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Zanardi erneut verunfallt
Ganz Italien bangt wieder um den Kämpfer der Nation

Die Hommagen auf Alex Zanardi füllen ganze Seiten in den italienischen Zeitungen: Der erfolgreiche Sportler liegt derzeit im Koma.
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Von Alex Zanardi sagen die Italiener, er habe ihnen beigebracht, dass sich das Schicksal reparieren lasse. Wie ein Auto. «Zanna» ist ein Mechaniker an sich selbst, ein Gemütsflicker. Lächelnd in der Prüfung, selbstironisch, immer positiv, bei allen beliebt und von allen bewundert.

Ein homerischer Held, so nennt ihn Michele Serra in der «Repubblica». Ein moralisches Beispiel, die Verkörperung von Resilienz. Und darum sitzt jetzt sozusagen ganz Italien an seinem Bett in der Intensivstation des Policlinico von Siena.

Der beinamputierte Rennfahrer, frühere Formel-1-Pilot und Paralympiker Alex Zanardi, 53 Jahre alt, aus Bologna, liegt nach einer dreistündigen Operation am Kopf im künstlichen Koma – stabil, aber ohne klare Diagnose.

Vierfaches Olympiagold

Das Schicksal war ihm wieder unhold, einmal mehr. Am vergangenen Freitag, kurz vor 17 Uhr, verlor Zanardi auf der Strada Provinciale 146 im toscanischen Val d’Orcia zwischen Pienza und Montalcino die Kontrolle über sein Handbike, das er so gut kennt. Es hat ihm schon vier Goldmedaillen eingetragen, zwei an den Olympischen Spielen in London und zwei in Rio de Janeiro.

Der Italiener gewann an den Paralympics insgesamt vier Goldmedaillen.

Zanardi fuhr mit beim halboffiziellen Rennen Obiettivo Tricolore, so heisst eine Stafette von Paralympikern, die von Luino im Norden Italiens bis nach Apulien an der Absatzspitze des Stiefels führt, 3000 Kilometer, 43 Etappen. Organisiert wurde sie von Obiettivo 3, einer Firma, an der Zanardi zu einem Drittel beteiligt ist.

Die Etappe in der Toscana fuhr er selber mit, in Montalcino erwarteten ihn Freunde, da hob plötzlich sein Rad von der Strasse ab, bei etwa 50 Stundenkilometern. Zanardi geriet auf die andere Strassenseite und prallte seitwärts gegen einen Lastwagen. Hilfe war sofort vor Ort, er wurde mit dem Helikopter nach Siena geflogen.

Der Chirurg, der ihn operierte, sprach danach von schweren Kopfverletzungen, «Zanna» soll mehrere Gesichtsknochen gebrochen haben. Die OP lief gut, aber eben: Die Ärzte mögen keine Voraussage machen, einer sagte: «Wie gross die Hirnschäden sind, die er davonträgt, und wie viel Augenlicht er verliert, wissen wir erst, wenn er wieder aus dem Koma erwacht – falls er wieder erwacht.»

Rennverbot umgangen?

Viele Fragen um den Unfall sind offen, etwa: Warum hob das Handbike ab? Ein Fahrfehler? Ein Loch in der Strasse? Ein Konstruktionsmangel? Um einige Fragen kümmert sich jetzt die Staatsanwaltschaft von Siena. Den Lastwagenfahrer trifft keine Schuld, so viel scheint klar zu sein. Der hatte versucht, mit einem schnellen Manöver Zanardi auszuweichen. Ohne dieses Manöver wäre der frontal aufgeprallt. Der Fahrer hatte weder getrunken, noch fuhr er zu schnell: nur 30 Stundenkilometer. Er hatte auch kein Fahrverbot missachtet.

Brisanter ist die Frage, warum kein Bürgermeister der Orte, durch die das Rennen mit dem prominenten Teilnehmer führte, informiert war. Die Organisatoren beteuern, sie hätten nur deshalb keine Bewilligungen eingeholt, weil es sich bei der Stafette um eine «biciclettata» unter Freunden gehandelt habe – um eine kleine Spasstour mit dem Rad.

Nun, wäre es mehr gewesen, hätte sie auch gar nicht stattfinden dürfen: Wegen Corona sind alle Radrennen in Italien bis Ende Juli verboten. Mogelten sie sich da am Verbot vorbei?

«Ich würde ihn mitnehmen auf den Mars, um den Ausserirdischen zu zeigen, was ein Mann ist.»

Liedermacher Roberto Vecchioni über Zanardi

Kurios ist dann aber, dass vor der Spitzengruppe mit etwa zehn Fahrern, der auch Zanardi angehörte, ein Polizeiauto fuhr, als würde es das Peloton eskortieren. So sieht man das auf dem Video, das ein Journalist drehte. Er nahm auch die Unfallszene auf.

Am Ende interessieren diese Dinge aber nur am Rande. Was vor allem zählt, ist das Leben. In den sozialen Medien, die voll sind mit rührenden Solidaritätsadressen, schreibt jemand, im Jahr von Corona habe nur noch gefehlt, dass Alex Zanardi verunfalle – der nationale Muntermacher.

In den vergangenen Wochen lachte er aus einer TV-Werbung eines deutschen Autobauers, seines Sponsors, ein Weckruf nach dem Lockdown. Zanardi ist für die Italiener der Kämpfer schlechthin, das Comeback-Kid wider alle Widrigkeit.

In der Formel 1, wo er von 1991 bis 1994 und dann noch mal 1999 mitmachte, war «Zanna» Mitfahrer, mehr nicht. Das liessen auch die Rennställe nicht zu, die ihn anstellten: Minardi, Jordan, Lotus, Williams – keiner der wirklich grossen war dabei, obschon viele in der Branche dem Italiener Talent nachsagten. 44 Grand Prix waren es am Ende, das beste Resultat: Sechster beim Rennen in Brasilien 1993. In der US-Cart-Serie Formula Indy lief es besser, zwei Titel gewann er da.

Zanardi war vor seinem ersten Unfall im Motorsport aktiv.

Am 15. September 2001, vier Tage nach den Terroranschlägen auf die New Yorker Zwillingstürme und das Pentagon in Washington, fand auf dem Lausitzring ein Rennen statt, bei dem der Terroropfer gedacht werden sollte, das American Memorial. Zanardi machte mit. 13 Runden vor Schluss, er kam gerade aus den Boxen, geriet sein Wagen ins Schleudern und wurde vom Auto von Alex Tagliani getroffen, der war mit 320 Stundenkilometern unterwegs.

Ein schrecklicher Unfall. Zanardis Beine wurden so schlimm gequetscht, dass man sie ihm amputierte. Auf dem Weg ins Krankenhaus war er siebenmal weg, musste wiederbelebt werden. Einen Monat lang war er damals im Koma, fünfzehnmal wurde er operiert. Aber «Zanna» überlebte und erfand sich neu. Mit «grinta», sagen die Italiener, mit unbedingtem Lebenswillen. Mitleid war ihm immer leid. Er machte trockene Witze, sein Lieblingsspruch: «Ich bin so bewegt, mir zittern die Knie.»

Die Hommagen der Zeitungen füllen Seiten, die Politik stimmt mit ein. Italiens Premier Giuseppe Conte etwa twitterte: «Nie hast du aufgeben, mit deiner formidablen Willenskraft hast du tausend Hürden überwunden. Forza Alex, gib nicht auf. Ganz Italien kämpft mit dir.»

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Bewegend ist auch das Zeugnis von Roberto Vecchioni, dem Liedermacher, der Zanardi eines seiner schönsten Stücke widmete: «Ti insegnerò a volare», ich lehre dich das Fliegen.

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Er habe Zanardi erst kennen gelernt, nachdem er das Lied geschrieben habe, so Vecchioni. Dann aber seien sie Freunde geworden. Er sagt: «Ich würde ihn mitnehmen auf den Mars, um den Ausserirdischen zu zeigen, was ein Mann ist.» Zanardis Lieblingssong übrigens, schreibt der «Corriere della Sera», ist von Queen: «Don’t Stop Me Now.»

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