Schweres Beben der Stärke 6,8Mehr als 2000 Todesopfer bei Erdbeben in Marokko
Das Erdbeben der Stärke 6,8 überraschte Millionen Menschen in der Nacht in ihren Häusern und richtete schwere Schäden an. Internationale Hilfsorganisationen bereiten sich auf Rettungseinsätze vor.
Ein schweres Erdbeben hat in der Nacht auf Samstag Marokko erschüttert – die Zahl der Toten stieg am Samstagabend auf mehr als 2000, mindestens 2059 weitere Menschen wurden verletzt. Die Naturkatastrophe richtete schwere Schäden in Teilen des nordafrikanischen Landes an. Das Beben war das tödlichste seit mehreren Jahrzehnten in Marokko
In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden Gebäude teils völlig zerstört und berühmte Kulturdenkmäler beschädigt. Internationale Hilfsorganisationen bereiten sich auf Rettungseinsätze vor.
Das Beben ereignete sich am späten Freitagabend um 23.11 Uhr Ortszeit und dauerte mehrere Sekunden. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8, laut dem Helmholtz-Zentrum Potsdam 6,9.
Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dem USGS zufolge ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind laut Experten besonders gefährlich.
Dreitägige Staatstrauer ausgerufen
Marokko hat eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Nationalflaggen an allen öffentlichen Einrichtungen sollen dafür auf halbmast gesetzt werden, wie die staatliche Nachrichtenagentur (MAP) unter Berufung auf eine Mitteilung des Königshofs am Samstagabend berichtete. Zuvor hatte König Mohammed VI. demnach ein Krisentreffen mit Sicherheitsbeamten abgehalten, um das weitere Vorgehen zu beraten.
Dabei habe der König allen «brüderlichen und befreundeten» Ländern gedankt, die sich mit dem marokkanischen Volk solidarisierten und Bereitschaft zur Hilfe signalisierten, hiess es in der Mitteilung weiter.
In der Bevölkerung war in der Nacht nach dem Beben teilweise Panik ausgebrochen. Rettungskräfte suchten unter den Trümmern fieberhaft nach Überlebenden. Es wurde befürchtet, dass die offizielle Zahl der Opfer weiter steigt, wenn die Einsatzkräfte entlegene Regionen erreichen.
Auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken waren in der Nacht zum Samstag und am frühen Morgen zerstörte Gebäude und beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen, die die Altstadt von Marrakesch umgeben, ein Unesco-Weltkulturerbe. Andere Videos zeigten schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verliessen. Aus vielen Provinzen wurden Tote gemeldet.
Kurz nach dem ersten Beben kam es zu einem Nachbeben der Stärke 4,9. Aus Angst vor weiteren Erschütterungen blieben viele im Freien. Verängstigte Bewohner standen in Strassen oder kauerten auf Gehwegen.
Dem Innenministerium von Marokko zufolge gibt es die meisten Schäden ausserhalb der Städte. Betroffene Gebiete konnten am Samstag jedoch teils noch nicht erreicht werden. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP.
Teile von Unesco-Welterbe beschädigt
Auch Teile des Unesco-Welterbes in der Altstadt von Marrakesch sind beschädigt worden. Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. «Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist», sagte Hernan.
Die Medina, die Altstadt, die für ihre engen Gassen und vielen Händler bekannt ist, ist normalerweise ein beliebtes Ziel von Touristen. Nach dem Beben soll sie voller Trümmer gewesen sein. Aufnahmen im marokkanischen Fernsehen zeigten ausserdem grosse Risse und eingestürzte Teile in einem Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer. Hernan zufolge arbeiten das Kulturministerium und die örtlichen Behörden daran, eine umfassende Bewertung der Schäden an allen Häusern und Denkmälern in der Stadt vorzunehmen.
Die Erschütterung riss auch in Spanien und Portugal Menschen aus dem Schlaf. Auch in Algerien war es zu spüren. Über Schäden oder Opfer wurde dort jedoch nichts bekannt. Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete unter Berufung auf das Innenministerium, die Streitkräfte und der Zivilschutz setzten alle Mittel ein, um Hilfe zu leisten und die Schäden zu begutachten.
Letztes schweres Beben im Jahr 2004
Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen. Das letzte grosse Erdbeben erschütterte Marokko 2004 mit einer Stärke von 6,4. Mehr als 600 Menschen kamen ums Leben.
Die Bilder rufen Erinnerungen hervor an das schwere Erbeben Anfang Februar im Südosten der Türkei und in Syrien. Allein in der Türkei starben dabei und an den Folgen der Naturkatastrophe nach offiziellen Angaben mehr als 50,000 Menschen.
Schweiz aktiviert Krisenstab
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten hat in der Nacht auf Samstag den Krisenstab aktiviert. Von Schweizer Opfern hat es bisher keine Kenntnis. Bundespräsident Alain Berset drückte den Opfern sein Mitgefühl aus.
Auf dem Kurznachrichtendienst X schrieb Berset: «Unsere Gedanken sind bei den Marokkanerinnen und Marokkanern, die von diesem schrecklichen Erdbeben betroffen sind». Die Schweiz sei mit Marokko solidarisch.
Nach Angaben von EDA-Sprecher Michael Steiner trat der Krisenstab am Samstagmorgen zu einer Sitzung zusammen, um über einen möglichen Schweizer Hilfseinsatz zu diskutieren. Die Rettungskette werde jedoch in der Regel erst dann aufgeboten, wenn eine Anfrage des betroffenen Landes eintreffe.
Aktuell sind 2545 Schweizer Bürgerinnen und Bürger offiziell in Marokko gemeldet. Auf der Travel-Admin-App haben sich 102 Schweizerinnen und Schweizer angemeldet, die in sich in Marokko aufhalten.
Bei der EDA-Helpline trafen gemäss Steiner einige Anfragen ein. Die Helpline wies die Ratsuchenden an, die Anweisungen der Behörden zu befolgen, sich auf Travel-Admin-App zu registrieren und mit den Reiseveranstaltern oder der Fluggesellschaft Kontakt aufzunehmen.
Auch die Europäische Union hat Marokko nach dem verheerenden Erdbeben Hilfe angeboten. «Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen», schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel am Samstagmorgen über den Kurznachrichtendienst X. Die Nachrichten aus dem Land seien schrecklich. Er sei in Gedanken bei allen, die von der Tragödie betroffen seien, und bei den Rettungskräften.
Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drückte sein Mitgefühl aus. «Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite», schrieb Erdogan am Samstag auf der Plattform X.
AFP/SDA
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