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Kontroverse um neue Gentechnik
Ethikexperten machen eine brisante Einschätzung 

Der Streit um neue Gentechnikverfahren spitzt sich weiter zu. 
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Jahrelang ist nichts passiert. Der fortschreitende Klimawandel belebt nun aber eine fast schon totgeglaubte Debatte: Können neue gentechnische Verfahren wie die Genschere Crispr/Cas helfen, die Landwirtschaft robuster zu machen, etwa gegen Hitzestress oder stärkeren Schädlingsdruck? 

Eine neue Einschätzung liegt seit Montag vor, abgegeben von der Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (Ekah) – ein aussenparlamentarisches Fachgremium, das den Bundesrat und die Bundesverwaltung berät. Eine «klare» Mehrheit der Kommission taxiert es als «eher unwahrscheinlich», dass diese Verfahren in der knappen Zeit, die zur Verfügung stehe, einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung oder Steigerung der Ernteerträge leisten könne. 

Umstrittene Analyse

Auch wenn diese Verfahren die Züchtungszeit erheblich zu verkürzen vermögen, bleibt aus Sicht der Kommission ein gewichtiges Problem bestehen: Eine einzelne Sorte werde genetisch nie so ausgestattet werden können, dass sie bei allen klimatischen Extremen, die zu erwarten seien, «maximale Erträge bringen kann». Für sinnvoller hält die Kommission daher andere Strategien, wie aus ihrem Bericht hervorgeht: etwa stärker auf Mischkulturen zu setzen, damit eine Kultur den Ertragsverlust einer anderen wenigstens teilweise auffangen kann. Zudem brauche es eine «dringende Umstellung» auf eine stärker pflanzenbasierte, also weniger tierlastige Produktion. Auch müsse die Landwirtschaft selber mehr zum Klimaschutz beitragen. Der Bundesrat setzt ihr das Ziel von minus 40 Prozent der Treibhausgasemissionen bis 2050. Das sei «ethisch gesehen unzureichend», resümiert die Kommission. 

Die Analyse des Gremiums ist umstritten – namentlich im Kreis jener, die in den neuen Verfahren auch Chancen sehen. «Die Ethikkommission versucht, Politik zu machen», sagt Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands. Statt die neuen Züchtungsverfahren wie Crispr/Cas aus ethischer Sicht zu beurteilen, gebe sie eine fachliche Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen dieser neuen Methoden ab. Doch dafür fehle ihr die Fachkompetenz.

Ähnlich äussert sich der Verein «Sorten für morgen», in dem sich wichtige Akteure der Lebensmittelkette zusammengeschlossen haben, darunter Migros und Coop. Die Kommission verzichte auf eine Einschätzung, ob die Anwendung der neuen Gentechnikmethoden vertretbar sei oder nicht. «Das erstaunt», sagt Präsident Jürg Niklaus. Inhaltlich hält er es für «unklug», neue Methoden voreilig abzulehnen. Dies umso mehr, als das Problem über den Klimawandel hinausgehe. Zu den grossen Herausforderungen zählten auch andere Bereiche, etwa der Schutz des Trinkwassers, die gefährdeten Ökosysteme oder instabile Lieferketten. 

Gremium kontert

Die Kommission kontert die Kritik. «Die Ekah spricht den neuen Pflanzenzüchtungsverfahren nicht grundsätzlich das Potenzial ab», sagt Präsident Klaus Peter Rippe. Es sei aber falsch, nur auf diese Verfahren zu setzen. «Man darf keine Wette auf die Zukunft eingehen, dass diese Verfahren uns vor der Umstellung der Landwirtschaft und vor einer Änderungen unserer Lebensgewohnheiten bewahren können.» Diese Umstellung sei aus ethischer Sicht gefordert. Aus diesem Grund handle es sich um ein Thema einer Ethikkommission.

Politisch ist die Lage delikat. Seit 2005 ist es in der Schweiz verboten, gentechnisch veränderte Organismen kommerziell anzubauen. Das Parlament hat das Moratorium im Frühjahr bis Ende 2025 ein weiteres Mal verlängert. Allerdings hat es erstmals ein bedeutendes Signal zur Lockerung ausgesendet: Bis 2024 muss der Bundesrat die Zulassung regeln – je nach Risiko eines Organismus. Dies gilt für all jene Methoden, die Pflanzen schnell und genau anpassen können, ohne dass ihnen artfremdes Erbgut zugeführt wird. Ein solches Beispiel ist die Genschere Crispr/Cas.

Der Bundesrat tut dies gegen seinen Willen, das Parlament hat ihn dazu verknurrt. Kritiker deuten den Bericht der Ethikkommission denn auch vor diesem Hintergrund: als Rückenstärkung für die Regierung, die unter Druck gekommen ist. Die Ethikkommission sagt dazu, sie habe keine Kenntnis, welche Position der Bundesrat in dieser Frage derzeit habe.