Anwalt an allen SitzungenGemeinderat Henggart hat sich überworfen – und braucht Hilfe
Sie können nicht mehr zusammenarbeiten. Deshalb haben die Gemeinderäte von Henggart den Bezirksrat gebeten einzugreifen. Ab sofort nimmt ein Anwalt an allen Sitzungen teil.
In Henggart hängt der Haussegen schief. Nun hat der Gemeinderat selbst den Bezirksrat eingeschaltet. Dieser schreibt, bereits im Frühling dieses Jahres sei er auf verschiedene Missstände innerhalb der Gemeinde Henggart hingewiesen worden. Um das Ausmass besser erfassen zu können, habe Anfang Oktober ein Gespräch des gesamten Gemeinderats mit dem Bezirksrat stattgefunden.
In der Folge wurde ein Aufsichtsverfahren eröffnet, und der Bezirksrat hörte Ende Oktober alle Mitglieder des Gemeinderats Henggart einzeln an. Dabei stellte sich heraus: Das Miteinander klappt nicht mehr.
Während einzelne Ressorts gut zu funktionieren schienen, sei die Zusammenarbeit im Gremium des Gemeinderats beeinträchtigt, schreibt der Bezirksrat. «Alle Gemeinderatsmitglieder führten aus, dass der Gemeinderat nicht mehr in der Lage sei, die Beeinträchtigung der Zusammenarbeit selbst zu lösen, und wünschten ein Eingreifen des Bezirksrats.»
Dieser hat am 31. Oktober mit Einverständnis des Gremiums entschieden, zur Begleitung und Unterstützung des Gemeinderats einen Rechtsanwalt mit ausgewiesener Fachkompetenz im Staats- und Verwaltungsrecht einzusetzen.
Gemeinderat und Verwaltung unterbesetzt
Ob eine zwischenmenschliche Auseinandersetzung oder fachliche Überforderung die Ursache der Differenzen im Gemeinderat sei, könne der Bezirksrat noch nicht sagen, sagt Bezirksratsschreiberin Natalie Stauber auf Anfrage. «Es ist aber kein spezifisches Thema, das die Probleme ausgelöst hat.»
Fest steht: Sowohl im Gemeinderat als auch in der Verwaltung herrscht aktuell Personalmangel. Seit dem Rücktritt des Hoch- und Tiefbauvorstands ist die Exekutive vorübergehend nur mit vier statt fünf Gemeinderatsmitgliedern besetzt. Die Ersatzwahlen, an der drei Männer antreten werden, finden am 24. November statt. Stauber sagt: «Diese Situation hat den Druck auf die einzelnen Behördenmitglieder zusätzlich erhöht.»
Auch die Unterbesetzung der Verwaltung sei als gravierendes Problem genannt worden, das umgehend gelöst werden müsse. Obschon mehrere Personen ihre Kündigung eingereicht hätten, seien diese Stellen Ende Oktober noch nicht ausgeschrieben gewesen, so Stauber. Dieser Engpass müsse in Ordnung gebracht sein, ansonsten lasse sich das Aufsichtsverfahren nicht abschliessen.
Investitionen budgetiert, aber nicht umgesetzt
Das fehlende Personal könnte mit ein Grund für mehrere nicht umgesetzte Projekte sein. Den Jahresrechnungen 2022 und 2023 ist zu entnehmen, dass die budgetierten Investitionen weitgehend nicht getätigt wurden. Diese Aufgabe könne der Bezirksrat nicht für den Gemeinderat übernehmen, sagt Stauber.
Der vom Bezirksrat eingesetzte Anwalt wird ab sofort und vorläufig bis Ende März 2025 an den Sitzungen des Gemeinderats teilnehmen, die Sitzungsvorbereitung sowie die Umsetzung von Beschlüssen prüfen und erhält Einsicht in alle relevanten Dokumente und Akten der Gemeinde Henggart. Bestehen Hinweise auf klare Rechtsverletzungen, wird er den Bezirksrat umgehend informieren. Der Stundenansatz des Anwalts liegt laut Bezirksrat bei 250 Franken. Die Verfahrenskosten trägt die Gemeinde Henggart.
Da das gesamte Gremium mit der Massnahme einverstanden ist, muss kein besonders gravierender Fall vorliegen. «Die Gemeinderäte wünschen sich einfach, dass die Zusammenarbeit besser wird.»
Was geschieht, wenn dies nicht klappt? Die extremste Massnahme bestünde darin, dem Gemeinderat sein «Recht zur Selbstverwaltung zu entziehen und ein leitendes Organ einzusetzen». Beschliessen kann das allerdings nur der Regierungsrat. Stauber sagt: «Das ist sicher nicht unser Ziel, sondern wäre die absolute Ultima Ratio.»
Kritik aus der Bevölkerung
Was den Ausschlag für die Krise im Gemeinderat Henggart gegeben hat, ist unklar. Die Behördenmitglieder dürfen sich aufgrund des laufenden Verfahrens zu den Hintergründen nicht äussern, wie mehrere auf Anfrage mitteilen. Auf Missstände in der Gemeinde gab es im Vorfeld aber bereits mehrere Hinweise.
Das Projekt Begegnungsplatz des Gemeinderats wurde von der Bevölkerung zuerst an der Gemeindeversammlung und dann vor einem Jahr auch noch an der Urne deutlich abgelehnt. Die Behörde wurde für ihren Umgang mit dem Projekt Asylunterkunft scharf kritisiert. Die Budgetversammlung musste das Gremium letztes und dieses Jahr wegen «aktueller finanzieller Herausforderungen» verschieben.
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