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Immer mehr Pensionierte
Erstmals leben 100’000 65-Jährige in der Schweiz

Die Generation der Babyboomer geht in Rente – allerdings rücken nicht genug junge Arbeitskräfte nach.
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Noch nie gab es so viele neue Rentnerinnen und Rentner in der Schweiz. Zahlen, die das Bundesamt für Statistik (BFS) am Donnerstag veröffentlicht hat, zeigen: Im Jahr 2021 haben 96’292 Menschen in der Schweiz zum ersten Mal die AHV bezogen. Diese Zahl wächst «rasant», wie das BFS sagt. 2015 waren es noch rund 10’000 weniger. Ende dieses Jahrzehnts werden darum mehr als 2,2 Millionen Menschen in der Schweiz pensioniert sein, heute sind es 1,7 Millionen. Gemäss einem Bericht des Bundesrats erhalten in der Schweiz mehr als 98 Prozent aller Personen ab 65 Jahren eine Altersrente aus der ersten Säule.

Nun kommt die Pensionierungswelle also richtig ins Rollen. Warum? Weil die Generation der Babyboomer in Rente geht. Allerdings rücken nicht genug junge Arbeitskräfte nach, weshalb es zu Lücken bei den Erwerbstätigen kommt.

Der demografische Wandel ist besonders augenfällig, wenn man auf die sogenannte Arbeitsmarktschere schaut. Sie zeigt den Unterschied zwischen den Personen, die auf den Arbeitsmarkt treten, und jenen, die ihn verlassen. Die Anzahl der 65-Jährigen ist eine Annäherung an die AHV-Neurenten. Für diese Auswertungen verwendet das Basler Kompetenzzentrum für Demografie die Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung des BFS.

Was sich daraus ablesen lässt: 

  • Historisch gab es in der Schweiz immer mehr 20- als 65-Jährige.

  • 2019 gab es erstmals gleich viele 65-Jährige wie 20-Jährige.

  • 2023 leben in der Schweiz erstmals über 100’000 65-Jährige. Das sind 14’500 mehr 65- als 20-Jährige.

  • Die Differenz erreicht 2029 ihr Maximum: Dann wird es etwa 28’500 mehr 65- als 20-Jährige geben. Beziehungsweise total 124’000 65-Jährige.

Die Differenz zwischen den 20- und 65-Jährigen entspricht der Anzahl Personen, die pro Jahr im Vergleich zu heute netto einwandern müssten, um das Arbeitskräftepotenzial konstant auf dem heutigen Niveau zu halten. Die Nettozuwanderung bezeichnet den Saldo aus Zuwanderung minus Abwanderung.

Gemäss Berechnungen des Kompetenzzentrums für Demografie in Basel werden im Zeitraum zwischen 2023 und 2029 insgesamt 788’000 Personen das Alter 65 erreichen. Neue 20-Jährige gibt es im selben Zeitraum 640’000. Dadurch ergibt sich insgesamt zwischen 2023 und 2029 eine Lücke von 148’000 potenziellen Arbeitskräften. Bis 2040 vergrössert sich diese Lücke auf insgesamt 321’000 potenzielle Arbeitskräfte. 

«Neben einem Fachkräftemangel haben wir mittlerweile auch einen generellen Arbeitskräftemangel.»

Manuel Buchmann, Demograf

Dieser Negativsaldo hat gravierende Folgen: Der Fachkräftemangel verschärft sich. Aber nicht nur das. Der Basler Demograf Manuel Buchmann sagt: «Neben einem Fachkräftemangel haben wir mittlerweile auch einen generellen Arbeitskräftemangel.» Es fehlen nicht mehr nur hoch qualifizierte Informatiker und Ingenieure, sondern auch mittel und tief qualifizierte Arbeitskräfte in der Gastronomie oder der Pflege. «Der Arbeitskräftemangel ist in vielen Branchen bereits Realität, er ist das erste Symptom einer alternden Gesellschaft», so Buchmann. 

Für den Wissenschaftler gibt es aber noch viele andere Fragen, die nun auf uns zukommen werden. Zum Beispiel: Wie verändert sich der Immobilienmarkt mit dem demografischen Wandel? Welchen Einfluss hat die Demografie auf die Inflation, auf die Altersvorsorge, auf die Aktienmärkte? Wie kann die Erwerbsquote bei Frauen gesteigert werden? Wie verändern sich die Steuereinnahmen und Ausgaben? Klar ist: Der demografische Wandel ist voll im Gang und hat Einfluss auf die ganze Gesellschaft.

Für Buchmann steht fest: Je früher Arbeitgebende, aber auch Arbeitnehmende und die Politik diese Umstände verstehen und akzeptierten, desto besser werde die Schweiz mit dem Fachkräftemangel umgehen können. «Insbesondere für Arbeitgebende ist es wichtig, die Bedeutung der Fachkräftesituation auf Ebene der Unternehmensstrategie zu verstehen und frühzeitig Massnahmen zu treffen.»

Ob die Zuwanderung eine Lösung sein könnte? Nicht wirklich, sagt der Wissenschaftler: Die Zuwanderung allein könne diese Probleme (wie etwa den Fachkräftemangel) nicht lösen, aber dazu beitragen, diese etwas abzuschwächen. Um das Fachkräfteangebot auf dem heutigen Niveau konstant zu halten, müsste die Nettozuwanderung deutlich und nachhaltig ansteigen. Aber: «Weil unsere wichtigsten Zuwanderungsländer von einer noch drastischeren Alterung der Bevölkerung betroffen sind, ist dies nicht wahrscheinlich», so Buchmann. Es scheint, dass die fetten Jahre für die Schweizer Wirtschaft vorbei sein werden, wenn die Babyboomer in Rente gehen.