Analyse zum NachrichtendienstEs braucht noch engere Grenzen gegen die Sammelwut
Der Nachrichtendienst des Bundes speichert immer noch masslos Daten. Jetzt muss das Parlament durchgreifen.
![Eine Recherche bringt die Behörde in Erklärungsnot: Gebäude des Nachrichtendienstes des Bundes in Bern.](https://cdn.unitycms.io/images/0y2mk0cQaS7956zu0Sw5ZM.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=oAo2-IspTVI)
«Wie der Schweizer Geheimdienst Unverdächtige fichiert» ist keine Schlagzeile vom November 1989, als der Fichenskandal publik wurde. Damals flog auf, dass der Nachrichtendienst über 900’000 Akten von verdächtigen Bürgerinnen und Bürgern und Organisationen angelegt hatte. Die Schlagzeile ist aktuell. Diesen Mittwoch titelt das Online-Magazin «Republik» seine Enthüllungen mit diesen Worten. Eine Recherche, die zusammen mit «SRF-Investigativ» erfolgt ist.
Ihr Fazit: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) speichert weiterhin Informationen über unverdächtige Parteien, unbescholtene Politikerinnen und Politiker und über zivilgesellschaftliche Organisationen. Dies, obwohl seit rund 15 Jahren nur Daten gesammelt werden dürfen, wenn der Verdacht auf Terrorismus, gewalttätigen Extremismus oder Spionage besteht.
Verharmlosen und beschwichtigen
Zwar scheint der Schweizer Geheimdienst keine Fichen mehr über von ihm infiltrierte unliebsame politische Organisationen im Keller zu haben, aber seine Sammelwut ist auch heute enorm. Interessant ist, wie er auf Enthüllungen reagiert. Wurde vor 30 Jahren die Existenz eines so grossen Datenwusts schlichtweg geleugnet, begegnet man heute solchen Skandalen durch Verharmlosen und Beschwichtigen.
Verharmlosen: Der NDB interessiere sich für andere Aspekte in den abgespeicherten Dokumenten, lässt dieser heute verlauten. Welche könnten das denn sein bei über 100 Einträgen zur Grünen Partei? Oder Public Eye, eine globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation, sei für ihn nicht von Interesse. Fragt sich schon, weshalb der Nachrichtendienst dann weit über 400 Beiträge über Public Eye gespeichert hat. Ein von dieser Organisation in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt sogar zum Schluss, dass die Praxis des NDB nicht mit den rechtlichen Vorgaben im Einklang stehe.
Beschwichtigen: Seit letztem September bereinige man die Datenbanken, viereinhalb Millionen Meldungen seien bereits getilgt. Man sei am «Löschen und Löschen», sagt NDB-Sprecherin Isabelle Graber dem SRF.
Die Reaktionen des NDB mögen etwas geschmeidiger geworden sein, geblieben sind die Ignoranz und die Überheblichkeit dieser Behörde. Die GPDel, also die parlamentarische Aufsicht über den Nachrichtendienst, rügt beinahe in jedem ihrer Jahresberichte die Sammeltätigkeit und den Umgang mit Auskunfts- oder Löschbegehren von Betroffenen.
Jetzt auf Verschärfungen drängen
Der NDB sei grundsätzlich von der Rechtmässigkeit seiner Datenbearbeitung überzeugt, sagte er nach der Aufdeckung des letzten grossen Skandals vor zwei Jahren. Damals wurde bekannt, dass der Nachrichtendienst nachweislich Millionen von Zeitungsartikeln und Agenturmeldungen illegal gespeichert hatte. Aber man sei offen für Verbesserungsvorschläge, so der NDB damals.
Diesen Beteuerungen darf die Politik nicht länger Glauben schenken. Jetzt hat sie die Gelegenheit, durchzugreifen. Denn derzeit steht die Revision des Nachrichtendienstgesetzes an: Dort soll laut der bundesrätlichen Vorlage der rechtliche Rahmen fürs Datensammeln genauer bestimmt werden. Dieser sollte auch angesichts der jüngsten Ereignisse so eng wie nur irgendwie möglich gesteckt werden.
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