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Klarer Trend bei Fahranfängern
Die Jungen wollen nicht mehr schalten

Schalten? Nein danke! Die grosse Mehrheit der Schweizer Fahrschüler will nicht in einem handgeschalteten Auto fahren lernen.

Sie haben ihn vielleicht gesehen, ob freiwillig oder nicht ganz freiwillig: den Hollywoodstreifen «Pretty Woman» mit Julia Roberts und Richard Gere. Man sieht dort in den Anfangsminuten einen Geschäftsmann, der mit einem geliehenen Lotus Esprit heillos überfordert ist. Besser gesagt, mit dessen Schaltgetriebe. Die im Verlauf des Films entstehende Romanze mag einigermassen unrealistisch sein – die Unfähigkeit vieler, ein manuell geschaltetes Auto zu fahren, ist dagegen Realität. Heute wie damals in den USA, aber immer öfter auch diesseits des Atlantiks.

Seit 1. Februar 2019 gibt es in der Schweiz keinen sogenannten Automateneintrag mehr. Während früher nur jemand mit einem handgeschalteten Auto fahren durfte, der das auch gelernt hatte, braucht es dazu heute einfach einen gültigen Führerschein der Kategorie B. Die bei der Gesetzesänderung befürchteten Konsequenzen in Form einer Häufung von Verkehrsunfällen mit Beteiligung junger Lenker sind bisher nicht eingetreten. Was die wenigsten aber in diesem Ausmass erwartet hätten, ist die hohe Zahl der Schaltverweigerer. Wenn Junge nicht Schalten lernen müssen, tun sie es die allermeisten auch nicht.

Der Trend ist eindeutig

«Ich hätte schliessen können», betont zum Beispiel Jeannette Groff aus Winterthur. Sie ist schon seit Jahrzehnten als Fahrlehrerin tätig und sass bis vor kurzem bei der Arbeit auf dem Beifahrersitz eines handgeschalteten Renault Megane. «Immer mehr potenzielle neue Schüler wollten aber nur Automatik fahren und sahen sich dann woanders um, weil ich das nicht anbieten konnte.» So sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als zu wechseln. Seit einigen Wochen lernen nun auch ihre Schüler auf einem Automatikfahrzeug.

New Driver Blue L Sign Plate at Small Car

Eine Nachfrage bei den kantonalen Strassenverkehrsämtern bestätigt den Trend. «2023 nahmen wir rund 23’000 Fahrprüfungen in der Kategorie B ab, grossmehrheitlich wurden diese Prüfungen mit Autos mit automatischem Getriebe oder Elektroantrieb gefahren», sagt Severin Toberer, Pressesprecher des Strassenverkehrsamts des Kantons Zürich. Genaue Zahlen kann er nicht nennen, weil keine Statistik dazu geführt wird. Damit ist Zürich nicht alleine. Einzig vom Kanton Neuenburg gibt es exakte Angaben. Und die lassen aufhorchen: 2019, im ersten Jahr der neuen Regelung, wurden schon 47 Prozent der Prüfungen auf automatisch geschalteten Autos abgelegt. Der Anteil stieg seither sukzessive und betrug 2023 schon 86,1 Prozent.

Ein massiver Anstieg

Weitere Kantone geben zumindest Richtwerte an: St. Gallen schätzt den Anteil von Prüfungen mit Automaten auf 90 bis 95 Prozent, Graubünden zählte bis zur Neuregelung lediglich 2 Prozent Automatikprüfungen, heute seien es etwa 95 Prozent. Ähnlich tönt es aus dem Kanton Freiburg: 2018 und 2019 wurden 3 Prozent aller Prüfungen mit Automaten absolviert, mittlerweile sind es deutlich über 80 Prozent. Eine gesamtschweizerisch gültige Statistik gibt es zur Erfolgsquote: Laut der Auswertung der Vereinigung der Strassenverkehrsämter (ASA) bestanden von 2019 bis 2022 stets 66 bis 67 Prozent der Prüflinge die praktische Prüfung der Kategorie B. Ein Blick in die Zahlen bis ins Jahr 2005 zurück zeigt, dass die Erfolgsquote vor der Neuregelung sehr ähnlich aussah.

«Der Grossteil der jungen Lenker ist verantwortungsbewusst und steigt nicht einfach so auf handgeschaltete Fahrzeuge um.»

Michael Gehrken, Präsident von L-Drive Schweiz

Aus Sicht der Fahrlehrer wäre es zweifellos besser, Fahranfänger wären grundsätzlich in der Lage, ein manuell geschaltetes Auto zu fahren – auch wenn sie die Prüfung auf einem Automaten respektive einem Elektrofahrzeug absolvieren. «Ich würde die Forderung platzieren, dass Neulenkende bis auf weiteres in jedem Fall auf dem Weg zur Prüfung mindestens vier Fahrlektionen mit einem handgeschalteten Auto absolvieren müssten», meint Michael Gehrken, Präsident von L-Drive Schweiz, der Dachorganisation der professionellen Fahrausbildung der Fahrlehrerschaft. Der Grossteil der jungen Lenker sei aber durchaus verantwortungsbewusst und steige nicht einfach so auf handgeschaltete Fahrzeuge um.

Fahrlehrer müssen umstellen

Duschko Jaramaz, Inhaber der Fahrschule Moove in Bülach, gehört zu jenen, die solche Zusatz-Schaltlektionen anbieten. Natürlich sei die Zahl jener, die gezielt mit einem geschalteten Auto lernen wollten, bei ihm ebenfalls viel tiefer als noch vor ein paar Jahren. Immerhin rund 15 Prozent entschieden sich aber noch gezielt für die Handarbeit, ganz ohne sein Zutun. Jaramaz hat für die Schaltfans einen VW Golf 8 angeschafft, wer keine Gänge sortieren will, lernt auf einem elektrischen VW ID.5 GTX. Fällt die Wahl auf den Stromer, hat Duschko Jaramaz im Normalfall weniger Geld in der Kasse, denn für die Koordination zwischen Kupplungspedal und Schalthebel werden stets ein paar Extralektionen eingeplant. Manche Schüler holen diese nach der erfolgreich absolvierten Prüfung freiwillig nach.

Duschko Jaramaz hat den grossen Vorteil, dass er zusammen mit vier weiteren Fahrlehrern in seiner Schule nicht nur die Wahl zwischen einem handgeschalteten und einem Automatikauto bieten kann. Selbstständige Fahrlehrer, die allein arbeiten, können das in der Regel nicht offerieren. Das heisst, sie müssen sich entscheiden. Wie eben die Winterthurerin Jeannette Groff, die den Wechsel vom Handgeschalteten zum Automaten nur ungern vollzog. «Für mich ist das nicht mehr richtiges Autofahren», stellt sie fest. Aber es sei ihr einfach nichts anderes übrig geblieben. So wie ihr dürfte es allen selbstständigen Fahrlehrern der Schweiz gehen. Wer noch nicht gewechselt hat, wird es bald tun müssen.

Dieser Artikel stammt aus der «Automobil Revue» – www.automobilrevue.ch

Fahrlehrer Duschko Jamaraz rät Schülern, die die Prüfung bestanden haben, noch ein paar Stunden in einem manuell geschalteten Auto zu nehmen.