Eva Herzog will kandidieren«Frauen sind entweder zu jung oder zu alt»
Sie gilt als Favoritin für den SP-Sitz im Bundesrat. Nun hat Eva Herzog ihre Kandidatur angekündigt – ihre Chancen stehen gut, wie erste Reaktionen zeigen.
Eva Herzog wirkt ein wenig so, als wäre sie schon Bundesrätin. Anders als Konkurrentin Evi Allemann gibt sie nicht bloss ein Interview, um ihre Kandidatur bekannt zu geben. Sie verkündet den Entscheid vor den versammelten Medien, sekundiert von Wegbegleitern. Das Amt strebe sie aus voller Überzeugung an, mit Kopf und Bauch, sagt Herzog nach der dreisprachigen Begrüssung. Was sie qualifiziere, sei ihre Erfahrung.
Herzog war 15 Jahre Finanzdirektorin des Kantons Basel-Stadt, seit drei Jahren sitzt sie im Ständerat. Damit ist auch klar: Eva Herzog ist keine junge Kandidatin. Sie ist 60 Jahre alt und hat zwei erwachsene Söhne. Ist sie nicht zu alt, um Bundesrätin zu werden? Es ist die erste Frage, die ihr gestellt wird.
Herzog hat damit gerechnet. Sie stellt fest, dass diese Frage nur Frauen gestellt werde. Beim 62-jährigen SVP-Bundesratskandidaten Heinz Tännler sei das Alter kein Thema. Frauen hingegen seien immer «entweder zu jung, oder die Kinder sind zu klein, oder sie sind zu alt». Sie habe den Eindruck, dass man Frauen so davon abhalten wolle, verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen. Dass es inzwischen nicht mehr als Makel gesehen werde, kleine Kinder zu haben, sei zu begrüssen. Doch die Diskussion sollte nicht ins Gegenteil kippen. Das Alter dürfe keine Rolle spielen. «Erfahrung ist auch ein Wert.»
Dass sie als Bundesrätin wohl über das ordentliche Rentenalter hinaus arbeiten würde, sieht Herzog nicht als Widerspruch zur Haltung ihrer Partei. Herzog hatte sich mit der SP gegen ein höheres Frauenrentenalter eingesetzt, weil sie die Auffassung vertrat, erst sollten die Gleichstellungsforderungen erfüllt werden. Aus ihrer Sicht spricht das aber nicht dagegen, dass Menschen bis 70 arbeiten, wenn sie mögen. Wichtig sei ein flexibles Rentenalter. Und wichtig sei, dass sie bereit sei. «Ich bin wahnsinnig motiviert.»
Eine Teamplayerin
Es ist nicht das erste Mal, dass Herzog für den Bundesrat kandidiert. Sie hatte es schon vor zwölf Jahren versucht, als es um die Nachfolge von Moritz Leuenberger ging. Damals schaffte es die national noch unbekannte Herzog aber nicht aufs Ticket: Die SP nominierte Simonetta Sommaruga und Jacqueline Fehr. Bei ihrer ersten Kandidatur war Herzog Basler Finanzdirektorin. Die Arbeit in einer Kollegialbehörde liege ihr, sagte sie damals. Dort habe das Wort Kompromiss keinen schalen Nebengeschmack. Sie möchte dazu beitragen, den Bundesrat wieder zu einer echten Kollegialbehörde zu machen.
Diesmal betont Herzog, sie arbeite gern operativ und schrecke vor Problemen nicht zurück. «Im Gegenteil, es reizt mich, Lösungen zu finden.» In dieser Zeit der Krisen möchte sie einen Beitrag leisten. Sie stehe für eine offene Schweiz, sagt Herzog. Am wichtigsten seien ihr soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung und Umweltschutz.
Die Frage nach ihrem Wunschdepartement beantwortet Herzog wie alle Bundesratskandidatinnen und -kandidaten: Sie könnte sich jedes Departement vorstellen, in jedem gebe es spannende Themen. Auch das Verteidigungsdepartement sei zurzeit «hochaktuell».
Der ehemalige Basler SP-Regierungskollege Hans-Peter Wessels preist Herzogs «unbändigen Gestaltungswillen». Auch sei sie eine Teamplayerin und habe die Gabe, Kontrahenten an einen Tisch zu bringen. Lisa Mathys, die SP-Co-Präsidentin des Kantons Basel-Stadt, weist auf Herzogs glanzvolle Wahlresultate hin. In der Basler Bevölkerung sei sie enorm beliebt.
«Zwei hervorragende Frauenkandidaturen»
Mit Eva Herzog, Evi Allemann und Daniel Jositsch haben nun zwei Kandidatinnen und ein Kandidat ihr Interesse angemeldet. Auf die Frage, ob nur Frauen aufs SP-Ticket für die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga kommen sollten, äussert Herzog leise Kritik an der Kommunikation der Parteileitung. Deren Vorschlag sei etwas «pushy» gewesen, entscheiden werde die Fraktion. Aber das Ziel, den Sitz mit einer Frau zu besetzen, sei legitim.
Tamara Funiciello, Co-Präsidentin der SP-Frauen, zeigt sich nach der Medienkonferenz begeistert über die beiden «hervorragenden Frauenkandidaturen». Auch andere Parteikolleginnen und -kollegen heben hervor, dass Herzog viele Anforderungen erfülle. Doch es gibt in der Fraktion auch kritische Töne.
Dass sich Herzog bei der Unternehmenssteuerreform gegen ihre Partei gestellt hat, wird ihr zwar nicht übel genommen: Sie habe die Interessen ihres Kantons vertreten, das sei als Regierungsrätin ihre Aufgabe gewesen, sagt ein Fraktionsmitglied. Zweifel gibt es in der SP-Fraktion allerdings daran, ob Herzog die starke Prägung durch die Basler Perspektive und die Pharmaindustrie im Bundesrat ablegen könnte. Herzog sagt dazu, sie würde im Bundesrat nicht nur Basel und die Pharma vertreten. Ausserdem wäre sie nur eines von sieben Regierungsmitgliedern.
«Dem Bundesrat würde eine Verjüngung guttun»
Aus Sicht des Zuger Mitte-Ständerates Peter Hegglin spricht für Eva Herzog, dass sie viel Erfahrung mitbringt. Er gehört aber zu jenen, die finden, ihr Alter könnte ein Nachteil sein. «Dem Bundesrat würde eine Verjüngung guttun», sagt Hegglin.
Mit Herzog hatte er schon in der Finanzdirektorenkonferenz zusammengearbeitet. Er habe sie dort als pragmatisch und lösungsorientiert erlebt. Den Eindruck, dass Herzog im Ständerat noch nicht ganz angekommen ist, teilt Hegglin nicht. Der Wechsel von der Exekutive in die Legislative sei nicht ganz einfach, das habe er selbst erlebt. Eva Herzog habe sich aber durchaus etablieren können, vor allem in finanzpolitischen Fragen. «Die Individualbesteuerung liegt ihr am Herzen», sagt Hegglin. Weniger Verständnis zeige sie dagegen für die Notwendigkeit von Sparprogrammen zur Stabilisierung des Bundeshaushaltes.
«Eva Herzog bringt alles mit, was es für das Amt braucht. Sie kann aus dem Vollen schöpfen.»
Die Baselbieter Ständerätin Maya Graf (Grüne) betrachtet es nicht als Nachteil, dass Herzog 60 Jahre alt ist. «Das Alter sollte kein Kriterium sein, sondern die Leistungsfähigkeit», sagt sie. «Ich lasse es nicht gelten, dass es nun ausgerechnet bei Frauenkandidaturen zum Thema wird», sagt Graf. «Eva Herzog bringt alles mit, was es für das Bundesratsamt braucht. Sie kann aus dem Vollen schöpfen.»
Für die Region Basel wäre die Wahl Herzogs ein grosser Gewinn, sagt Graf. Die Region sei seit 50 Jahren nicht mehr im Bundesrat vertreten gewesen, obwohl sie wirtschaftlich enorm bedeutend sei für die Schweiz. Herzog könnte die Sicht dieser Region in den Bundesrat einbringen – gerade im EU- und Forschungsdossier, das für das Dreiländereck wichtig sei.
Ob sie Herzog oder Allemann wählen würden, wollen Parlamentsmitglieder nicht sagen. Man warte die Nomination und die Hearings ab, lautet die Standardantwort – zuweilen mit der Ergänzung, Herzog habe wohl die besseren Chancen, vor allem bei den bürgerlichen Mitgliedern.
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