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Veloumzug in Zürich
FDP bekommt recht: Critical Mass braucht Bewilligung

Demo oder nicht? Velofahrende eines Critical-Mass-Abends in Zürich.
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Es ist ein Bild, das seit einigen Jahren zu Zürich gehört: Velofahrerinnen und Velofahrer versammeln sich jeweils am letzten Freitagabend im Monat zu einer «kritischen Masse» und fahren im Tross durch Zürich. So wollen sie für den Veloverkehr werben. 

Eine Bewilligung dafür haben sie nicht. Die Route wird spontan festgelegt. Die Stadtpolizei hat den Veloumzug bislang gewähren lassen. Die Begründung: Solange niemand gefährdet werde, wäre ein Einschreiten nicht verhältnismässig. 

Statthalter: Der Veloumzug ist eine Demonstration

Diese polizeiliche Duldung stört die Zürcher Bürgerlichen. Die beiden FDP-Politiker Përparim Avdili und Alexander E. Brunner haben am 1. November 2022 Beschwerde beim Statthalteramt dagegen eingelegt – und nun teilweise recht bekommen, wie Zueritoday.ch zuerst vermeldete.

Bei der Critical Mass handle es sich um eine Demonstration, die einen «gesteigerten Gemeingebrauch» mit sich bringe, heisst es in der Verfügung. Daher brauche der Veloumzug eine Bewilligung. Werde er ohne eine solche durchgeführt, müsse die Stadtpolizei Massnahmen ergreifen.

Der Statthalter Mathis Kläntschi, der wie die zuständige Stadträtin Karin Rykart der grünen Partei angehört, schreibt weiter, dass Rechtsbrüche wie die Missachtung der Verkehrsregeln und eine teilweise Stilllegung des Verkehrs zum Wesen der Critical Mass gehörten. Diese verletze die Freiheitsrechte von Betroffenen, auch wenn niemand direkt gefährdet werde. Das Nichteingreifen der Stadtpolizei stelle eine Rechtsverletzung dar. 

Klatsche für den Stadtrat

Përparim Avdili, der Präsident der Stadtzürcher FDP,  freut sich über den Entscheid. «Ich habe allerdings nichts anderes erwartet», sagt er. Für ihn sei immer klar gewesen: Ein Umzug, der den Stadtverkehr grossflächig blockiere, brauche eine Bewilligung. 

Für den Stadtrat bedeute die Verfügung des Statthalters eine Klatsche, sagt Avdili. «Einmal mehr muss eine Aufsichtsinstanz sagen: ‹So geht es nicht.› Das ist beschämend.» Der Stadtrat müsse endlich aufhören, nur für seine eigene rot-grüne Klientel zu politisieren. Stattdessen solle er geltendes Recht durchsetzen. 

Avdili erwartet nun, dass Karin Rykart, die Vorsteherin des Sicherheitsdepartements, von der Critical Mass eine Bewilligung samt vereinbarter Route einfordert. «Ansonsten muss die Stadtpolizei diese Velodemo verhindern», sagt Avdili. 

Die Bewegung findet: Es läuft gut so

Die Critical Mass hat sich bisher geweigert, um eine Bewilligung zu ersuchen. Ihre Argumentation: Sie stelle keine Demonstration dar, sondern gehöre zum normalen Stadtverkehr. An dieser Einstellung werde der Entscheid des Statthalters kaum etwas ändern, sagt einer, der sich für den Veloumzug engagiert. Er möchte anonym bleiben, da die Critical Mass keine offiziellen Organisatorinnen hat. 

Kein Durchkommen mehr für die Autos: Die Critical Mass rollt über die Quaibrücke (Archivbild August 2021). 

Vor Jahren habe die Stadtpolizei mehrmals versucht, die Critical Mass mit Blaulicht, Blockaden und Beschlagnahmungen zu stoppen, sagt der Aktivist. Mittlerweile habe man sich mit der Stadt arrangiert. «Alles läuft friedlich und entspannt.» Auch ein Vertreter der VBZ fahre jeweils mit dem Velo mit und erteile Ratschläge für eine Routenwahl, die den öffentlichen Verkehr möglichst wenig störe.

«Man könnte bei jeder morgendlichen Rushhour von einer Überbeanspruchung des öffentlichen Raums reden.» 

Critical-Mass-Aktivist

Ähnliche Diskussionen über eine Bewilligungspflicht fänden in vielen europäischen Städten statt, wo sich eine Critical-Mass-Bewegung formiert hat. Die zu starke Nutzung der Strassen werde dabei oft als Gegenargument angeführt, sagt der Aktivist. «Das Gleiche könnte man aber von jeder Rushhour behaupten.»  

Diesen Einwand teilt der Gemeinderat Urs Riklin (Grüne). Alles, was der Statthalter über die Critical Mass schreibe, treffe auch für die allmorgendlichen und abendlichen Autostaus zu: übermässige Beanspruchung des öffentlichen Raumes, Regelverstösse, Störung des öffentlichen Verkehrs und Behinderung von Blaulichtfahrzeugen. «Es wäre interessant, zu prüfen, ob auch Rushhours bewilligungspflichtig sind», sagt Riklin.

Aus seiner Sicht bedeutet die Verfügung des Statthalters nicht, dass die Stadtpolizei die Critical Mass künftig automatisch unterbinden müsse. «Es bleibt ein gewisser Ermessensspielraum.» 

Die Teilnehmenden warnen

Auf Anfrage präzisiert Statthalter Mathis Kläntschi, was er mit den Massnahmen meint, welche die Stadtpolizei ergreifen müsse: «Als Mindestmassnahme könnte sie auf den Social-Media-Kanälen und bei der Besammlung durch Lautsprecherdurchsagen darauf aufmerksam machen, dass es sich um eine unbewilligte Demonstration handelt.»  Dies könnte bereits viele Teilnehmende abschrecken, sagt Kläntschi. Weitere Schritte müsse die Polizei im konkreten Fall prüfen, immer im Rahmen der Verhältnismässigkeit.

Derzeit signalisiere die Stadtpolizei hingegen, dass sie grundsätzlich nicht einschreiten werde, sagt Kläntschi. «Dieses Nichtstun geht nicht.» 

Die Verfügung ist noch nicht rechtskräftig. Beim Sicherheitsdepartement heisst es, dass man nach einer Analyse über einen Weiterzug entscheiden werde. Die Frist für eine mögliche Anfechtung beträgt 30 Tage.