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Streit um Vakzin-Lieferungen
Kurz lenkt ein – Österreich gibt Impfdosen an Tschechien ab

In Brüssel ist der Ärger über ihn gross: Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz.
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Nach dem Streit um die Verteilung von mehr Impfstoff an bestimmte EU-Staaten will Österreich nun 30’000 Dosen ins Nachbarland Tschechien schicken. «Wir werden die Tschechische Republik bilateral mit der Lieferung von 30’000 Dosen Impfstoff unterstützen», erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Freitag. Zuvor war die Haltung Österreichs in dem Impfstoffstreit scharf kritisiert worden.

Kurz hatte Anfang März eine aus seiner Sicht «ungerechte» Verteilung von Impfstoffen in der EU angeprangert und einen «Korrekturmechanismus» gefordert. In der Folge stimmten 19 EU-Länder am Donnerstag zu, fünf Mitgliedstaaten zu unterstützen, die zu wenig Impfstoff im Kampf gegen die Corona-Krise zur Verfügung haben. Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland und die Slowakei sollen zusammen 2,85 Millionen Dosen zusätzlich erhalten. Nicht teilnehmen an der Aktion wollten Österreich, Slowenien und Tschechien.

Vor allem die Verweigerungshaltung von Wien stiess auf scharfe Kritik. «Kanzler Kurz hat sich unsolidarisch verhalten und Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland und die Slowakei im Stich gelassen», sagte ein EU-Diplomat in Brüssel. «Für Österreich ist schwerer europäischer Flurschaden entstanden.» Auch von der Presse sowie der Opposition in Österreich kam Kritik am Verhalten des Kanzlers.

Damit die Unterstützungsaktion möglich wurde, mussten die teilnehmenden 19 Länder jeweils auf rund 30 Prozent ihrer Impfdosen aus einer vorgezogenen Biontech/Pfizer-Lieferung verzichten: Unter anderem gab Deutschland 558’000 Dosen ab, Frankreich 450’000 und Italien 404’000.

Tatsächlich gibt es eine Unwucht – in einigen EU-Staaten ist der Corona-Impfstoff noch deutlich knapper als etwa in Deutschland. Das liegt daran, dass nicht alle Staaten immer ihr ganzes Kontingent an den von der EU zentral beschafften Impfstoffen genutzt haben.

Benachteilt wegen Lieferproblemen bei AstraZeneca

Grundsätzlich gilt: Jeder der 27 Staaten hat Anspruch auf einen Anteil nach Bevölkerungsstärke. Schöpft ein Land dies nicht aus, können andere EU-Staaten diese Mengen aufkaufen. Einige Regierungen setzten besonders auf AstraZeneca und sind nun wegen Lieferproblemen im Nachteil. Österreich bestellte weniger von Johnson & Johnson und befürchtet deshalb Lücken – liegt derzeit beim Impfen aber recht gut.

Ausgleich soll ein Sonderkontingent von zehn Millionen Dosen Biontech/Pfizer-Impfstoff bringen, das im zweiten Quartal zusätzlich kommen soll. Über die gerechte Verteilung dieser Menge stritten die 27 Staaten nun zwei Wochen lang – unter anderem stundenlang beim EU-Gipfel vorige Woche. Sie kann einigen kleinen EU-Staaten mit wenigen Einwohnern spürbar helfen. Allerdings ist sie im Vergleich zur erwarteten Gesamtlieferung von 360 Millionen Impfdosen für die EU im zweiten Quartal schon eher klein. Eine Einigung sollte eigentlich kein diplomatisches Meisterwerk erfordern. Sollte man meinen.

Tatsächlich aber brüteten die EU-Botschafter am Mittwoch und Donnerstag zwei Tage lang über komplexe Rechenmodellen. Die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft schlug vor, drei der zehn Millionen Impfdosen für sechs besonders bedürftige Länder zu reservieren: Bulgarien, Kroatien, Estland, Lettland, die Slowakei und Tschechien. Die übrigen sieben Millionen Impfdosen sollten wie üblich nach Bevölkerungsanteil unter allen 27 Staaten verteilt werden.

Damit waren Österreich, Tschechien und Slowenien aber nicht einverstanden und scherten aus. Und so hiess es am Donnerstagabend: 24 zu drei. 24 Staaten – darunter Deutschland – vereinbarten ihre eigene Spendenaktion: Somit geben 19 Staaten gut 2,8 Millionen Dosen ab, um Lücken in Estland, Lettland, der Slowakei, Kroatien und Bulgarien auszugleichen. Estland und Lettland bedankten sich am Freitag auch ausdrücklich für die Unterstützung und Solidarität.

In einigen Mitgliedsstaaten ist der Ärger über Kurz gross. Vor Wochen schon hatte der Kanzler verkündet, er werde sich beim Impfstoff nicht mehr auf die EU verlassen, dann reiste er PR-wirksam zum Schmieden einer Impfallianz nach Israel, schliesslich kündigte er den Kauf des russischen Vakzins Sputnik V an. In Brüssel sieht man dies mit Befremden, zumal es zur Forderung nach EU-Solidarität nicht ganz zu passen scheint. Ein EU-Diplomat machte sich recht undiplomatisch Luft: «In dem Robin-Hood-Kostüm von Kurz und seinen beiden Freunden steckte dann doch nur wieder der finstere Sheriff von Nottingham. Sie nehmen Impfstoffe, teilen aber keine Impfstoffe.»

SDA