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Europas Feinstaubproblem
98 Prozent der Bevölkerung atmen verunreinigte Luft ein

Arial view of German industrial area.
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Eine neue Analyse des «Guardian» zeichnet ein düsteres Bild, was die Luftqualität in Europa anbelangt. Mithilfe von mehr als 1400 Bodenmessstationen und der Analyse von Satellitendaten des Erdbeobachtungsprogramms der EU (Copernicus) hat die Zeitung in Zusammenarbeit dem europäischen Gesundheitsprojekt Expanse die Luftverschmutzung auf dem Kontinent detailliert analysiert: 98 Prozent der Bewohnerinnen in West- und Osteuropa leben in Gebieten, in denen die Feinstaubbelastung über den von der WHO festgelegten Grenzwerten liegt. Fast zwei Drittel leben in Gegenden, in denen die Belastung der Luft mehr als doppelt so hoch ist wie die WHO-Richtwerte.

Die WHO-Grenzwerte empfehlen, dass die durchschnittliche Jahreskonzentration die Feinstaubbelastung von fünf Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreiten sollte. Gemäss der EU hat die Luftverschmutzung jährlich rund 400’000 Todesfälle in Europa zur Folge.

Verkehr, Industrie, Heizungen und Landwirtschaft als Hauptquellen

Feinstaub ist für das menschliche Auge nicht sichtbar. Die winzigen Partikel haben einen Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern und sind damit rund 30-mal dünner als ein menschliches Haar.

Feinstaubpartikel entstehen durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen im Verkehr, in der Industrie und beim Heizen, aber auch durch das Entzünden von Holz. In der Landwirtschaft entstehen die Partikel indirekt durch die Freisetzung von Ammoniak aus der Viehzucht und durch Düngung, aber auch Abrieb von Reifen, Bremsen, Strassenbelag und Aufwirbelung sind Ursachen.

Hotspots: Die violetten Bereiche zeigen die Belastung mit Feinstaubpartikeln auf, die über den WHO-Grenzwerten liegt.

Die Schadstoffe können wegen ihrer mikroskopisch kleinen Grösse in den Atemwegen Entzündungen hervorrufen und Krankheiten wie chronischen Husten, Atemnot, Bronchitis, Asthmaanfälle, aber auch Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und in schweren Fällen Lungenkrebs verursachen.

Anpassung der Grenzwerte

2021 hat die WHO die Richtwerte für die Luftverschmutzung mit Feinstaubpartikeln gegenüber 2005 um die Hälfte herabgesetzt: Empfahl die Organisation vor 2021 keine stärkere Belastung als 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und Jahr für Partikel, die kleiner als 2,5 Mikrometer sind, sind es seither noch deren 5.

In der Schweiz ist für die kleineren Feinstaubteilchen (PM 2,5) zurzeit immer noch der Grenzwert von 2005 gültig. Gerade im Winter werden in den Ballungszentren und in an den Verkehrsachsen gelegenen Gebieten auch die höheren Grenzwerte massiv überschritten. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) empfiehlt darum eine Reduktion der Feinstaubemission um rund 50 Prozent.

Osteuropa und Po-Ebene besonders betroffen

Gemäss der Analyse des «Guardian» ist Nordmazedonien das am stärksten belastete Land in Europa. Rund zwei Drittel der Bevölkerung leben in Gebieten, in denen die Luftverschmutzung mehr als das Vierfache der WHO-Richtwerte beträgt. Generell ist die Luftqualität in Osteuropa erheblich schlechter als im westlichen Teil des Kontinents: In Serbien, Rumänien, Albanien, Nordmazedonien, Polen, der Slowakei und Ungarn werden die WHO-Grenzwerte um das Doppelte überschritten.

In Westeuropa ist die italienische Po-Ebene besonders betroffen: Gemäss der Untersuchung atmen ein Drittel der Bewohner des Tals Mengen von Feinstaubpartikel ein, die viermal so hoch wie die WHO-Richtlinien. Im fruchtbaren Tal kommen gleich mehrere Faktoren zusammen: Einerseits entstehen durch die intensiv betriebene Landwirtschaft Feinstaubemissionen, anderseits wird die Region aber auch industriell rege genutzt. Da die Ebene durch ihre Küstenferne und die Flankierung durch die Alpen und das Apennin-Gebirge sehr windarm ist, stauen sich auch die Emissionen von Heizungen und Verkehr rasch vor Ort auf.

Maria Neira, Direktorin der Abteilung für öffentliche Gesundheit der WHO, fordert die europäischen Politikerinnen und Politiker nun zu einem raschen und entschiedenen Handeln auf: «Die Leute sagen, unsere Leitlinien seien sehr streng und sehr ehrgeizig. Aber ich sehe keinen Ehrgeiz darin, etwas vorzuschlagen, das so viele Menschen weniger krank machen wird. Mit dem Wissen, das wir haben, gibt es eine klare und moralische Verantwortung.»