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Kurz vor Fussball-WM
Gastarbeiter in Katar sollen weiter ausgebeutet werden

«Es macht mich richtig wütend, dass diese arrogante Fifa mit ihrer geldgierigen Führungsriege ihren Verdienst auf dem Rücken der Spieler macht.»: Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland.
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Einen Monat vor Beginn der Fussball-Weltmeisterschaft in Katar sehen Menschenrechtler weiterhin Probleme im Umgang mit den auch an den WM-Vorbereitungen beteiligten Gastarbeitern im Land.

Laut Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland, hat die Gastgeberrolle der Fussball-WM noch nicht zu nennenswerten Reformprozessen in Katar geführt. Er stelle fest, «dass es eine Schande ist, wie langsam und ungenügend die Reformen in Katar vorangetrieben werden», sagte der 59-Jährige im Interview mit der Tageszeitung «Die Welt». Es habe zwar einige Verbesserungen gegeben, aber «vor allem auf dem Papier» und «nur sporadisch», kritisierte Michalski.

Auch Amnesty kritisiert Katar scharf

Auch bei den Entschädigungszahlungen für beim Bau der WM-Arenen verstorbene oder verletzte Arbeiter gebe es noch reichlich Nachholbedarf: «Nach den Regeln der Vereinten Nationen müssen Fifa, Regierung und die Bauunternehmen diejenigen Familien entschädigen, deren Angehörige auf den Baustellen gestorben oder verletzt worden sind. Aber bislang haben die Verantwortlichen noch nicht mal mit der Wimper gezuckt», sagt Michalski.

Ähnliche Worte findet Amnesty International. Die Arbeitsrechtsreformen seien noch immer nicht ausreichend umgesetzt. Arbeiter in dem Emirat würden deshalb weiterhin ausgebeutet und missbraucht.

«Warum wird nicht auch anerkannt, dass sich in Katar in den letzten zehn Jahren sehr viele Gesetze verändert haben?»

Botschafter von Katar, Mohammed Jaham Abdulaziz Al Kuwari

Die im Golfstaat vor wenigen Jahren eingeführten Reformen des Arbeitsrechts hätten zwar zu deutlichen Verbesserungen geführt, räumte Amnesty ein. Es gebe aber weiterhin «legale Schlupflöcher». Tausende Arbeiter warteten etwa auf bislang nicht gezahlte Löhne oder würden am Jobwechsel gehindert. Zudem arbeiteten Hausangestellte etwa oft bis zu 18 Stunden täglich und ohne Ruhetag zwischendurch. Entschädigungszahlungen an die Angehörigen der Verstorbenen stünden weiter aus. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück und führt Reformen zugunsten der Arbeiter an.

Über die harte Kritik von verschiedenen Organisationen sagte der Botschafter von Katar, Mohammed Jaham Abdulaziz Al Kuwari, gegenüber dieser Zeitung: «Sehen Sie, wir akzeptieren die Kritik der Fifa, der Menschenrechtsorganisationen und der Internationalen Arbeitsorganisation der UNO.» Er möge den Dialog, «aber warum wird nicht auch anerkannt, dass sich in Katar in den letzten zehn Jahren sehr viele Gesetze verändert haben?»

«Wissen die Leute, wie sehr wir unsere Gesetze angepasst haben?» Mohammed Jaham Abdulaziz Al Kuwari, Katar-Botschafter.

Die Fifa hatte sich zuletzt etwas offener für die Einrichtung von Entschädigungsfonds gezeigt. Katar weist die Kritik am Umgang mit Arbeitnehmer- und Menschenrechten zurück und verweist selbst auf Reformen. Offiziellen Angaben aus Katar zufolge gab es auf Stadionbaustellen drei tödliche Arbeitsunfälle. In Medienberichten wird seit Jahren von deutlich mehr gesprochen. Oft zitiert wird die Zahl 6500. Etwa so viele Wanderarbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesh und Sri Lanka sind laut einer Recherche von «The Guardian» zwischen 2011 und 2020 in Katar gestorben. «Diese Information ist leider irreführend – 6500 Arbeiter starben nicht auf Baustellen für die WM-Stadien», sagte der Botschafter Al Kuwari. «Wenn wir die WM-Stadien betrachten, hatten wir leider drei arbeitsbedingte Todesfälle und 35 nicht arbeitsbedingte Todesfälle.»

«Über kurz oder lang ist das eine Art Selbstmord»

Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland

Von einem WM-Boykott hält Michalski nichts, «weil die Spieler und die Athleten ja nichts dafür können, wo die Veranstaltung stattfindet». Der Kardinalfehler sei bereits bei der WM-Vergabe passiert. «Es macht mich richtig wütend, dass diese arrogante Fifa mit ihrer geldgierigen Führungsriege ihren Verdienst auf dem Rücken der Spieler macht.»

Sport-Grossveranstaltungen in Länder wie Katar, China oder Russland, die «die Menschenrechte mit Füssen» treten und «eine internationale Propagandashow aufführen» würden, zu vergeben, werde den Verbänden langfristig schaden. «Über kurz oder lang ist das eine Art Selbstmord», meinte Michalski.

 

DPA/so