Corona-Durchseuchung in China«Es gibt Schmerzen, aber wir sind bereit, sie durchzustehen»
Corona rast durch China. Videos in den sozialen Medien zeigen dramatische Szenen in Spitälern und Krematorien. Und viele Firmen haben mit hohen Krankenständen zu kämpfen.
Teile der chinesischen Bevölkerung können es kaum erwarten, das Land zu verlassen, nachdem die Regierung das Ende der Quarantänepflicht auf den 8. Januar hin bekannt gegeben hat. Chinesische Reiseplattformen meldeten unmittelbar nach der Ankündigung eine Verzehnfachung der Suchanfragen für Flüge und Hotels im Ausland, und die Anträge für Visa in einige Länder sollen sich sogar verzwölffacht haben. Viele Leute wollen zum chinesischen Neujahrsfest Ende Januar aufbrechen. Besonders beliebt sind Singapur, Japan, Südkorea, Malaysia, die USA, Grossbritannien sowie Australien.
Doch nicht alle in China sind begeistert von der neuen Offenheit. «Wie viele neue Virusstränge werden ins Land kommen?», fragt ein Weibo-Nutzer. Und ein anderer wollte wissen, «ob vorher Pillen, Ausrüstung, Masken, Testkits, diese medizinischen Mittel» vorbereitet worden seien: «Bitte öffnet nicht alles, wenn nichts wirklich vorbereitet wurde.» Sonst sei am Ende die Bevölkerung Leidtragende überhasteter Regierungsentscheidungen.
Personalengpässe und Lieferschwierigkeiten
In der Zwischenzeit rast die Pandemie durch das Milliardenreich. Zahlreiche Unternehmen haben wegen Corona-Infektionen mit hohen Krankenständen zu kämpfen. Medien berichten von gravierenden Personalengpässen. Bei manchen Firmen kommt es zu Lieferschwierigkeiten. Beispielsweise können viele Haushaltsgerätehersteller nur mit einer Kapazitätsauslastung von 20 bis 50 Prozent arbeiten. Im Tesla-Werk in Shanghai sollen die Bänder im Januar für fast zwei Wochen stillstehen. Einige Unternehmen schickten ihre Belegschaft in die vorgezogenen Neujahrsfestferien.
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Während die Pandemie die Wirtschaft teilweise lahmlegt, schnellt die Zahl der Covid-Opfer in die Höhe, was mit der raschen Ausbreitung von Infektionen einhergeht. Allein in den ersten drei Dezemberwochen soll es zu über 248 Millionen Ansteckungen gekommen sein. Das wären 18 Prozent der chinesischen Bevölkerung.
Von offizieller Seite heisst es zwar, die Lage nach dem Ende der Null-Covid-Politik sei unter Kontrolle. Aber Berichte und Szenen aus Spitälern und Krematorien widerlegen das. Dramatische Videos aus China kursieren seit Tagen in den sozialen Medien: Zu sehen sind etwa überfüllte Krankenstationen oder nach Atem ringende Menschen ohne ärztliche Betreuung. Andere Videos zeigen, dass in Krematorien Hochbetrieb herrscht.
Experten erwarten ein bis zwei Millionen Corona-Tote in China bis Ende 2023.
Journalisten der Nachrichtenagentur AP haben vergangene Woche fünf Spitäler und zwei Krematorien in den Präfekturen Baoding und Langfang im Zentrum der Provinz Hebei besucht. Diese Gegend war das Epizentrum einer der ersten Corona-Ausbrüche in China, nachdem die Null-Covid-Politik aufgehoben worden war. «Wochenlang war kaum jemand auf den Strassen zu sehen. Gefühlt jeder war krank und blieb zu Hause», heisst es im AP-Bericht. Viele Leute seien inzwischen genesen, auf den Strassen, Märkten und in Restaurants herrsche reger Verkehr, auch wenn sich das Virus in anderen Teilen Chinas ausbreite.
«Es gibt Schmerzen, aber wir sind bereit, sie durchzustehen», sagt der Restaurantbetreiber Herr Gu, der seinen vollen Namen nicht bekannt geben will. «Und danach wird alles vorbei sein, und wir werden alle zu unserem normalen Leben zurückkehren», fasst er die Hoffnung vieler Unternehmer in China zusammen.
Jüngste Schlagzeilen in Staatsmedien verkündeten, dass die Gegend «damit beginnt, wieder ein normales Leben aufzunehmen». Aber was sich auf den Intensivstationen und in Krematorien im zentralen Hebei abspielt, ist alles andere als normal. Kehren auch die Jungen zur Arbeit zurück, erkranken viele der Älteren in der Provinz lebensgefährlich. Und es könnte ein Vorbote dessen sein, was auf das restliche China zukommt.
China ändert Zählweise der Corona-Toten
Die jüngste Corona-Welle stellt vor allem für ältere Menschen eine Gefahr dar – und davon gibt es 191 Millionen in China. Die Behörden versuchen, sie zur Impfung zu überreden. Aber der Erfolg ist laut Medienberichten begrenzt. In der älteren Bevölkerung Chinas ist die Impfskepsis besonders gross.
Chinas nationale Gesundheitsbehörde hat in diesem Monat bisher nur sieben Todesfälle im Zusammenhang mit Covid vermeldet, was die offizielle Zahl auf 5241 erhöht hat. Das widerspricht allerdings markant den zahlreichen Berichten von Familien, die Angehörige verloren haben. Bei den Opferzahlen verwenden die Behörden neu eine enger gefasste Definition, die viele Todesfälle ausschliesst, die andere Länder in der Regel Covid-19 zuordnen. Experten sehen darin den Versuch der Regierung, die Corona-Lage zu verharmlosen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat gewarnt, dass die Pekinger Zählweise «die wahre Todesopferzahl unterschätzt». Das Londoner Analyseunternehmen Airfinity geht von täglich über 5000 Covid-19-Toten aus. Andere Experten erwarten ein bis zwei Millionen Corona-Tote in China bis Ende 2023.
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