parlament einstecken müssen. Mit dem Schuldspruch gegen Hansjürg Grunder ist nun gerichtlich bestätigt, dass der Schaden nicht allein auf ungenügendes Risikomanagement seitens der Bundesverwaltung zurückzuführen ist. Sondern auch auf das «recht hohe Mass an krimineller Energie», das das Gericht bei Hansjürg Grunder feststellte.