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Frankreichs Präsident zum Krieg in Nahost
«Bleiben wir eins!» – wie Macron die Nation einschwört

A photograph of a television screen shows French President Emmanuel Macron during a televised address to the nation on the topic of conflict between Israel and Palestinian militant group Hamas, made from the Elysee Palace, in Paris, on October 12, 2023. (Photo by Ludovic MARIN / AFP)
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Es gebe kein «Ja, aber» in diesem Fall, keine Argumentationslinie mit möglicher Rechtfertigung. In einer lange erwarteten Rede zur Nation hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Donnerstagabend zum ersten Mal ausführlich zum Terrorangriff der Hamas auf Israel geäussert. Er nannte ihn eine «Barbarei», die von einem «blinden, mörderischen Hass» zeuge. «Das ist ein Erdbeben für Israel, für den Nahen Osten und weit darüber hinaus.»

Israel habe das Recht, sich zu verteidigen und zurückzuschlagen – «stark und gerecht», sagte Macron und führte dann aus, was er damit meint: Nur wenn die Reaktion gerecht sei und die palästinensische Zivilgesellschaft dabei verschont bleibe, sei sie auch wirklich stark. Er appellierte an Israels Regierung, sich an internationales Recht zu halten, auch wenn der Schmerz gross sei. Die Hamas beschrieb Macron als «Terrorbewegung, die auf kriminelle und zynische Art» die Menschen in Gaza allen Gefahren exponiere.

«Es ist unsere wichtigste Pflicht, die Juden in unserem Land zu schützen.»

Emmanuel Macron

Gespannt war man, ob Macron einen politischen Weg aus dem Krieg zu weisen versuchen würde, vielleicht sogar eine Hauptrolle bei der Friedenssuche anstrebt. Der Kampf gegen den Terrorismus, sagte er, dürfe die Suche nach dem Frieden nicht verschleiern. Frankreich habe sich immer dafür engagiert, dass die Palästinenser einen eigenen Staat bekämen. Im Grundsatz stimmt das. Nur ist dieses Pariser Bekenntnis zur einer – zusehends illusorisch anmutenden – Zweistaatenlösung in den vergangenen zwei Jahrzehnten stetig verblasst.

Macron hatte davor unüblich lange gewartet mit einer umfassenden Einschätzung zum Krieg in Nahost – so lange, dass die französischen Medien darin ein hartes Ringen um die richtigen Worte vermuteten. «Restons unis!», sagte Macron nun mehrmals. Bleiben wir eins! Frankreich müsse mit seiner inneren Einigkeit der Welt eine Botschaft des Friedens vermitteln. In diesem Appell schwang die Sorge vieler Franzosen vor einer sogenannten Einfuhr des Konflikts mit, vor einem Überschwappen also. In einer Umfrage des Senders BFM TV sagten 85 Prozent der Befragten, sie fürchteten sich davor.

Die Regierung hat in den vergangenen Tagen Tausende zusätzliche Sicherheitskräfte aufgeboten, um die Synagogen und jüdischen Schulen im Land noch besser zu schützen. Die Alarmbereitschaft ist auch in vermeintlich ruhigen Zeiten immer hoch. «Es ist unsere wichtigste Pflicht, die Juden in unserem Land zu schützen», sagte Macron.

Hundert antisemitische Akte in fünf Tagen

In aller Erinnerung sind der dramatische Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse 2012, bei dem drei Kinder und ein Lehrer getötet wurden, und jener auf den Hyper Cacher an der Porte de Vincennes in Paris 2015, bei dem ebenfalls vier Personen umgekommen sind.

«Jeder Konflikt in Nahost führt dazu, dass der Antisemitismus zunimmt», sagte Yonathan Arfi, Präsident des jüdischen Dachverbands Crif, der sich für die Anliegen der ungefähr 500’000 Juden in Frankreich engagiert. «Die Situation ist gerade sehr entflammbar.» Seit den Anschlägen der Hamas in Israel zählte das Innenministerium rund 100 antisemitische Vorfälle, unter anderem frische Tags an den Mauern, Hakenkreuze und Verwünschungen gegen jüdische Menschen. 2022 waren insgesamt 400 solche Aktionen gemeldet worden.

Im politischen Betrieb ist viel Unmut, vor allem über eine Partei.

Macron sagte, die Republik werde «unerbittlich» sein mit den Trägern des Hasses. Er wollte diese Entschlossenheit als Schutz für alle verstanden wissen: Mal treffe der Hass die Juden, mal die Christen, mal die Muslime.

Vor seiner Rede hatte Macron Spitzenvertreter aller Parteien im Parlament in den Élysée-Palast geladen, damit die beschworene Einheit möglichst auch im politischen Betrieb einziehe. Angewandt wurde das neulich erstmals erprobte Format: Alle Geladenen mussten ihre Handys am Eingang abgeben, sie durften keine Mitarbeiter mitbringen. Und sie sollten nichts nach aussen tragen, was in der Salle des Ambassadeurs besprochen wurde.

Doch nicht alle Teilnehmer mochten sich an die Abmachung halten. Kaum war das Treffen vorbei, erzählten die Redseligen den Reportern vor dem Palais ganze Passagen aus der Unterredung, und die machten daraus direkte Zitate, mit Anführungs- und Schlusszeichen. Selbst die Sitzordnung im Saal wurde publik.

17 Franzosen gelten als verschollen, unter ihnen 4 Kinder

Anwesend war auch ein Abgeordneter der extrem linken La France Insoumise. Die Partei von Jean-Luc Mélenchon hat den Ärger der gesamten politischen Klasse auf sich gezogen, weil sie sich als einzige Kraft geweigert hatte, die Angriffe der Hamas als «terroristisch» zu bezeichnen. Auch innerhalb der linken Wahlallianz Nupes ist die Empörung über die Insoumis so gross, dass nun eine Partnerpartei, Europe Écologie, das Bündnis verlassen hat.

Geheimhaltung war bei diesem Treffen mit dem Präsidenten auch deshalb angezeigt gewesen, weil unter den vielen Geiseln der Hamas auch Franzosen sind und sie etwas über deren Schicksal erfuhren. Siebzehn gelten als verschollen, darunter vier Kinder. Macron sagte, manche von ihnen seien in den Händen der Hamas. Über diplomatische Kanäle sollen Bemühungen laufen, sie zu befreien. Macron sagte: «Die Republik gibt ihre Kinder nie auf.»