DFB-PokalDrei Monate Stillstand – nun kommt das grösste Spiel der Geschichte
Die Saison des 1. FC Saarbrücken ist schon lange zu Ende. Doch heute Abend steht der Riesenschreck gegen Leverkusen im deutschen Cup-Halbfinal.
Der Dienstag wäre so ein Tag. An Tagen wie diesen, so wussten schon Dichter auf Bühnen und in Fankurven, ist alles möglich, und alle sind dabei. Möglich ist für den FC Saarbrücken tatsächlich alles. Nur dabei sein wird fast niemand. Der Halbfinal im Cup gegen Bayer Leverkusen wird für den Verein im Südwesten an der französischen Grenze das grösste Spiel der jüngeren Geschichte – und vor coronabedingt leeren Rängen wird es auch das traurigste grösste Spiel der jüngeren Geschichte.
Saarbrücken war mal eine grosse Adresse im deutschen Fussball, als Gründungsmitglied der Bundesliga, als steter Begleiter der Vereinslandschaft in den beiden höchsten Spielklassen. Noch 1977 schickte ein verblüffend starkes Team den FC Bayern mit 6:1 nach Hause, angeführt von einem gewissen Felix Magath. Tausende Franzosen kamen damals über die Grenze zu den Spielen, erstklassiger Fussball war in der Region eine exklusive Angelegenheit.
Das ist lange her. Nach dem letzten Bundesliga-Abstieg 1993 verschwand Saarbrücken zusehends von der nationalen Fussball-Landkarte. Oberliga, Regionalliga, Fünftklassigkeit. Der Club rutschte in den Amateurbereich.
In der aktuellen Saison tauchte der FC Saarbrücken plötzlich als Riesentöter wieder auf. Als Viertligist eliminierte er den Zweitligisten Regensburg, den Bundesligisten Köln und den Zweitligisten Karlsruhe. Anfang März musste Saarbrücken zwar in einem verrückten Viertelfinal gegen Bundesligist Düsseldorf kurz vor Schluss den Ausgleich hinnehmen, setzte sich aber dann im Penaltyschiessen durch. Goalie Daniel Batz hielt vier Versuche, wurde von 7000 Fans im Kleinstadion gefeiert. Saarbrücken stand im Halbfinal, als erster Viertligist in 85 Jahren Pokal-Geschichte.
Dann kam Corona, auch für den Riesentöter ein Schreckgespenst. Die vierte Liga pausierte, wurde im Gegensatz zu den Profiligen bis heute nicht mehr angepfiffen. Saarbrücken als Tabellenführer wurde zwar zum Aufsteiger erklärt. Aber Fussball hat die noch immer mit Amateurkickern versehene Mannschaft seit über drei Monaten nicht mehr gespielt. Und nach wie vor spielt man in der Nachbarstadt Völklingen, weil das heimische Stadion Ludwigspark noch immer umgebaut wird. Es gibt bessere Vorbereitungen für einen Vergleich mit Bayer Leverkusen.
Auch in der Schweiz droht das «Saarbrücken-Problem»
Ein solches Schicksal droht auch den Cup-Überraschungsteams der Schweiz. Der FC Bavois und Rapperswil-Jona aus der Promotion League freuen sich seit Oktober auf den ziemlich sensationellen Viertelfinal gegen Winterthur und Sion. Die ganze Rückrunde wurde auf das grosse Spiel ausgerichtet, Rapperswil reiste sogar in ein zusätzliches Trainingslager, wie Sportchef Stefan Flühmann jüngst gegenüber SRF erklärte. Wegen der Corona-Pause werden die Cup-Spiele nun Anfang August nachgeholt. Weil in der Promotion League die Saison schon längst abgebrochen ist, werden die Spieler zu dem Zeitpunkt neun Monate auf den nächsten Ernstkampf gewartet haben. Alles andere als ideal.
Aber was zählt, ist schliesslich der Einsatz. In Saarbrücken wurde für den Dienstagabend eigens die Polizeistunde von 23 Uhr um eine Stunde nach hinten auf Mitternacht verschoben. Und rund um die Stadt fiebert eine ganze Region auf das grosse Spiel hin. Das Saarland ist in Deutschland, wofür in der Schweiz in der Regel der Bodensee herhalten muss – der allgemeingültige Grössenvergleich. Und so kann man für einmal ziemlich exakt vermessen, wie gross die Euphorie rund um das Spiel ist: Mindestens so gross wie das Saarland.
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