FCZ-Gegner statt FanlieblingAntonio Marchesano ist zurück im Letzigrund und sagt: «Es war mir eine Ehre»
Der 34-Jährige spielte achteinhalb Jahre für den FCZ. Am Samstag steht er mit Yverdon den Zürchern ein erstes Mal als Gegner gegenüber. Einer Rückkehr zum Club wäre er nicht abgeneigt.

- Zwischen Zürich und Yverdon gibt es laut Antonio Marchesano viele Unterschiede – und eine Gemeinsamkeit.
- Zu seinem Abgang beim FCZ will sich der Tessiner nicht gross äussern. Etwas sagt er dann aber doch.
- Der Fussball hat sich in den letzten Jahren laut Marchesano verändert. Doch alles lasse sich nicht messen, sagt er.
Antonio Marchesano stapft über den Platz des Stade Municipal. Sein Traineroberteil ist grün, das Stadion am See sein neues Zuhause. Für die Bilder positioniert er sich vor der kleinen Tribüne. Vieles ist anders bei seinem neuen Club, alles etwas kleiner. Immerhin erinnert der holprige Rasen in Yverdon ganz an jenen im Letzigrund.
Zuletzt läuft Marchesano am 19. Januar im Zürcher Stadion auf. Es ist das letzte der 295 Spiele im Dress des FCZ. Elf Tage später folgt der tränenreiche Abgang des Publikumslieblings. «Bei meinem Abschied weinte ich etwa sechsmal, die richtigen Worte fand ich nicht», sagt Marchesano.
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Er verlässt den Verein, zu dem er vor über achteinhalb Jahren stiess. Mit dem er einmal Meister (2022) und einmal Cupsieger (2018) wurde. Mit dem er auch auf europäischer Ebene auftreten durfte. Mit dem er viele Höhepunkte erlebte.
Klar, für einen Fussballer sind solche Erfolge enorm wichtig. Auch für Marchesano. Wenn er erzählt, ist aber schnell spürbar, dass es bei ihm noch Wichtigeres gibt. «Es gibt Resultate, Pokale und all die sportlichen Erfolge. Doch wenn ich die Leute bei meinem Abschied so sehe – und all diese Nachrichten. Das zeigt mir irgendwie: Ich habe wohl einen guten Job gemacht.»
Seine Beziehung zu den Fans, zur Südkurve, ist speziell. Sie alle mögen den bodenständigen Tessiner, der 2016 fix von Biel zu Zürich stösst, auf Anhieb. Seine aufrichtige Art ist auf und neben dem Platz gern gesehen. Das Zentrum der Aufmerksamkeit liegt ihm nicht, lieber agiert er als stiller Arbeiter.
Durch seine Tore und Assists – 132 Skorerpunkte sammelt er beim FCZ – ist sein Name aber doch omnipräsent. Zweimal schafft er es in der Meistersaison 2021/22 auf die Pikettliste von Nationaltrainer Murat Yakin. Ein Aufgebot fürs A-Nationalteam bleibt ihm aber verwehrt.

Für die Anhängerinnen und Anhänger ist er immer eine grosse Figur. Die Nummer 10 im Kader. Beim Namen des Spielmachers wird stets versucht, extra ein wenig lauter zu schreien. Und als der überraschende und schnelle Abgang des Fanlieblings folgt, wird er spontan zur Plattentaufe von «Sternstund Mindblown», einem Hip-Hop-Sampler von FCZ-affinen Rappern, im Volkshaus eingeladen.
«Sie haben mir geschrieben, dass ich unbedingt kommen soll», sagt Marchesano. Erst ist er unsicher. Alles ist etwas viel, dann noch die grosse Bühne. Er bespricht sich kurz mit seiner Frau. «Es wird eine Erinnerung für dein ganzes Leben bleiben», sagt sie ihm. Marchesanos Fazit einige Wochen später: «Das wurde es auch.»
An jenem Freitagabend wird er auf die Bühne des Volkshauses gerufen. Vor ihm eine Halle frenetisch jubelnder FCZ-Fans. Die Sprechchöre mit seinem Spitznamen «Tonino» ertönen aus vollem Hals, alle hüpfen. «Diese Reaktion belohnt mich für die ganzen Jahre.» Marchesanos Gesicht ziert ein Lächeln, wenn er von diesem Erlebnis erzählt. Es macht den Anschein, dass ihm solche Gesten seitens der Fans gleich viel wert sind wie seine Titel mit dem Club.
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Als «zweite Heimat» bezeichnet er Zürich, als «spezielle Beziehung» sein Verhältnis zur Südkurve und als «Ehre», für den Club so lange als Nummer 10 aufgelaufen zu sein. Zürich ist aber auch Vergangenheit. Er wohnt nun am Neuenburgersee, seine Familie weiterhin im Kanton Schwyz.
«Es gab Faktoren auf und neben dem Platz»
Was die Gründe für seinen Abschied betrifft, mag sich Marchesano nicht gross äussern. Er sagt nur: «Ich musste diesen Schritt machen. Es gab Faktoren auf und neben dem Platz.» Und: «Ich habe direkt gespürt, sie wollen mich unbedingt, das hat schlussendlich den Unterschied gemacht.»
Vonseiten des FCZ, sei es bei Sportchef Milos Malenovic oder auch Präsident Ancillo Canepa, ist der Wechselgrund immer klar: das Geld. Beinahe das Doppelte soll Marchesano in Yverdon verdienen, sagen beide immer wieder. Der Tessiner mag sich dazu nicht äussern.
Lieber spricht er über seine Trainerausbildung, die er begonnen hat, und darüber, dass er dem Fussball auch nach seiner aktiven Karriere erhalten bleiben will. In welcher Funktion und was er genau machen will, muss er sich noch überlegen.
Vor rund zwei Wochen sagte Malenovic bei einer Medienkonferenz auch, Marchesano sei bereit, nach seinen eineinhalb Jahren Vertragslaufzeit bei Yverdon wieder zum FCZ zurückzukehren, um dort zu arbeiten. Der 34-Jährige sagt dazu: «Ich hoffe es. Aber es ist noch nichts abgemacht.»
Vielleicht spielt er, der sich auch in dieser Saison wieder vorgenommen hat, mindestens zehn Tore zu schiessen, auch über den Sommer 2026 hinaus noch weiter. Sein Job macht ihm, der neuen Nummer 19 von Yverdon, nämlich immer noch Spass. «Wenn ich weiterhin solche Emotionen haben kann, spiele ich noch weitere zehn Jahre», sagt er schmunzelnd.

Am vergangenen Wochenende sei er zudem der Spieler bei den Waadtländern gewesen, der am meisten gelaufen sei, erwähnt Marchesano als Argument, dass der weitere Karriereverlauf sicherlich nicht an der Fitness scheitern soll. Doch im gleichen Atemzug erzählt er auch, wie sich der Fussball in den vergangenen Jahren verändert hat. «Die Daten sind wichtiger als das, was auf dem Platz passiert», sagt Marchesano, «es gibt Daten, die du nicht messen kannst. Spielintelligenz und einige andere Dinge kannst du nicht messen.»
Zwei Tore in vier Spielen für Yverdon
Bei seinem ehemaligen Arbeitgeber hingegen sind Daten omnipräsent. Immer wieder sprach Malenovic bei der Medienkonferenz vor wenigen Wochen davon. High-Intensity-Meter, Laufbereitschaft, Sprintanzahl, abgespulte Kilometer – auf solche Faktoren setzt der FCZ aktuell.
Marchesano hingegen gilt als Spieler mit grosser Spielintelligenz, wird dafür auch immer wieder von seinem ehemaligen Trainer Ricardo Moniz gelobt. «Ich bin nicht gross, ich bin nicht schnell, ich bin auch nicht der Breiteste. Da muss mein Kopf schneller funktionieren», erklärt der Mittelfeldspieler.
Bei Yverdon funktioniert sein Kopf bislang ganz gut. Zweimal trifft der 34-Jährige in den ersten vier Spielen. Das kleine Stadion und die restliche Infrastruktur der Waadtländer erinnern ihn stark an seine Tage bei Bellinzona. Als würde er in der Zeit wieder zurückversetzt. «Nur jetzt mit einem anderen Status», sagt Marchesano lachend.
Gleichzeitig betritt hinter ihm ein nächster Journalist den Raum. Marchesano ist in diesen Tagen ein sehr gefragter Mann. Das hat auch mit dem kommenden Gegner zu tun. Am Samstagabend (18 Uhr) gastiert Yverdon beim FCZ. Die erstmalige Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte.
«Bis das Spiel beginnt, wird es sicherlich schwierig sein», sagt Marchesano, «aber sobald ich auf dem Platz stehe, ist für mich alles andere weg.» Von einem möglichen Abschied seitens der Südkurve oder des FCZ weiss Marchesano nichts. Ein solcher sei für seinen ehemaligen Spieler geplant, teilt der FC Zürich mit. Ruhig um den Tessiner wird es damit sicherlich nicht. Die letzten Abschiedstränen werden wohl erst noch fliessen.
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