Pionierin in der Formel 1Sie liess die Männer sogar in einem kaputten Auto stehen
Lella Lombardi ist die einzige Frau, die je in einem Formel-1-Rennen in die Punkte fuhr. Über ihre Zeit in der Königsklasse sprach sie später nicht gerne.

- Im April 1975 schrieb Lella Lombardi Formel-1-Geschichte. Sie ist die erste und einzige Frau, die je in die Punkteränge fuhr.
- Die Italienerin sass bereits mit dreizehn Jahren hinter dem Steuer. Puppen mochte sie nie.
- Nach ihrer Formel-1-Zeit startete sie erfolgreich in Le Mans und bei Nascar-Rennen.
Das historische Ausmass hatte an diesem Sonntagnachmittag niemand bemerkt. Zu dramatisch war alles andere, was beim Formel-1-GP von Spanien im April 1975 geschah. Schon vor dem Wochenende war die Sicherheit des Stadtkurses rund um Barcelonas Hausberg Montjuic bemängelt worden. Die Fahrer wollten streiken, die Veranstalter drohten, alle Autos zu beschlagnahmen. In der 29. Runde wurde das Rennen abgebrochen, nachdem zuvor bei einem Unfall ein Autoteil in die Zuschauermenge flog. Es gab Verletzte und mehrere Tote.
Erst viel später fiel der Fokus auf etwas anderes. Als 6. gewertet wurde Maria Grazia – genannt Lella – Lombardi.
Bis heute ist sie die einzige Frau, die je in einem Formel-1-Rennen in die Punkteränge fuhr. Bis heute ist sie die Frau mit den meisten Starts in Formel-1-Grands-Prix. Über ihre Zeit in der Königsklasse des Motorsports sprach die Italienerin später aber nicht gerne.
Die kleine Lella hatte lieber Autos als Puppen
Aufgewachsen ist Lombardi im kleinen Dorf Frugarolo im Piemont. Die kleine Lella sass gerne im Hof, zog ihre Schuhe aus und fuhr mit ihnen herum, als wären es Autos. Diese schnellen Gefährte faszinierten sie von klein an, Puppen mochte sie nie.
Mit 13 konnte sie ein Auto fahren. Als sie es auch offiziell durfte, belieferte sie die Region mit den Wurstwaren ihres Vaters. Doch nur auf Landstrassen wollte sie nicht fahren. Es waren nicht nur die Autos, die sie anzogen. Es war auch die Geschwindigkeit.
Als sie 24 Jahre alt war, kaufte sich Lombardi mit ihren Ersparnissen und dem Zustupf des Automobilclubs einen Rennwagen und startete in der Einsteigerserie Formel Monza. Ihre Eltern erfuhren aus der Zeitung vom neuen Hobby ihrer Tochter und waren nicht gerade begeistert. Das Dorf aber feierte die Erfolge seiner Lella, der schönen Lella, die so schnell fuhr, gerne tanzte und Mädchen küsste.

Frugarolo liess Lombardi bald hinter sich, sie zog nach Monza, später nach London. Sie fuhr in unterschiedlichen Rennserien, liess viele Männer hinter sich und gewann die Gesamtwertung der italienischen Formula 850. Aber sie hatte einen Traum. Immer diesen Traum.
Die Formel 1.
Auf die Saison 1975 wurde sie vom britischen Team March eingeladen, für sie zu fahren. Sie brachte den Sponsor Lavazza mit. Beim ersten Training stand die BBC an der Strecke. Lombardi war überrascht: «Warum sind die da?», fragte sie ihren Teamchef. Der Fakt, dass sie eine Frau war, in einer Welt, in der es zu dieser Zeit nur Männer gab, war für sie irrelevant.
Und doch verfolgte er sie wie ein am Heck klebender Gegner.
Formel-1-Journalist: «Ist die Formel 1 ein Sport für Mädchen?»
Lombardi: «Ich bin hier und fahre Rennen, Sie können das selbst beurteilen.»
Nascar-Journalist: «Wie ist es für Sie, ein so grosses Auto zu fahren?»
Lombardi: «Ich muss es ja nicht tragen, ich muss es nur fahren.»
Formel-1-Journalist: «Warum haben Sie diesen Sport gewählt als Frau?»
Lombardi: «Weil ich ihn liebe.»
Und weil sie gut war. Bei ihrem ersten Start qualifizierte sie sich zum Erstaunen aller für das Rennen, schied aber nach 23 Runden aus. Der nächste GP war das Skandalrennen von Spanien. Weil dieses nicht über die ganze Renndistanz gefahren wurde, wurden später die Punkte halbiert. In den offiziellen Statistiken steht hinter Lella Lombardis Name darum nur ein halber Punkt.
Viele, die sie fahren sahen, schwärmten von ihrer sauberen und selbstbewussten Fahrweise. Sie überzeugte mit ihrer überraschenden Hartnäckigkeit und ihrer Fähigkeit, dem Ingenieur das Verhalten des Autos so zu beschreiben, dass dieser genau wusste, was zu tun war.
Nur hörten nicht alle auf sie.

Nach einem Unfall beim GP von Monaco hatte sie Mühe mit ihrem March. In den Kurven kämpfte sie mit Untersteuern, sobald sie Gas gab, brach das Heck aus. Der Ingenieur setzte ihren Teamkollegen für ein paar Runden in den Wagen. Dieser bemängelte nichts. Also musste Lombardi weiter damit fahren. Sie qualifizierte sich für weitere Rennen, beendete den GP Deutschland auf Rang 7, verpasste die Punkte nur ganz knapp.
Erst als die Ingenieure eine Saison später das Auto ganz auseinanderschraubten, entdeckten sie, dass ein Teil gebrochen war. Lombardi war neun Rennen in einem kaputten Auto mit den Besten der Welt gefahren.
Sie fuhr in Le Mans, der Nascar-Serie und der DTM
Das Team entschuldigte sich später bei ihr. Aber Lombardi war schon weitergezogen. Später sprach sie nie über ihre Zeit in der Formel 1. Wer nach nur zwei Saisons der Königsklasse den Rücken kehrte, der hat es nicht geschafft. Lombardi verstand es als Niederlage.
Die Enttäuschung steckte sie anders weg: Sie startete mit Sport- und Tourenwagen, fuhr viermal die prestigeträchtigen 24 Stunden von Le Mans, die 1000 Kilometer auf dem Nürburgring, ein Rennen in der amerikanischen Nascar-Serie und als erste Frau in der DTM.
1988 trat sie aus gesundheitlichen Gründen zurück. Drei Jahre zuvor war bei ihr Brustkrebs diagnostiziert worden. Sie gründete das «Lella Lombardi Automobile»-Team. Sie leitete es als Chefin bis zu ihrem Tod im März 1992, nur kurz vor ihrem 51. Geburtstag.
Fehler gefunden?Jetzt melden.