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Der Klassiker der Gratwanderungen
Es geht gratwegs zum Gipfelglück

Zackig: Unterwegs auf dem Brienzergrat.
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Langsam leert sich die Aussichtsterrasse. Bald ertönt ein letztes Mal das Schnaufen der Dampflokomotive, die mit den Tagesbesuchern zum See hinunterfährt. Das warme Gold der untergehenden Frühherbstsonne vermischt sich mit der kühlen Bergluft, die Dunstwolken über den Berner Viertausendern lösen sich auf und geben den Blick frei auf Wetterhorn, Schreckhorn und Finsteraarhorn. Bald wird die Nacht über den Grat ziehen.

Vor ein paar Jahren waren wir schon einmal zu der Tour über den Brienzergrat aufgebrochen. Damals hatten wir eine Tagestour geplant und waren mit der ersten Luftseilbahn von Sörenberg aufs Brienzer Rothorn gekommen. Wir waren viel zu spät dran. Es war zu heiss, und die vielen Pausen rächten sich. Schliesslich mussten wir einsehen: Vor Einbruch der Dunkelheit würden wir es nicht mehr bis zum Harder schaffen. Nach zwei Drittel des Wegs brachen wir ab und stiegen 1400 Höhenmeter steil hinunter an den Brienzersee. Den Muskelkater spürten wir noch Tage später.

Der Zmorge steht schon vor dem Zimmer

Diesmal lassen wir uns mehr Zeit. Und wir wollen über den ganzen Grat wandern: eine Zweitagestour, 25 Kilometer Luftlinie. Am Morgen sind wir auf dem Brünigpass gestartet. Bald schon rückte die Bergkette in voller Länge in den Blick, mit den beiden Tageszielen Brienzer Rothorn und Harder. Auch der scharfe, formschöne Tannhorn-Gipfel war gut zu erkennen. Und das Augstmatthorn, ein massiger Klotz und der letzte Aufschwung des Grats. Den ersten Tag nahmen wir es gemütlich.

Sechs Wanderstunden und 1500 Höhenmeter – eine gute Aufwärmtour, berauschende Tiefblicke auf den Brienzersee inklusive.

Atemberaubend: Blick vom Brienzer Rothorn auf den See.

Nun also sind wir auf dem Brienzer Rothorn. Besonders praktisch: Da wir anderntags früh loswollen, stellt man uns den Zmorge in der Nacht vors Zimmer. Was für ein Luxus! Neuneinhalb Stunden reine Wegzeit liegen vor uns. In zweieinhalb Stunden sollten wir auf dem Tannhorn sein und damit bei der Schlüsselstelle.

Auch die weiteren ausgesetzten Passagen würden wir bis zum frühen Nachmittag geschafft haben. Denn dann ist Regen angesagt. Im besten Fall erreichen wir vorher gar den Harder. Für die Talfahrt mit der letzten Bahn sollte es diesmal problemlos reichen.

Couloir mit Betonstufen

Bei Tagesanbruch stehen wir vor dem Berghaus. Noch immer ist die Luft kühl und weich. Zu Beginn gehen wir auf markierten Wanderwegen. Beim Lättgässli, einem Couloir, das mit Betonstufen massiv entschärft ist, wechseln wir in die Luzerner Flanke.

Später führt der Weg zurück auf den Grat, und ab dem Chruterepass geht es unmarkiert weiter. Von hier bis zum Blasenhubel ist der Gratweg absolut trittsicheren und schwindelfreien Berggängern vorbehalten (T5), auf halber Höhe gibt es hingegen markierte Wanderwege und schöne Alternativen. Wie auf dem Kiel eines gekenterten Schiffes balancieren wir auf der scharfen Kante.

Bald bringt das Morgenrot die Kalkfelsen am Hohgant zum Glühen.

Bei der kurzen Kletterpassage zum Tannhorn ist neu ein Drahtseil eingerichtet. Es folgen ein paar Meter auf einem nur fussbreiten, sehr ausgesetzten Grat. Schliesslich der Aufstieg über ausgetretene Tritte in der Grashalde. Schwindelerregend stürzt rechter Hand die Wand hinab.

Die Wolke verzieht sich

Wie wir neben dem Gipfelkreuz stehen, hüllt uns eine Wolke ein, wie aus dem Nichts aufgestiegen. «Wenn wir die ganze weitere Tour nichts mehr sehen, wird sie sehr lang», befürchtet Bergkollegin Anita. Doch wir haben Glück, die Wolke lichtet sich, hin und wieder erhaschen wir einen Blick auf den Brienzersee.

Es geht weiter: Ällgäuwhoren, Schnierenhireli, Gummhoren, Blasenhubel und zusätzliche Auf- und Abschwünge dazwischen — immer hoch und runter, mal mehr ausgesetzt, mal weniger, mal Grashalde, mal ziemlich staubige Piste, mal schönster Kraxelkalk.

Vor dem Augstmatthorn gönnen wir uns eine Pause an der Sonne. Ein Fehler: Im Aufstieg fallen erste Regentropfen, im Nu werden die Steine gefährlich rutschig, der Boden schlammig unter dem Gras. Wir sind froh über die Ketten, die an dem ausgesetzten Hang eingerichtet sind — seit dem Blasenhubel laufen wir wieder auf markierten Pfaden, auf einem blau-weissen Alpinwanderweg (T4).

Auf dem Gebirgskamm-Pfad zwischen dem Augstmatthorn und Harder Kulm.

Um 12.30 Uhr stehen wir auf dem Augstmatthorn. Von hier geht es weniger heikel auf einem rot-weissen Bergwanderweg zum Harder. Die Steinbockkolonie, die am Augstmatthorn eigentlich immer anzutreffen ist, hat sich verkrochen, und das letzte Stück durch den schönen Bergwald zieht sich.

Trotz Abschluss in Schlamm und Regen: eine rundum spektakuläre Tour. Den Muskelkater spüren wir allerdings auch diesmal noch Tage später.

Die Tour wurde unterstützt von der Brienz-Rothorn-Bahn (brienz-rothorn-bahn.ch) und den Jungfraubahnen (jungfrau.ch).