Jungprofi Ebrima DarboeGeflüchtet, missbraucht und nun auf der grossen Fussballbühne
Der 19-jährige Gambier von der AS Roma verblüfft bei seinem Debüt in der Europa League. Vor allem angesichts seiner Geschichte: Sein Weg führte durch die Hölle.
Als Chris Smalling nach einer halben Stunde den Rasen verlassen musste und sich damit in die lange Verletztenliste der AS Roma eintrug, rieben sich sogar eingefleischte Fans der Giallorossi die Augen. Der Name seines Ersatzes: Ebrima Darboe.
Wer den jungen Mann nicht kennt, macht sich keiner Unterlassungssünde schuldig. Gerade einmal sieben Minuten Erfahrung in der Serie A brachte der 19-Jährige mit, die hatte er seit vergangenem Sonntag und dem 0:2 bei der Sampdoria. Ibra, wie er teamintern gerufen wird, spielte allerdings wie ein Routinier, liess sich auch von den Stars von Manchester United den Schneid nicht abkaufen und zählte zu den Aktivposten. «Mister Fonseca hat mir gesagt, ich solle einfach spielen, und das habe ich versucht», sagte er nach dem 3:2-Sieg bescheiden.
So wertlos der Sieg für die Römer im Gesamtkontext sein mag, weil sie den Finaleinzug in der Europa League trotzdem verpassten, so unvergesslich war er für Ebrima Darboe. «Vor vier, fünf Jahren habe ich diese Spieler noch in Afrika am TV gesehen, nun bin ich hier», sagt er ungläubig.
3500 km im Bus
Er habe einen «speziellen» Weg hinter sich, sagt er auf Nachfrage und lächelt. Vielleicht auch, weil er weiss, dass er mit dem Wort «speziell» die Untertreibung des Jahres liefert. Geboren in Bakteh in Gambia, verliess er sein Zuhause mit 14. «Es gab nicht genug zu essen für die ganze Familie», blickt er zurück. Er verabschiedete sich schweren Herzens und mit Tränen von seiner Mutter, seinem Bruder und seinen zwei Schwestern – der Vater war Jahre zuvor gestorben.
Sein Traum von einer besseren Zukunft ohne Hunger und Krieg begann in einem überfüllten Bus nach Libyen – 3500 Kilometer lang war die Strecke, länger als die Distanz zwischen Rom und Moskau. Dort angekommen, wurde er von Menschenhändlern in ein Camp gebracht, wurde missbraucht und geschlagen. Später gab es Probleme mit seinem Visumsantrag für Italien, und so musste er zusammengepfercht mit vielen anderen auf einem Flüchtlingsboot übers Meer nach Sizilien fliehen.
Dort landete er als Minderjähriger in einem der vielen SPRAR-Center (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati), wo ihm geholfen wurde. Zu jenem Zeitpunkt wog er gerade einmal 50 Kilo. Er wurde dann zu einer Familie nach Rieti in der Region Lazio gebracht und begann dort nach drei Jahren Unterbruch wieder Fussball zu spielen.
Bei einem Testspiel fiel er einem weiblichen Scout der AS Roma auf, und Miriam Peruzzi beobachtete ihn fortan regelmässig und behandelte ihn wie ein Familienmitglied. «Vor allem das hatte mir sehr gefehlt, ich war sehr einsam», blickt er zurück. Bald durfte er im Trainingscamp in Trigoria vorspielen – und beeindruckte. Bevor er allerdings mit der U-21 in der Coppa Italia debütieren durfte, war wieder warten angesagt: Darboe musste zuerst den Flüchtlingsstatus erhalten.
Dabei halfen ihm auch die Fifa und ein Privatbetreuer, der ihm von einem Gericht zugewiesen wurde. Jetzt ist Ebrima Darboe offiziell ein Spieler der AS Roma. Er verdient 50’000 Euro pro Jahr, von denen er praktisch alles nach Hause schickt. Er wiegt 70 Kilogramm.
Mittlerweile ist er auf dem Weg sich zu etablieren, auch dank der Hilfe von Clublegende Daniele De Rossi, Ex-Spieler Alexei Kolarow und aktuell Amadou Diawara, seinem Teamkollegen aus Guinea. «Sie haben mir so viel beigebracht, das werde ich ihnen nie vergessen.» In der «Primavera», der Nachwuchsmeisterschaft, ist er im Team von Alberto De Rossi Stammspieler, und fast immer trainiert er mit der ersten Mannschaft. Und wer weiss, wie der zukünftige Trainer José Mourinho auf Jungtalente setzt, darf auf seine nächsten Fortschritte gespannt sein.
Das Lob des ManU-Weltmeisters Pogba
Vorerst aber ist Ebrima Darboe vor allem eins: dankbar. «Ich danke Gott und Italien. Ich bin hier so gut aufgenommen worden», sagt er in bereits sehr passablem Italienisch. Und sein Ratschlag ist klar: «Glaubt an eure Träume und gebt nie auf.»
Sein Weg bleibt nicht verborgen: Nach dem Rückspiel im Olimpico gratulierte ihm der französische ManU-Weltmeister Paul Pogba persönlich zu seiner Leistung, und Bruno Fernandes wollte sogar das Shirt tauschen. «Er hatte überhaupt keine Angst», lobte der Portugiese. Wer den Weg von Ebrima Darboe kennt, weiss, wieso.
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