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Fluchen am Formel-1-Funk
«Sind wir Fünfjährige?» Fahrer nerven sich gewaltig über ihren Chef

epa11613647 Dutch driver Max Verstappen of Red Bull Racing attends the drivers' press conference for the Singapore Formula One Grand Prix at the Marina Bay Street Circuit, Singapore, 19 September 2024. The Singapore Formula One Grand Prix takes place on 22 September 2024.  EPA/TOM WHITE
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Es kann der Formel 1 nicht allzu schlecht gehen. Da wird in diesen Tagen nicht über fehlendes Geld, mangelnde Vermarktung oder ausbleibende Zuschauer diskutiert. Nein, im Vorfeld des Grand Prix von Singapur geht eine Debatte hoch, die eigentlich nur eine Randnotiz wäre. 

Für Mohammed bin Sulayem scheint sie deutlich mehr zu sein. Der Mann aus Dubai ist Präsident des Internationalen Automobilverbandes (FIA). Und als solcher stört er sich zunehmend an der Ausdrucksweise, die in der Formel 1 Einzug hält, die unter dem Dach der FIA ihre Runden dreht. Kurz: Er mag das Gefluche der Rennfahrer während der Grands Prix nicht mehr hören. 

Erst forderte Bin Sulayem bei einem Treffen mit den Teams, die Fahrer doch anzuhalten, am Funk weniger zu fluchen. Später bekräftigte er sein wichtiges Anliegen in einem Interview mit dem Fachmagazin «Autosport». Dort sagte der Mann, dem auch schon Frauenfeindlichkeit vorgeworfen wurde: «Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit Ihren Kindern zusammen und sehen sich das Rennen an, und dann sagt jemand all diese schmutzigen Wörter. Was würden Ihre Kinder oder Enkelkinder sagen?»

Bereits heute werden zwar im TV-Signal Kraftausdrücke mit einem Piepton überlegt, das reicht Bin Sulayem aber offenbar nicht – zumal die Funksprüche mittlerweile auch über andere Kanäle hörbar sind. «Mit der heutigen Technologie geht alles live und wird aufgezeichnet. Wir müssen schauen, ob wir das, was öffentlich gesagt wird, reduzieren.» Und: «Wir müssen zwischen unserem Sport und Rapmusik unterscheiden. Wir sind keine Rapper. Wie oft sagen die das F-Wort in der Minute? Das sind nicht wir. Das sind die, und wir sind wir.»

Lewis Hamilton wittert Rassismus

Dass er damit gar noch einen (nächsten) Nebenschauplatz eröffnete, dürfte der 62-Jährige kaum geahnt haben. Der Vergleich mit den Rappern nämlich missfiel Lewis Hamilton, dem einzigen dunkelhäutigen Fahrer im Formel-1-Feld. Der siebenfache Weltmeister witterte darin ein «rassistisches Element» und begründete das so: «‹Rapper› zu sagen, ist sehr stereotyp, weil die meisten Rapper schwarz sind. Das weist darauf hin: Wir sind nicht wie sie. Ich denke also, dass das die falsche Wortwahl ist.»

Auch andere Fahrer enervierten sich über den Mann, der im Dezember 2021 Jean Todt an der Spitze des Weltverbandes ablöste. Allerdings mehr über dessen Forderung, das Fluchen am Lenkrad zu minimieren. Allen voran Max Verstappen, der Weltmeister der letzten drei Jahre.

epa11605394 English model Naomi Campbell (L) and Mohammed Ahmed Sultan Bin Sulayem (C), President of the FIA, visit the starting grid  before the 2024 Formula One Grand Prix of Azerbaijan, at the Baku City Circuit in Baku, Azerbaijan, 15 September 2024.  EPA/ALI HAIDER

Ironischerweise sorgte er am Donnerstag, als das Thema im Fahrerfeld die Runde machte, gleich selbst für einen Fluch-Eklat – und wurde als Strafe zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert. Als er bei einer Medienkonferenz gefragt wurde, warum er beim letzten Rennen in Baku langsamer gewesen sei als Red-Bull-Teamkollege Sergio Pérez, antwortete er: «Weiss ich nicht, Mann! Anderes Set-up.» Und dann: «I knew the car was fucked.» Für Kinderaugen und -ohren übersetzt: Das Auto war nicht das allerbeste.

Moderator Tom Clarkson wies ihn und alle Anwesenden gleich darauf hin, doch bitte auf die Ausdrucksweise zu achten. Könnte ja sein, dass der Chef mithört. Das nahm Verstappen kurz darauf zum Anlass für eine kleine Tirade. «Ich darf ja nicht einmal das F-Wort sagen. Dabei ist das doch gar nicht schlimm, oder?» Und in Richtung Clarkson: «‹Entschuldigung für die Sprache …› Sind wir hier unter lauter Fünf- und Sechsjährigen? Selbst Fünf- und Sechsjährige fluchen mit ihren Freunden, wenn die Eltern nicht zuhören.»

Verstappen: Menschen sind empfindlicher

Funksprüche, in denen geflucht werde, sollten halt künftig nicht mehr übertragen werden, meint Verstappen. «Klar, es gibt Apps, mit denen die Leute Funksprüche hören können, aber das kann eingeschränkt werden, oder man baut eine kleine Verzögerung ein, damit man ein paar Dinge zensieren kann.» Auch müsse zwischen Flüchen und Beleidigungen unterschieden werden. «Aber so ist die Welt, in der wir leben, halt geworden. Nicht nur im Sport, sondern generell scheinen die Menschen heute empfindlicher zu sein.»

Teamkollege Pérez sagt: «Es ist schon ein lustiger Sport. Sie befestigen dir ein Mikrofon am Mund und wundern sich dann, dass manchmal geflucht wird. Stellt euch vor, ein Fussballer hätte ein Mikrofon an, wenn er einen Ball zwischen die Beine bekommt! Wenn sie Kontrolle wollen, sollen sie die Funksprüche löschen und uns die Privatsphäre lassen.»

Lando Norris wiederum, im McLaren erster Verfolger von WM-Leader Verstappen, kommentiert: «Sie können den Boxenfunk auch nicht senden. Wir sind die Jungs, die unter Stress stehen und unter Druck. Wir kämpfen und haben Unfälle. Deshalb ist es für die, die draussen zuschauen, viel einfacher, das zu unterbinden, als für uns.»

Derselben Meinung ist Ferrari-Pilot Charles Leclerc: «Wenn du mit 300 km/h zwischen Betonmauern fährst, ist es nicht leicht, sich jedes Wort genau zu überlegen. Wir sind auch nur Menschen.» Und mit seinem nächsten Satz bringt der Monegasse ziemlich genau auf den Punkt, was sich ob dieser Debatte wohl die meisten gedacht haben: «Ich denke, die FIA sollte gerade andere Prioritäten haben.»