Topjob im EuroparatAlain Berset gewinnt die Wahl in Strassburg
Der Alt-Bundesrat wird Generalsekretär des Europarats und damit Chef von gut 1800 Mitarbeitenden. Das ist eine Premiere für die Schweiz und freut auch den Bund, der die Kandidatur unterstützt hat.
Lange hat er den Ruhestand nicht ausgehalten. Nur wenige Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Bundesrat ist Alain Berset am Dienstagabend in Strassburg zum Generalsekretär des Europarats gewählt worden. Er erzielte im zweiten Wahlgang 114 Stimmen und lag damit vor seinen Konkurrenten Indrek Saar (85 Stimmen) und Didier Reynders (46 Stimmen).
Bereits im ersten Wahlgang hatte Berset am besten abgeschnitten, das damals noch nötige absolute Mehr aber verpasst. Jetzt reichte das relative Mehr, womit Bersets Sieg definitiv ist. Der 52-jährige Alt-Bundesrat wird seine fünfjährige Amtszeit am 18. September antreten. Es ist eine Premiere: Erstmals übernimmt ein Schweizer das Amt als Generalsekretär des Europarats.
Diese Organisation wacht über die Menschenrechtskonvention und umfasst auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mit der EU ist der Europarat dagegen institutionell nicht verbunden. Stattdessen wird er von den 46 Mitgliedsstaaten getragen und engagiert sich neben den Menschenrechten auch für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit.
Berset betonte dieses dreifache Engagement nach seiner Wahl und bekannte sich zu einer freien und souveränen Ukraine. Hier will er eine Priorität setzen und sich für Kompensationsmassnahmen für die Verheerungen des russischen Angriffs starkmachen. Der Europarat möchte die Schäden dokumentieren, die durch den Krieg entstanden sind. Dies soll dann als Grundlage für Entschädigungszahlungen dienen.
Über 600 Millionen Euro Budget
Als Generalsekretär ist Berset für die strategische Planung des Europarats zuständig – ebenso für das über 600 Millionen Euro schwere Budget und die Führung der mehr als 1800 Mitarbeitenden der gesamten Organisation. Er repräsentiert den Europarat auch auf internationaler Ebene.
Für Berset selbst bringt das Amt zahlreiche Annehmlichkeiten. So steht ihm etwa mit der Villa Massol eine prächtige Residenz in Strassburg zur Verfügung. Und mit der (gekürzten) Bundesratsrente zusammen kommt er auf dasselbe Salär wie zuvor als Mitglied der Schweizer Landesregierung – also auf gut 470’000 Franken pro Jahr.
Schliesslich wird Berset mit der Wahl zum Generalsekretär des Europarats doch noch Diplomat. Obwohl er sich in jungen Jahren einst gegen eine solche Karriere entschieden hat, nachdem er zuvor das strenge Selektionsverfahren des Concours diplomatique bestanden hatte.
Im Interesse der Schweiz
Bersets Wahl ist nicht nur für ihn selbst ein Erfolg, sondern auch für den Bund. «Es ist von grosser Bedeutung, dass die Schweiz in wichtigen Organisationen und Organen vertreten ist», sagt Pierre-Alain Eltschinger vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Zu diesen wichtigen Organisationen gehöre auch der Europarat. «Die Schweiz hat ein Interesse daran, dass ihr europäisches Umfeld genauso demokratie- und rechtsfreundlich ist wie sie selbst», so der EDA-Sprecher.
Das Aussendepartement hat Bersets Kandidatur denn auch tatkräftig unterstützt. Ein vierköpfiges Team erarbeitete mit dem Alt-Bundesrat die Strategie, erstellte Werbematerial und organisierte zahlreiche Reisen und Treffen. Am Sonntagabend hat die Schweizer Residenz in Strassburg einen Empfang veranstaltet, zu dem alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier des Europarats eingeladen waren.
Berset bedankte sich nach seiner Wahl für die Unterstützung der Schweiz und seiner Familie. Der Wahlkampf durch 25 Länder sei anstrengend gewesen. Nun haben sich diese Anstrengungen ausbezahlt. Sicher war die Wahl aber bis zum Schluss nicht. Berset blieb denn auch bis zum zweiten Wahlgang sichtlich angespannt. Zu unklar war, wohin die Stimmen seiner Konkurrenten gehen würden. Am Dienstagabend war dann aber klar: Der 52-Jährige darf in Strassburg eine neue Herausforderung anpacken.
Reynders scheitert bereits zum zweiten Mal
Berset war bereits aus der Poleposition ins Rennen gestiegen: Das Ministerkomitee des Europarats hatte ihn zuoberst auf das Dreierticket gesetzt, aus dem die Parlamentarierinnen und Parlamentarier wählen konnten. Damit priorisierte es Berset gegenüber den beiden anderen Kandidaten.
Weder Reynders noch Saar waren je Regierungspräsident. Berset hingegen vertrat die Schweiz zweimal als Bundespräsident – jeweils für ein Jahr. Er liess sich denn auch als «Schweizer Staatsmann» verkaufen.
Reynders stammt aus Belgien und ist seit 2019 EU-Kommissar für Justiz. Zuvor hatte er 20 Jahre lang verschiedene Ministerposten in der belgischen Regierung inne: Finanzminister, Aussenminister, Verteidigungsminister und stellvertretender Premierminister. Bereits 2019 hatte er als Generalsekretär des Europarats kandidiert, musste sich aber gegen die aktuelle Amtsinhaberin Marija Pejcinovic Buric aus Kroatien geschlagen geben.
Lob aus dem Bundesrat
Indrek Saar wiederum war in Estland Kulturminister und Parlamentarier. Er ist wie Berset Sozialdemokrat und gilt nicht als Schwergewicht. Dennoch erzielte er in beiden Wahlgängen das bessere Resultat als der Liberale Reynders. Im ersten Wahlgang kam Saars noch auf 78 Stimmen, während Reynders 70 Stimmen auf sich vereinigte. Alain Berset konnte sich bereits damals absetzen, indem er 92 Stimmen erzielte.
Der Freiburger wusste sowohl die Schweizer Delegation im Europarat hinter sich als auch den Bundesrat. Aussenminister Ignazio Cassis hatte seinen ehemaligen Regierungskollegen in einem Empfehlungsschreiben gelobt. Der Freiburger sei hervorragend qualifiziert, spreche neben Französisch auch Englisch und Deutsch und verstehe überdies Italienisch und Spanisch. Er sei in der Lage, das reibungslose Funktionieren des Europarats zu gewährleisten und diesen auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.
Ab Mitte September kann Alain Berset den Tatbeweis antreten.
Fehler gefunden?Jetzt melden.