Alain Berset verärgert ForscherExperten werfen Bundesrat Falschaussagen vor
Der Gesundheitsminister sagt im Interview, er habe Wissenschaftler nicht genug «hinterfragt», etwa beim Thema Masken. Die Experten fühlen sich vor den Kopf gestossen.
Wissenschaftler reagieren irritiert auf die jüngsten Aussagen von Gesundheitsminister Alain Berset. «Wir haben, gerade am Anfang, gewisse wissenschaftliche Meinungen zu wenig hinterfragt», sagte Berset im Interview mit dieser Zeitung und in der TV-Sendung «Gredig direkt».
Und ging dann auf die hoch umstrittene Frage ein, wie sinnvoll der Einsatz von Masken in der Bevölkerung zur Eindämmung des Coronavirus war. Es sei «international die anerkannte wissenschaftliche Meinung» gewesen, «dass eine Maskenpflicht sogar schädlich sein könnte», sagte der SP-Politiker.
«Was ist ‹die Wissenschaft› und handelt es sich dabei um bewusstes Framing?», fragt irritiert der Epidemiologe Christian Althaus via Twitter. Tatsächlich hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu Beginn der Pandemie noch im Februar 2020 Masken vor allem in Gesundheitseinrichtungen und für Menschen empfohlen, die selbst erkrankt sind. «Wir empfehlen Masken für Menschen, die Symptome einer Atemwegserkrankung haben», sagte damals eine WHO-Sprecherin.
Politischer Entscheid
Hingegen habe die wissenschaftliche Taskforce, nachdem sie Ende März 2020 eingesetzt worden sei, schon drei Wochen später eine Empfehlung für eine Maskenpflicht ausgesprochen, schreibt Althaus. «Das allgemeine Tragen von Masken sollte eingeführt werden zusammen mit allgemeiner Händehygiene und Abstandsregeln», schrieb die Taskforce am 20. April 2020 in einem Positionspapier.
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Aber noch Mitte Mai 2020, so Althaus, wurde in einem Protokoll des Corona-Krisenstabs festgehalten, dass «ein allfälliger Entscheid zum Tragen von Masken aufgrund des Druckes von aussen auf der politischen Stufe gefällt wird und nicht aus epidemiologischer Sicht». Erst Anfang Juli 2020 gab es dann eine generelle Maskenpflicht.
«Bundesrat Berset macht nachweislich falsche Aussagen zu Entscheiden in der Schweizer Coronapolitik und schiebt der Wissenschaft die Schuld in die Schuhe», schreibt dazu die Wirtschaftswissenschaftlerin Dina Pomeranz auf Twitter.
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Spannungen zwischen Bundesrat, BAG und Wissenschaftlern haben praktisch alle Entscheidungen über den Umgang mit der Pandemie begleitet. Anfangs, so Berset im Interview, «war es kein Dialog mit der Wissenschaft – wir haben nur empfangen, ohne uns richtig auszutauschen und zu hinterfragen». Die Einrichtung der Taskforce sei dann bereichernd gewesen, sagt er, «auch wenn wir darauf hinweisen mussten, dass es am Schluss natürlich die Politik ist, die die Entscheidungen fällt und die Verantwortung trägt».
«Nachweislich falsche Aussagen sind das, was ich unter fehlender Augenhöhe zwischen der Politik und der Wissenschaft verstehe.»
Unmut über den Umgang der Politik mit den Empfehlungen der Taskforce haben verschiedene Experten, darunter auch Althaus, dazu bewogen, das Beratergremium zu verlassen. Stressforscher Dominique de Quervain kehrte dem «politischen Korsett» des Gremiums den Rücken. Der Epidemiologe Marcel Salathé ging ebenfalls – um eine Organisation zu gründen, die die wissenschaftlichen und technologischen Kompetenzen von Politik und Behörden stärken will.
«Nachweislich falsche Aussagen sind das, was ich unter fehlender Augenhöhe zwischen der Politik und der Wissenschaft verstehe», schreibt Althaus mit Bezug auf die jüngsten Aussagen von Berset. Mit dem «Framing», von dem der Epidemiologe schreibt, ist wohl gemeint, dass Politiker möglichst viele Erfolge für sich verbuchen, Probleme aber den Wissenschaftlern zuschieben wollen.
«Vermutlich gab es noch nie eine so wirksame neu entwickelte Impfung.»
Für den Gesundheitsminister ist ein Ende der Pandemie absehbar. Er spricht von Lockerungen, von Erfolgen beim Impfen. «Vermutlich gab es noch nie eine so wirksame neu entwickelte Impfung», sagt Berset. Was wiederum ein Hinweis auf die andauernde Bedeutung der Wissenschaft ist. Forscher werden zudem weiterhin notwendig sein, um die Folgen der Pandemie zu bewältigen und um Sars-CoV-2 zu verfolgen und zu kontrollieren.
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