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Erste Porsche-Pilotin
«Für diese Chance habe ich gekämpft»

Simona de Silvestro vor dem Elektroauto von Porsche. Mit ihrer Erfahrung hilft sie gleichzeitig den anderen Piloten und den Ingenieuren.

Sie wollte immer eines: Rennen fahren. Deshalb wurde Simona de Silvestro zu einer Weltreisenden des Motorsports. Als Teenager ging sie allein in die USA, um sich ihren Traum zu erfüllen. Schnell schaffte sie den Sprung in die populäre Indycar-Rennserie und setzte sich durch – auch gegen Vorurteile gegen Frauen. De Silvestro ist hart im Nehmen: Zweimal verunfallte sie schwer. Einmal touchierte sie die Mauer, welche die ovale Rennstrecke begrenzt. Der Wagen fing Feuer, und de Silvestro wurde erst nach rund einer Minute aus dem Cockpit befreit. Ein Jahr später überschlug sich ihr Wagen beim freien Training für den Saisonhöhepunkt in Indianapolis und ging in Flammen auf. De Silvestro fuhr weiter Rennen. Zuletzt für vier Jahre in Australien, nun geht sie für Porsche an den Start.

Ihre aktuelle Rennsaison beginnt bald. Doch obwohl Sie seit 15 Jahren Profirennfahrerin sind, kennen Sie die Strecken in Deutschland, Österreich und den Niederlanden gar nicht.

Ja, stimmt. Den Nürburgring bin ich zum Beispiel noch nie gefahren, weil meine Karriere bis jetzt in Übersee stattgefunden hat. Da muss ich schon noch ein paar Dinge lernen.

Wie machen Sie das?

Wir trainieren an Simulatoren. Dann haben wir eine Ahnung, wie die Strecke verläuft. Ich freue mich, dass ich dort fahren kann: Es sind Strecken, die eine grosse Rolle in der Rennsportgeschichte spielen.

So ein Simulator wäre ja wie gemacht für Autorennen während des Corona-Lockdown.

Dafür haben wir ihn auch verwendet. Zu Beginn des Lockdown dachte ich, es wäre cool, ein bisschen fahren zu können. Dann habe ich mich mit der Racing Fuel Academy in Horgen in Verbindung gesetzt. Dort werden Rennsimulatoren gebaut und Rennen gefahren. Am Anfang dachte ich, es wäre nur zum Spass. Aber dann wurde es immer seriöser, und wir sind sogar virtuell die 24 Stunden von Le Mans gefahren. Wir haben uns alle eingesetzt, um gut zu werden in der Disziplin Sim-Racing.

Sie wussten schon als Kind, dass Sie in einem gut werden wollten: Autorennen fahren. Bei den meisten bleibt es beim Kindertraum – warum nicht bei Ihnen?

Ich wollte es unbedingt. Mit sechs Jahren begann ich Gokart zu fahren, mit 16 setzte ich mich zum ersten Mal in ein Auto in der italienischen Formel 2000. Mit 17 fand ich einen amerikanischen Sponsor und ging allein nach Amerika, um dort in der Formel BMW anzutreten. Am Anfang war es nur für ein Jahr abgemacht und dann blieb ich acht Jahre lang dort. In den USA habe ich es bis in die IndyCar Serie hoch geschafft.

Das ist in die höchste Stufe des US-Motorsports.

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal das berühmte Indy 500 fahren würde. Und dann war ich fünfmal dort dabei. 2010 habe ich die Auszeichnung Rookie of the Year gewonnen, und 2013 hatte ich einen Podiumsplatz. Da ist es gut vorwärtsgegangen mit meiner Karriere.

Danach erlebten Sie aber einen Rückschlag: Sie wechselten zum Schweizer Formel-1-Team Sauber und kamen kaum zum Fahren. Eine sportliche Einbahnstrasse.

Ich träumte immer von der Formel 1. Sauber engagierte mich als Testfahrerin, es sah gut aus. Aber im Rennsport gilt: Wenn das Budget fehlt, wird es schwierig. Ohne Sponsor konnte ich bei Sauber nicht mehr fahren. Ich kehrte für ein paar Rennen zurück ins Indycar und fand so ein Team in der Formel E. Mit dem Elektrorennauto war es ein ziemlich gutes Jahr. Dadurch bekam ich ein Angebot, Bathurst 1000 in Australien zu fahren. Das ist eine Strecke, von der jeder Fahrer träumt: legendär, hügelig und schnell. Ich fuhr das 1000-Kilometer-Rennen, danach bekam ich einen Dreijahresvertrag in Australien. Das zeigte mir: Manchmal ist es nicht easy, aber man darf die Hoffnung nicht aufgeben.

Sie haben die Chancen gepackt, die Sie sich erarbeitet hatten.

Wenn ich etwas fahren kann, greife ich zu. So bin ich nach Amerika gegangen, so bin ich später nach Australien gegangen, um einfach meinen Traum weiterzuleben und Rennen zu fahren. Für die Position, in der ich jetzt bei Porsche bin, hat es sich gelohnt, das alles durchzumachen.

Was umfasst Ihre Position bei Porsche?

Ich bin Werksfahrerin. Es ist ein cooles Feeling, Rennfahrer bei Porsche zu sein. Die Firma hat so ein grosses Vermächtnis im Rennsport. Ich arbeite auch in der Entwicklung und bin dritter Fahrer im Formel-E-Programm. Zusätzlich trete ich ab Ende Monat bei den ADAC GT Masters für Porsche an.

Sie sind scheinbar an dem Ort angekommen, wo Sie alles anwenden können, was Sie in Ihrer Karriere gelernt haben. Die Formel-E-Erfahrung, Indycar und die Zeit in Australien.

Das ist so. Es ist das erste Mal in meiner Karriere, dass ich ein Team habe, mit dem ich vorne mitfahren kann. Dafür habe ich gekämpft: eine richtige Chance. Nun muss ich zeigen, was ich kann.

Spornt das an, oder ist der Druck zu gross?

Wir haben als Rennfahrer immer Druck. Aber wenn du in einem Team bist, das Rennen gewinnen kann, weisst du: O. k., es ist alles da. Im Indycar und in Australien war ich nie in einem Topteam. Bei Porsche ist das Potenzial da, und die Resultate werden kommen. Das pusht mich, noch besser zu werden.

Sie kennen auch die Situation, antreten zu müssen, obwohl Ihr Auto nicht konkurrenzfähig ist.

2012 beim Team Lotus in Amerika hat der Motor nicht die Leistung gebracht, und doch gingen wir an den Start. Wenn ich unter die ersten Zehn kam, war das, wie ein Rennen zu gewinnen. Manchmal hat man eben schwierige Phasen. Jeder Rennfahrer muss da durch, und es kommen immer bessere Zeiten.

Was zieht Sie nach all den Jahren immer noch ins Cockpit?

Die Competition. Und zwar alles, was damit zusammenhängt. Klar, das Fahren macht Spass. Aber es ist mehr: dass man in der Rennwoche da rausgeht, um im Qualifying alles zu geben, die Maschine am Limit zu bewegen und auf der Strecke richtig zu kämpfen. Das macht es aus. Und dass die Autos richtig schnell sind.

Wie sehen Sie Ihre nächste Zukunft?

Ich hoffe, dass ich eine lange Karriere bei Porsche haben werde. Momentan ist der Fokus auf den Rennen der ADAC GT Masters. Ich will auch im Formel-E-Programm gut involviert sein. Man weiss ja nie, wo es hingehen wird, aber ich bin in guten Händen.

Wie hat es Sie geprägt, um die Welt zu reisen und Rennen zu fahren?

Wenn man mit 17 Jahren allein fortgeht und Rennen fährt, entwickelt man sich automatisch. Am Anfang ist alles neu, aufregend, aber auch stressig. Mit der Zeit hat man mehr Selbstvertrauen und lernt, mit Sachen besser umzugehen. Die Welt zu sehen und die Chancen zu nutzen, die sich mir bieten, das war wichtig für mich. Ich kann jetzt sicher besser mit Dingen umgehen als früher.

Das heisst?

Ich bin gechillter geworden. Und wenn nicht grad alles so passiert, wie ich es will, dann darf ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass es doch einmal so kommt.

Sie sind eine der wenigen Frauen im Rennsport. Müssen Sie sich immer noch beweisen?

Ich glaube, es hat sich etwas verändert. Immerhin bin ich die erste Frau, die Porsche als Werksfahrerin unter Vertrag genommen hat. Früher war es immer ein Kampf.

Worum?

Erfolg im Rennsport hängt davon ab, in welchem Auto man sitzt und zu welchem Team man gehört. Als Frau war es oft schwierig, überhaupt eine Chance auf ein gutes Auto zu erhalten. Jetzt heisst es: Da ist das Auto, und wenn du schnell bist, bekommst du es. Egal, ob Pilot oder Pilotin. Aber klar ist auch: Du musst dich beweisen. Ich werde als Frau immer noch genauer angeschaut, wie ich fahre. Aber ich hoffe, dass ich mit guten Resultaten und guter Arbeit bei Porsche für die junge Generation von Fahrerinnen noch mehr Türen öffnen kann.

Sie sind aus Australien nach Europa zurückgekehrt, weshalb haben Sie sich für die Zürichseeregion entschieden?

Ich habe bei Sauber viele Freunde kennen gelernt und treffe sie jetzt wieder. So habe ich mich schnell eingelebt. Als ich aus Australien zurückkam, war es easy, mich zurechtzufinden. Zürich ist eine coole Stadt, in Küsnacht zu wohnen, ist schön. Ich bin seit Dezember wieder in der Schweiz. Der Lockdown hatte auch etwas Gutes: Ich konnte mich einrichten in meinem neuen Zuhause. Sonst würden immer noch ein paar Koffer und Kisten aus Australien rumstehen.