Vulkanausbruch in TongaForscher rätseln über Tsunami
Wie konnte die Eruption des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai Flutwellen an der 8000 Kilometer entfernten Küste Kaliforniens auslösen? Eine Theorie hängt mit einer verschwundenen Insel zusammen.
Wissenschaftler rätseln, wie die Eruption des Unterwasservulkans im Südwestpazifik Flutwellen erzeugen konnte, die Tausende Kilometer bis zur Westküste der USA zurücklegten. Der Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai am Samstag war einer der schwersten seit Jahrzehnten und noch im weit entfernten Alaska messbar. Überschwemmungen im kalifornischen Santa Cruz werden auf die Eruption im 8000 Kilometer entfernten Tonga zurückgeführt. In Kalifornien und Alaska wurden rund einen Meter hohe Wellen aufgezeichnet.
In Neuseeland zertrümmerte der Tsunami Boote, im mehr als 10’000 Kilometer von Tonga entfernten Peru ertranken zwei Frauen in den Wellen. Beim Entladen eines Tankers lief zudem Öl aus, das nun ein drei Kilometer langes Gebiet verschmutzt.
«Die Auswirkungen waren sehr heftig, darüber zerbrechen wir uns den Kopf», sagt Michael Poland von der amerikanischen Erdbebenwarte. Von Erdbeben ausgelöste Tsunamis kämen häufiger vor und seien darum besser erforscht, erklärt der Geophysiker. Um von Vulkaneruptionen ausgelöste Flutwellen künftig genauer voraussagen zu können, sei es wichtig, zu verstehen, was diese auslöse.
Bisher gibt es mehrere Theorien. Die Wucht der Eruption des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai löste Druckwellen aus, die rund um die Welt spürbar waren. Die plötzliche Veränderung des Luftdrucks könnte die Meeresoberfläche um Millimeter oder gar Zentimeter nach unten gedrückt haben, erklärt der britische Geologe Dave Tappin auf BBC. In der Nähe von Land könne das einen Tsunami auslösen.
Beträchtliche Wellenhöhen in Japan
So traf eine bis zu 15 Meter hohe Tsunamiwelle auf die Westküste der Hauptinsel Tongatapu sowie der kleineren Inseln Nomaku, Mango und Fonoifua. Dort sollen kaum noch Häuser stehen, die meisten Bauten und Wohnungen seien völlig zerstört, berichtet eine Mitarbeiterin des Roten Kreuzes der Nachrichtenagentur DPA. Trinkwasser sei neben Unterkünften derzeit das drängendste Problem.
Die Regierung des Inselstaates hat Schiffe in die am schlimmsten betroffenen Gebiete entsandt, um die Bewohner zu evakuieren. Sie spricht von einer «noch nie da gewesenen Katastrophe». Bisher wurden vor Ort drei Tote bestätigt – zwei Einheimische und eine Britin. Es gibt Befürchtungen, dass weitere Tote gemeldet werden, wenn abgelegene Gebiete wieder zugänglich sind.
Konnte die Druckwelle den Meeresspiegel auch in weiter entfernten Gebieten wie Neuseeland, Australien, Japan sowie Nord- und Südamerika ansteigen lassen? Oder gibt es dafür eine andere Erklärung? Wellen, die durch Eruptionen ausgelöst würden, seien relativ klein, «weil das Punktwellen sind und sich somit sehr schnell verlieren», sagt der Vulkanologe Thomas Walter. Doch in diesem Fall seien auch noch vor Japan beträchtliche Wellenhöhen gemessen worden. Eine der grossen Fragen sei nun, was letztendlich zum Tsunami geführt habe. «Ich vermute, dass es mit Bodenbewegungen zusammenhängt», so Walter weiter.
Die Eruption könnte zu einem Abbruch der unter Wasser liegenden Flanke des Vulkans geführt haben, glauben auch andere Wissenschaftler. «2016 haben wir grosse Brocken aufgezeichnet, die aussahen, als wären sie in der Vergangenheit an der Seite des Vulkans hinuntergerutscht», sagt Vicki Ferrini von der Columbia University. «Bei einer Explosion dieses Ausmasses wäre es nicht verwunderlich, wenn sich weitere grosse Teile des verfestigten Materials bewegt hätten.»
Sobald wie möglich wollen die Forscher einen Vergleich mit den Basisdaten von 2016 anstellen, um Antworten auf diese Fragen zu finden. «Wir arbeiten daran. Glücklicherweise haben wir in den letzten 20 Jahren eine Methode entwickelt, um solche Ereignisse zu modellieren und sie besser zu verstehen», sagt Dave Tappin.
Ein Indiz für die Theorie der Bodenbewegungen ist eine Insel aus vulkanischem Material, die nach dem Ausbruch im Meer versunken ist. Der Vergleich von Satelliten-Bildern vor und nach der Eruption zeigt, dass Teile des Vulkans, die vorher bis zu 100 Meter aus dem Meer ragten, nun verschwunden sind. Das deutet auf einen Einsturz hin. Die unbewohnte Insel beim Hunga Tonga-Hunga Ha’apai war Ende 2014 entstanden. Sie lag auf dem Vulkankessel. Der Zusammenbruch des Kessels könnte eine riesige Fläche des Meeresbodens in Bewegung versetzt haben, was die Tausende Kilometer weit reichenden Tsunamiwellen erklären könnte.
Sobald die Aktivität auf Hunga Tonga-Hunga Ha’apai nachlässt, werden Forscher die Überreste der Insel aus der Nähe untersuchen können. Weil die Kommunikation mit dem Pazifikstaat derzeit unterbrochen ist, konnten sie nicht auf lokale Daten zugreifen und stützen sich auf Satellitenbilder.
Berichte aus der Region gibt es bisher nur wenige. Die Kommunikation mit dem Rest der Welt erfolgt hauptsächlich über Satellitentelefone ausländischer Botschaften in der Hauptstadt Nuku’alofa. Die Reparatur des durch den Vulkanausbruch beschädigten Unterseekabels soll nach Angaben Neuseelands mindestens einen Monat dauern.
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