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Retten CO₂-Gelder die Feuchtgebiete?
Unsere Moore trocknen aus

Das grösste Hochmoor der Schweiz in Rothenthurm leidet unter Austrocknung und Verbuschung.
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Es war ein Meilenstein in der Geschichte des Schweizer Umweltschutzes. Das Stimmvolk stimmt 1987 der Eidgenössischen Volksinitiative zum Schutz der Moore deutlich zu. Dank der Rothenthurm-Initiative sind die Moore und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung verfassungsmässig geschützt: 551 Hochmoore, 1268 Flachmoore.

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Umso mehr irritieren die jüngsten Daten der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL in Birmensdorf. «Der Moorschutz nützt, aber er schützt zu wenig», sagt Ariel Bergamini, Moorforscher an der WSL und Leiter der Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz (WBS). Der Grund: Moore, die früher entwässert wurden, erhielten zwar den Schutzstatus, aber Renaturierungen, sprich Wiedervernässungen, wurden noch zu wenige durchgeführt. So sind 34 Jahre nach dem Volksentscheid immer noch zwei Drittel der inventarisierten Hochmoorflächen in einem schlechten Zustand.

Was für die Schweiz gilt, ist selbst im grössten Hochmoor in Rothenthurm zu beobachten, wie ein interner Bericht der WSL für den Kanton Schwyz zeigt. «Es gibt generell einen Trend zu Austrocknung und Verbuschung, Teile des Moores wurden aber auch renaturiert», sagt Bergamini.

Auch das grösste Hochmoor der Schweiz ist generell in keinem guten Zustand. 

Trockengelegte organische Böden werden durchlüftet und die nährstoffreichen Torfschichten damit zum Lebensraum von Bakterien und Pilzen. Diese Mikroorganismen bauen den organischen Kohlenstoff zum klimawirksamen Kohlendioxid (CO₂) ab. Aus dem Kohlenstoffspeicher wird eine Kohlenstoffquelle. Zudem nimmt die typische Moorflora und -fauna ab.

Die Moorforscher kamen bereits in früheren Jahren zu diesem Befund. Aber offensichtlich hat sich die Situation seither nicht verbessert. «Gesamtschweizerisch ist die Qualität der Moore immer noch in einem Abwärtstrend», sagt Bergamini.

Doch trotz negativem Trend bleibt Bergamini optimistisch. «Im Mittelland sehen wir, dass sich Renaturierungen lohnen», sagt er. Wo die Torfböden wieder vernässen und das Moor wieder licht wird, so zeigen Untersuchungen, breiten sich Torfmoose und andere seltene Pflanzen aus, aber auch die Fauna profitiert, wie Renaturierungen im Neuenburger Jura gezeigt haben, wo seltene Libellenarten wieder stark zugenommen haben. «Es ist nicht zu spät, etwas zu machen», sagt der WSL-Moorforscher.

So ist die gute Botschaft der Forscher: Die Schweizer Moore sind noch nicht verloren. Aber Hochmoore zu retten, ist kostspielig, vor allem wenn sie abgelegen und gross sind. Eine repräsentative Studie des WSL zeigt, dass die Wiedervernässung von Hochmooren durchschnittlich mehr als 78’000 Franken pro Hektare kostet.

«Finanzschwache kleinere Kantone sind oftmals auf Drittmittel angewiesen.»

Lena Gubler, Moorforscherin am Forschungsinstitut WSL in Birmensdorf

Für die Umsetzung des Moorschutzes sind die Kantone verantwortlich. Ein grosser Teil der Hochmoore liegt jedoch in finanzschwachen Kantonen. Der Bund beteiligt sich finanziell an Renaturierungsprojekten mit einem Anteil von 60 bis 75 Prozent. «Finanzschwache kleinere Kantone sind oftmals auf Drittmittel angewiesen», sagt Lena Gubler. Die Forscherin berät Unternehmen wie Myclimate oder South Pole, die CO₂-Kompensationszertifikate für Unternehmen und Privatpersonen anbieten. So kann ein Teil der CO₂-Emissionen durch freiwillige Investitionen in Moorschutzprojekte abgegolten werden.

Gubler hat eine Berechnungsmethode entwickelt, mit deren Hilfe die CO₂-Reduktion der Moore durch Wiedervernässung relativ einfach abgeschätzt werden kann. Die einfache Handhabung habe sich inzwischen rumgesprochen, so Gubler, sodass sich auch Kompensationsanbieter im Ausland dafür interessieren. «Die Nachfrage von Schweizer Unternehmen an Projekten in der Schweiz ist sehr gross», sagt Kai Landwehr von Myclimate. Der Kompensationsanbieter hat deshalb ein eigenes Moorschutzprogramm entwickelt. «Generell ist es so, dass wir für zehn oder mehr Projekte Partner in der Schweizer Wirtschaft finden könnten», sagt Landwehr.

Mühsamer Planungsprozess

Doch die Nachfrage ist grösser als das Angebot. Das heisst: Die meisten Kantone sind zwar offen, mithilfe von Kompensationsgeldern Moore zu renaturieren. Die Kantone treten sämtliche CO₂-Reduktionen durch Wiedervernässung an den Kompensationsanbieter ab und erhalten dann den Erlös aus dem Zertifikatsverkauf. «Aber nicht nur die Finanzen sind das Problem, sondern auch die personellen Ressourcen, vor allem in kleinen Kantonen», sagt Gubler.

So gibt es schlicht zu wenig geplante Renaturierungsprojekte. Zudem dauert der Planungsprozess zwei bis drei Jahre: Vorabklärungen mit den Verantwortlichen, die das Moor bewirtschaften, Kostenschätzungen, Genehmigung des Budgets durch das Parlament, Baueingaben.

«Wir brauchen in Zukunft mehr Moore.»

Lena Gubler, WSL-Forscherin

Moorschutz stösst bei Unternehmen nicht nur wegen der Klimawirkung auf Interesse, sondern auch wegen des Naturschutzes und der Biodiversität. Denn die Reduktion der CO₂-Emissionen durch die Wiedervernässung eines Hochmoors ist im schweizerischen Treibhausgas-Inventar ein kleiner Posten. Weil die Emissionen nur grob abschätzbar sind, wird deren Reduktion nicht an das nationale Klimaziel angerechnet.

«Aber wenn Unternehmen CO₂ kompensieren wollen, so ist eine Investition in Hochmoorrenaturierungen natürlich sinnvoll», sagt WSL-Forscher Ariel Bergamini. CO₂-Emissionen aus den Mooren würden so wirksam verhindert und gleichzeitig ein einzigartiges Ökosystem mit seiner typischen und gefährdeten Fauna und Flora wiederhergestellt.

Der Sonnentau (Drosera anglica) gehört zu den bedrohten Arten, die von der Moorrenaturierung profitieren.

«Wir brauchen in Zukunft mehr Moore», sagt Lena Gubler. Sie spricht dabei ein Thema an, das in Zukunft noch einiges zu reden geben wird. Bis 2040 soll gemäss der Biodiversitätsstrategie des Bundes eine «ökologische Infrastruktur» errichtet sein. Das heisst konkret: Die Kantone müssen unter anderem Flächen ausscheiden, die künftig wieder als Feuchtgebiete dienen sollten. Nur so kann langfristig die Biodiversität erhalten bleiben.

Im Zentrum stehen dabei organische Böden, die einst Moore waren und mit der Intensivierung der Landwirtschaft drainiert und zu Kulturland wurden, wie zum Beispiel im Seeland. Diese Böden produzieren im Gegensatz zu den Hochmooren grosse Mengen an Treibhausgasen – jährlich 520’000 bis 890’000 Tonnen. Das entspricht etwa 8 bis 14 Prozent der Emissionen der Landwirtschaft. Würden diese Flächen wieder vernässt, wäre das ein wichtiger Beitrag für die Schweiz, um die Klimaziele – klimaneutral bis 2050 – zu erreichen.

Schliessen von alten Entwässerungsgräben.

«Viele in die Jahre gekommenen Drainagen müssen in Zukunft erneuert werden. Dies wäre eine Chance, darüber nachzudenken, einige dieser Böden wieder vernässen zu lassen», sagt Gubler. Zudem ist die Erneuerung der Drainagen eine kostspielige Angelegenheit: An einer Tagung am WSL wurde von 25’000 Franken pro Hektare gesprochen. Diese Böden würden allerdings für die Landwirtschaft verloren gehen. «Die organischen Böden machen nur 3 Prozent der landwirtschaftlich bewirtschafteten Böden aus», gibt Moorforscherin Lena Gubler zu bedenken.

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