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Experten geben Einblick
Geschenke, fremde Koffer und Skandale: Wie man richtig auspackt

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Wenn am Heiligabend die Weihnachtslieder gesungen und die Bäuche gefüllt sind, beginnen die (Kinder-)Augen erst richtig zu glänzen. Dann werden landesweit Millionen von Geschenken ausgepackt. Man kann aber auch ganz anderes auspacken – nicht nur an Weihnachten. Etwa Delikte, fremde Koffer oder über Skandale. Expertinnen und Experten erzählen, wie man es am besten macht.

Wie packt man fremde Koffer aus?

Jasmine Blum, Grenzwächterin am Bahnhof Basel SBB

Meist lasse ich die Reisenden ihren Koffer öffnen. Danach packe ich ihn aber lieber selbst aus. Man weiss ja nie, was drin ist. Ein Messer oder eine Pistole könnte unter Umständen gefährlich sein. Viele Kontrollierte warnen mich, es sei dreckige Unterwäsche drin. Aber das interessiert mich nicht. Auch Sexspielzeug nicht. Darüber sehe ich hinweg, dies verlangt auch der Respekt. Mich interessiert nur, was verboten ist. Und was zollpflichtig wäre. Etwa Betäubungsmittel, illegale Tierfelle oder unversteuerter Schmuck. Letzteren finde ich manchmal im Damen-Necessaire.

Ich untersuche meistens von aussen nach innen, beginne also mit den Aussen- und Seitenfächern. Ich frage auch immer, ob gefährliche Gegenstände im Koffer sind – etwa Rasierklingen im Necessaire. Zum Glück habe ich mich in meinen 13 Jahren als Grenzwächterin noch nie ernsthaft verletzt. Es gibt aber immer wieder Überraschungen – etwa wenn eine Sporttasche komplett mit Marihuana gefüllt ist.

Wir wollen die Leute nicht zu lange aufhalten. Sonst verpassen sie womöglich ihren Anschlusszug. 10 bis 15 Minuten müssen in der Regel reichen. Wichtig ist – wie bereits erwähnt – der Respekt. Unter anderem deshalb tragen wir Latexhandschuhe und legen die Kleider nach dem Durchsuchen zusammen. Oft sieht es im Koffer nach der Kontrolle ordentlicher aus als zuvor.

Wie bringt man mutmassliche Täter zum Auspacken?

Christoph Ill, erster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen und Dozent für Einvernahmetechnik

Um Leute zum Reden zu motivieren, muss man neugierig sein und gerne mit Menschen kommunizieren – egal, was sie allenfalls getan haben. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass wir etwas wollen, was das Gegenüber mit grösster Wahrscheinlichkeit hat: verfahrensrelevante Informationen. Also müssen wir alles im Rahmen des Zulässigen machen, um es den Leuten zu erleichtern, mit uns zu reden.

Entscheidend ist eine aussagefördernde Befragungsatmosphäre. Eine Einvernahme in einem dunklen Raum mit der Spotlampe auf den Verdächtigen gerichtet, wie man es aus Filmen kennt, bringt wenig. Unsere neueren Räume strahlen eine gewisse Wärme aus und haben genügend Licht.

Eine gute Ermittlerin steigt auch nicht mit konfrontativen Fragen ein. Stattdessen versucht sie, die Befragten zu motivieren, über das Verfahrensthema zu erzählen. Sie sollen in eigenen Worten und zusammenhängend schildern, was sich zugetragen hat. Bei Widersprüchen oder allfälligen Lügen interveniert die Ermittlerin nicht sofort, sondern macht sich Notizen und kommt erst später darauf zurück, um den Erzählfluss nicht zu unterbrechen.

Man muss gut zuhören können und viel Geduld haben. Entsprechend sollte man sich genügend Zeit reservieren – bei komplexen Wirtschaftsfällen unter Umständen mehrere Tage pro Befragung. Sonst läuft man Gefahr, zu wenig Zeit zu haben, wenn das Gegenüber wie gewünscht ausführlich erzählt.

Erst wenn die Erzählung versiegt, beginnt man relevante Punkte mit Fragen zu vertiefen. Jetzt macht man auch auf Widersprüche aufmerksam, aber nie mit dem Vorwurf der Lüge, sonst riskiert man einen Kommunikationsabbruch. Stattdessen sagt die Ermittlerin: «Diese zwei Versionen verstehe ich nicht. Für mich tönt das wie ein Widerspruch. Können Sie mir das erklären?»

Wie macht man das Auspacken attraktiv?

Christoph Schlatter, Verpackungsdesigner bei Allink

Würden Sie 30 Franken für Kaffeepulver ausgeben, das im transparenten Plastikbeutel im Regal liegt? Ja? Sie Rebell! Aber unter uns: Es gibt wohl nur wenige Pulver, die in solchen Beuteln begehrt sind. Anders als bei illegalen Substanzen ist richtiges Einpacken weit mehr als nur Mittel zum Zweck. Vielmehr löst es schon vor dem Konsum Emotionen aus. Eine gute Verpackung transportiert die Erwartungen, die man an deren Inhalt stellen darf – damit auf das Auspacken keine Enttäuschung folgt.

Das Kartenlesegerät piept erwiesenermassen öfter, wenn derselbe Kaffee in hochwertigem Papier mit goldenem Siegel daherkommt und elegante Lettern darüber informieren, dass die Bohnen nur bei Blutmond von linkshändigen Mönchen geerntet wurden.

Im Zentrum stehen stets das Produkt (oder das Weihnachtsgeschenk) und die Zielgruppe (die beschenkte Person). Dickes Geschenkpapier, der perfekte Falz und symmetrisch platzierte Klebestreifen sind ein idealer Teaser für das Geschenk aus dem Goop Gift Guide von Gwyneth Paltrow. Die plastikfreie Rasierseife wiederum macht in der nachhaltigen japanischen Furoshiki-Verpackung aus einem geschickt gebundenen Tuch am meisten Freude. Ein Duschgel-Set, das im leeren Karton einer Playstation 5 verstaut ist, sorgt dagegen für einen gepflegten Stimmungsdämpfer am Kinder- oder Erwachsenentisch.

Doch zerbrechen Sie sich beim Einpacken des Geschenks nicht den Kopf. Auch die schönste Verpackung wird nach der Bescherung zur Nebensache.

Wie packt man über einen Skandal aus?

Catherine Boss, Co-Leiterin des Tamedia-Recherchedesks

Einige der grössten Skandale sind nur deshalb aufgedeckt worden, weil Menschen den Mut hatten, Missstände zu melden. Doch wie macht man das, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen?

Wer am Arbeitsplatz Missstände feststellt, muss zuerst die Vorgesetzten informieren. Oder eine interne Meldestelle, wenn sie existiert. Erst wenn dies nichts fruchtet, ist eine Information an die Medien angezeigt. Und dann bitte verschlüsselt, denn die rechtlichen Konsequenzen können gravierend sein, weil der Schutz der Whistleblowerinnen und Whistleblower in der Schweiz schwach ist.

Das heisst: Man muss schon bei der ersten Kontaktaufnahme verschlüsselt kommunizieren (zum Beispiel mit Signal, Threema oder Protonmail). Zum Ziel führt aber oft auch der altmodische Weg: Ein anonymer Brief per Post an eine Redaktion. Damit kann ich als Recherche-Journalistin aber nur arbeiten, wenn zum Beispiel Dokumente mitgeliefert werden, die den Missstand belegen – oder die Person mir einen Weg zeigt, wie ein direkter, vertraulicher Kontakt möglich ist. Um einen Skandal auszupacken, braucht es für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber neben Mut auch Durchhaltewillen und Geduld, damit hieb- und stichfeste Beweise beschafft werden können. Es lohnt sich aber: Denn ihnen gebührt die Ehre, dass sie dunkle Machenschaften ans Licht bringen und der Gesellschaft einen wichtigen Dienst erweisen.

Wie packt man Geschenke anderer aus?

Silvana Grellmann, Mediensprecherin der Post

Geschenkpakete mit falscher Empfängeradresse und fehlender Absenderadresse landen in der zentralen Fundstelle in Cadenazzo im Tessin. Dort versucht man aufgrund des Inhalts, der Begleitschreiben und sonstiger Indizien, die betroffenen Postkunden ausfindig zu machen. Die Mitarbeitenden der Fundstelle setzen alles daran, dass die vermissten Gegenstände ihren Weg doch noch an den richtigen Ort finden. Dafür müssen die Pakete geöffnet werden, wodurch in Cadenazzo gewissermassen das ganze Jahr ein Hauch von Weihnachtsstimmung herrscht.

Im Dezember treffen auch die Briefe an das Christkind und den Weihnachtsmann dort ein. Es sind nicht wenige: Im letzten Jahr waren es rund 34’000, wobei etwas mehr als die Hälfte aus der Romandie stammte. Unsere Postwichtel öffnen sie und beantworten die Zuschriften mitsamt einer kleinen Überraschung. Wichtig ist, dass die Kinder «An den Weihnachtsmann» oder «An das Christkind» auf den Umschlag schreiben und auch eine Briefmarke aufs Couvert kleben. Genauso wichtig ist die Absenderadresse, also der Name und die Adresse des Kindes. Schliesslich will der Weihnachtsmann, dass seine Antwort auch ankommt.

Wie hilft man Sündern beim Auspacken?

Martin Werlen, Pater und Beichtvater

Gott will, dass wir als befreite Menschen durchs Leben gehen. Vor ihm dürfen wir auspacken und ausbreiten, was uns auf dem Herzen liegt. Immer noch sprechen viele von der Beichte. Korrekt heisst es aber: Sakrament der Versöhnung. Es geht um Versöhnung: mit Gott, mit sich selbst, mit den Mitmenschen, mit der Schöpfung. Wichtig ist dabei, dass der Mensch zur Sprache bringen kann, was ihn belastet. Dazu ermutige ich. Ausfragen ist fehl am Platz.

Gottes Vergebung ist nicht eine billige Weise des Loswerdens. Wer das Sakrament der Versöhnung empfängt, ist bereit, Verantwortung zu übernehmen für das Verhalten, das andere verletzt hat. Das soll sich konkret zeigen. Darum entlastet dieses Sakrament nicht nur den Menschen, der es empfängt, sondern auch diejenigen, an denen dieser schuldig geworden ist. Ich freue mich, dass ich durch meinen Dienst dazu immer wieder etwas beitragen kann.

Wie packt man Weihnachtsgeschenke aus?

Alva (8) und Lorin (5), Beschenkte

Erst schauen wir, ob es noch Kleber über dem Bändeli hat und nehmen sie weg. Dann streifen wir das Bändeli weg und machen uns an die anderen Kleber. Aber manchmal geht das zu lange, dann reissen wir einfach das Geschenkpapier weg. Und ganz wichtig: Am Schluss Danke sagen!