Aufregende RennkarriereSie fuhr sogar schon für James Bond – jetzt sitzt sie im Formel-1-Auto
Jessica Hawkins wurde Stuntfrau, weil ihr das Geld für den Rennsport fehlte. Nun ist sie zurück und testet als erste Frau seit fünf Jahren in der Königsklasse.
Wenn sie gefragt wird, was sie denn mache, dann ist ihr das immer etwas peinlich. Wieso, weiss Jessica Hawkins selbst nicht. Aber wie soll sie das auch erklären? «Ich fahre mit Autos im Kreis rum.»
Jessica Hawkins ist Rennfahrerin. Showfahrerin. Stuntfahrerin. Sie ist Kartmeisterin, in einer Liveshow engagiert, fuhr in einem James-Bond-Film und drehte vergangene Woche als erste Frau seit fünf Jahren Testrunden in einem Formel-1-Auto.
All das tut sie, weil sie in ihrem Leben vor allem eins konnte: schnell lernen.
Lieber Kart als Golf
Hawkins wusste schon früh, was sie mal werden will: Stuntfrau. Sie war von klein auf sehr aktiv, spielte Landhockey, Fussball und Netball – ein basketballähnliches Spiel. Als ihr Vater sie mit auf den Golfplatz nahm, gefiel ihr das weniger. Bis sie die Kartstrecke nebenan entdeckte.
Als die 10-jährige Jessica nach den ersten Runden ausstieg, hatte sie nur eine Frage: «Wann kann ich das nächste Mal fahren?»
Hawkins drehte Runden, wann es nur ging. In der ersten Saison hatte sie noch keinen eigenen Kart, aber sie probierte sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Sie stellte viele Fragen, holte sich Rat bei anderen Fahrern – weil es Fahrerinnen kaum gibt – und wurde immer besser. Bald gewann sie erste Rennen, später auch Meisterschaften. Ihre Eltern unterstützten sie, so gut es ging. Auch wenn sie selbst nicht zuschauen konnten. Während der Rennen lief der Vater hinter den Garagen hin und her. Die Mutter schaute erst eine halbe Stunde nach Rennschluss hin. Das tut sie heute noch.
Doch Motorsport ist teuer. Und das Geld wurde zum Problem.
Genau zu dieser Zeit wurde Hawkins auf eine Facebook-Annonce aufmerksam. Gesucht wurden Frauen, die gut Auto fahren konnten. Hawkins bewarb sich, ohne genau zu wissen, um was es ging. Ob sie denn driften könne oder über Rampen fahren, wurde sie gefragt. «Klar», log sie und dachte sich: «Ich glaube, ich kann das schon, ich habs einfach noch nie gemacht.»
Gesucht wurde eine Frau für die Fast-and-Furious-Shows. Die Actionfilm-Franchise lancierte 2018 Live-Events, in denen die Autos driften und spezielle Manöver gefahren werden.
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Drei Tage vor dem Casting fuhr Hawkins nach Irland zu einem Kurs. Sie musste das lernen, was sie bis jetzt absichtlich vermieden hatte. Statt in der Spur zu bleiben, musste sie driften. Statt schnell zu starten, musste sie die Räder durchdrehen lassen. Zwei Stunden hatte sie Zeit, um zu lernen, wie man einen Donut fährt, also das Auto auf der Stelle im Kreis drehen lässt.
Wieder lernte Hawkins schnell. Die Casting-Direktoren gaben ihr den Job. In die drei Monate Training startete sie als eine der Schwächsten. Aber Hawkins fragte. Sie schaute zu. Sie holte Rat. Bald war sie eine der Besten.
Das machte weitere Casting-Direktoren auf sie aufmerksam. Und so verdiente sie ihr Geld nicht nur mehr mit den Shows, sondern auch mit Stunts in Filmen. Sie fuhr unter anderem in «Jurassic World» und dem letzten James-Bond-Film «No Time to Die».
«Du musst auch schauen, dass du zur richtigen Zeit an diesen Orten bist.»
Doch der Rennsport liess die heute 28-Jährige nie ganz los. Als 2019 die W-Series ins Leben gerufen wurde, eine Rennserie mit Formel-Autos für Frauen, stieg sie wieder ein. Sie wurde zweimal Gesamt-Elfte und 2021 von Aston Martin als Markenbotschafterin verpflichtet. Für das Formel-1-Team fuhr sie im Simulator und vergangene Woche erstmals Tests auf der Rennstrecke in Ungarn.
Seit Tatiana Calderon 2018 im Sauber Tests gefahren ist, tat das keine andere Frau mehr.
Man könnte sagen, dass Hawkins in ihrem Leben oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. «Aber eigentlich ist das doch die abgedroschenste Floskel überhaupt, nicht?», fragt sie in einem Interview mit «The Athletic». «Wann passiert schon was, wenn du nichts tust? Nie! Die guten Dinge passieren denen, die hart arbeiten und weitermachen, immer weiter und weiter, und nie aufgeben.» Klar müsse man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, aber «du musst auch schauen, dass du zur richtigen Zeit an diesen Orten bist».
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