Herrliberger Kalender 2024Eine Postkarte auf Irrwegen und ein Sprach-Influencer
Ein Pfarrer mit Schreibtalent und eine unauffindbare Freundin: Der Herrliberger Kalender bietet Einblick in kuriose Geschichten.
Der Herrliberger Kalender lässt das letzte Jahr Revue passieren und präsentiert Geschichten über längst Vergangenes. Die Publikation des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Herrliberg (VVH) bietet ihrer Leserschaft auch dieses Jahr kuriose, bewegende und spannende Einblicke ins Dorfleben. Die Geschichte des Segel- und Yachtclubs, ein Porträt über den bekannten Zeckenspezialisten Norbert Satz und der Text «Sprache auf dem Laufsteg» sind dabei nur einige der Texthäppchen in der jährlich erscheinenden Broschüre.
In dem zuletzt genannten Beitrag geht es dabei nicht um Mode, sondern um den ersten Pfarrer von Herrliberg, Johann Wilhelm Simler. Dessen Lebensgeschichte nimmt sich sein aktueller Nachfolger Alexander Heit an.
Ein unglücklicher Pfarrer
1631 wurde der Reformierte als Gemeindepfarrer eingesetzt. Zuvor waren die Küsnachter Pfarrer für die Herrliberger Gläubigen zuständig. Doch der promovierte Theologe wurde als Prediger nicht glücklich und nahm sieben Jahre später eine Stelle als Inspektor in Zürich an.
Simler war nicht nur der erste Herrliberger Pfarrer, er gilt auch mit seiner Gedichtsammlung «Teutsche Getichte» als Wegbereiter für Neuhochdeutsch als Standardsprache. Zwar trieben bereits Luther und Zwingli diese Entwicklung voran, indem sie die Bibel ins Deutsche übersetzten. Jedoch reichten die Gedichte Simlers über religiöse Kreise hinaus. Er sei gewissermassen ein «Sprach-Influencer» gewesen, schreibt Alexander Heit.
«Bhüt’ Gott!»
Eine kleine Odyssee der speziellen Art wird zum Thema in einem der weiteren Texte. 1899 schickte die Herrlibergerin «F. Melde» – der Vorname wird nicht genannt – ihrer Freundin Bertha Schaufelberger eine Postkarte nach Davos. Mit einem «Bhüt’ Gott!» schliesst die Schreiberin die Nachricht. Acht Tage später erreichte die Karte allerdings – einem Bumerang gleich – wieder Herrliberg.
Die Erklärung dafür findet sich auf der Rückseite der Karte: Ganze sieben Poststempel sind darauf zu finden, durch ganz Davos wurde die Karte geschickt. Auch in Sassal bei Chur wird gesucht. Nach tagelanger Suche bleibt nur ein ernüchternder Vermerk über den Verbleib von Bertha Schaufelberger: «Abgereist. Parti.»
Zum Glück gab es doch noch ein Happy End. Eine Nachfahrin der Bertha Schaufelberger fand die Karte im «Familienfundus» und übergab sie der Autorin des Beitrags. Bei dieser handelt es sich um Antonia Baumann, Präsidentin des Verkehrs- und Verschönerungsvereins. Irgendwie fand die Karte also doch noch ihren Weg zum Ziel.
Nudeln aus Wachteleiern
Der Herrliberger Kalender beinhaltet aber auch Themen aus dem 21. Jahrhundert. Beispielsweise ging Pius Rüdisüli nach 24-jähriger Tätigkeit als Gemeindeschreiber in Pension. Die ehemalige Schulpräsidentin Annette Konrad beschreibt in einem persönlichen Porträt die Vorlieben und Eigenschaften des «radelnden, rennenden, Postkarten sammelnden und Schokoladen geniessenden Pius».
Auch kulinarische Tipps fehlen nicht. In Herrliberg gibt es verschiedene Hoflädeli, die potenzielle Kundinnen und Kunden mit hochwertigen und lokalen Produkten anlocken. Die Bandbreite ist gross: Die verschiedenen Lädeli bieten zum Beispiel Nudeln aus Wachteleiern, 50 verschiedene Sorten an Kürbissen und einen 24-Stunden-Milchautomaten an.
Der Kalender wird jährlich an alle Herrliberger Haushalte verschickt. Weitere Exemplare sind für Herrlibergerinnen und Herrliberger kostenlos auf der Gemeindekanzlei erhältlich.
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