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Die Golf-Welt rätselt
Warum blamiert sich der einstige Star freiwillig?

JEDDAH, SAUDI ARABIA - MARCH 02: Anthony Kim of the USA on the waits to play his tee shot on the 16th hole during day two of the LIV Golf Invitational - Jeddah at Royal Greens Golf & Country Club on March 02, 2024 in King Abdullah Economic City, Saudi Arabia. (Photo by Francois Nel/Getty Images)
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Anthony Kims Agent musste einschreiten. Derart wild waren die Gerüchte um seinen Klienten geworden. Nein, Kim schlafe nicht unter der Brücke, stellte er klar. Er lebe auch nicht in einer Kartonschachtel.

Das war Mitte der Zehnerjahre. Kim tat da schon länger nicht mehr, was ihn zum Star gemacht hatte: Golf spielen. Dabei hatte der US-Amerikaner mit koreanischen Wurzeln einst als legitimer Nachfolger von Tiger Woods gegolten.

Natürlich: Der neue Messi, der neue Jordan – solche Superlative sind rasch verwendet, wenn einer raketenhaft aufsteigt. Aber zwischen Woods und Kim gab es schon ein paar Parallelen: den strengen Vater, der den Sohn schon früh auf Karriere getrimmt hatte. Das furchtlose Spiel. Das Selbstvertrauen. Den Swag. Kim trug auf dem Platz nicht nur eine grosse Gürtelschnalle mit seinen Initialen drauf, diese war auch noch mit Diamanten verziert.

KUALA LUMPUR, MALAYSIA - FEBRUARY 12:  Anthony Kim of USA in action during the first round of the 2009 Maybank Malaysian Open at Saujana Golf and Country Club on February 12, 2009 in Kuala Lumpur, Malaysia.  (Photo by Ian Walton/Getty Images)

Vor allem waren da die Erfolge: erster Turniersieg auf der PGA-Tour mit 22. Ein paar Monate später ein begeisternder Auftritt für die USA am Ryder-Cup 2008. Am Ende seiner ersten Saison hatte Kim 5 Millionen Franken an Preisgeldern eingespielt. Und Nike gab ihm einen langfristigen Vertrag. Bis heute hält Kim den Rekord für die meisten Birdies in einer Runde am Masters in Augusta, dem Wimbledon des Golfs.

Doch dann mehrten sich die Verletzungen. Vorerst waren es nur kleinere, aber sie bewogen Kim dazu, eine Versicherung auf seinen Körper abzuschliessen. Als er sich dann 2012 einer Operation an der Achillessehne unterziehen musste und lange ausfiel, zahlte sich die Versicherung aus. Er bekam fortan monatlich Geld, 2014 berichtete die «Sports Illustrated», dass Kim insgesamt zwischen 10 und 20 Millionen Dollar erhalten werde (und zwar steuerfrei). Sofern er verletzungsbedingt nie mehr in den Sport zurückkehren werde – quasi eine Invalidenrente de luxe.

Kim zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Sichtungen von ihm, meist sogleich auf Social Media geteilt und von den Medien aufgenommen, waren derart rar, dass er als Yeti des Golfs galt. Sein Mythos wurde grösser und grösser.

Saudis bewegen Kim zur Rückkehr

Jetzt ist dieser Kim plötzlich wieder da. Anfang Jahr schloss er einen Vertrag mit der LIV-Tour ab, der von Saudiarabien finanzierten Konkurrenzliga der PGA-Tour. Als er Ende Februar für sein Comeback in Jeddah auftauchte, sorgte das für Aufregung.

Und Kim wirkte in der streng konformen Welt des Golfs tatsächlich ein wenig wie ein Yeti: die tätowierten Arme, die langen, zusammengebundenen Haare, das Shirt, das er über die Hosen herabhängen liess. Kim sah aus wie ein Aussenseiter. Und so spielte er auch: Das Turnier schloss er auf dem letzten Rang ab – 11 Schläge hinter dem zweitschlechtesten Spieler.

Weshalb Kim so lange weg war und warum er nun mit 38 Jahren solche Blamagen riskiert, das sind die drängenden Fragen. Vielleicht wird er sie dereinst in einer von Netflix aufwendig produzierten Doku beantworten. Bis dahin müssen Indizien als Begründung genügen.

Da sind erst einmal die Versicherungsmillionen, die keinen Anreiz für die Rückkehr schufen. Ob die Vereinbarung mittlerweile ausgelaufen ist oder Kim nun Millionen zurückzahlen muss, ist unklar. Vielleicht hatte er auch einfach die Lust am Golf verloren, diesem Sport, den er auf Drängen des Vaters von klein auf exzessiv betrieben hatte. Schon zu seinen besten Zeiten begleiteten Kim Geschichten, wonach er zwischen Runden Party mache, dem Glücksspiel und den «Girls» verfallen sei. Dass er zwar mit einem riesengrossen Talent ausgestattet sei, den Sport aber längst nicht so ernst nehme wie seine Mitstreiter.

JEDDAH, SAUDI ARABIA - MARCH 01: Anthony Kim of the USA plays his second shot on the 1st hole during day one of the LIV Golf Invitational - Jeddah at Royal Greens Golf & Country Club on March 01, 2024 in Jeddah, Saudi Arabia. (Photo by Francois Nel/Getty Images)

LIV zahlte einigen Stars mehrere Hundert Millionen im Voraus, um sie von der PGA-Tour wegzulocken. Auch Kim soll bis zu 7 Millionen Dollar für seine Rückkehr erhalten. Sein letzter Platz in Jeddah brachte ihm immer noch 50’000 Dollar ein. Wird er halbwegs konkurrenzfähig sein, wird sich das Comeback für ihn rasch auszahlen.

Der Mythos Kim wächst schon wieder

Vergangenes Wochenende startete Kim in Hongkong zu seinem zweiten Turnier. Nach zwei enttäuschenden Runden zauberte er am letzten Tag eine 65 auf den Platz, fünf unter Par. Das war das drittbeste Tagesergebnis – in einem Feld mit etlichen Weltklassespielern.

Dabei soll Kim ohne gefittete Schläger angetreten sein. Das ist in etwa so, als würde Marco Odermatt mit Ski aus einer Serienproduktion die Piste hinunterdonnern. Der Mythos Anthony Kim wächst schon wieder.