Ermotti und die Retourkutsche an die SNB
Überraschend offen und forsch fährt der UBS-Chef der Nationalbank an den Karren. Hinter seinem Vorgehen steckt Kalkül.
Sergio Ermotti, Konzernchef der UBS, kritisiert die Politik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) heftig. In einem Interview mit der «SonntagsZeitung» nennt er die Negativzinsen der SNB und deren aufgeblähte Bilanz als grosse Risiken für die Schweizer Volkswirtschaft. Mit ihrer Politik destabilisiere die SNB die Immobilienmärkte, ausserdem habe sie wegen des Umfangs ihrer Bilanz in einer nächsten Krise «recht wenig Handlungsspielraum».
Der Angriff des UBS-Chefs erscheint einerseits als Ablenkungsmanöver von der Kritik, der er selbst ausgesetzt ist, andererseits aber auch als Retourkutsche an die SNB, weil er Aussagen in deren letzten Finanzstabilitätsbericht gar nicht goutiert. Doch ganz unabhängig von solchen persönlichen Motiven trifft Ermotti mit seiner SNB-Kritik auf ein vor allem in der Finanzbranche – aber auch darüber hinaus – verbreitetes Unbehagen zur Geldpolitik der Nationalbank. Und seine Argumente sind nicht so leicht von der Hand zu weisen. Der Reihe nach.
Von der Börse abgestraft
Das Interview der «SonntagsZeitung» fand vor dem Hintergrund des jüngsten Quartalsergebnisses der UBS statt und der Präsentation der Pläne der Grossbank für die nächsten Jahre. Beides hat die Aktionäre der Bank erneut wenig beeindruckt. Mit 28 Prozent liegt der Börsenwert der UBS um fast ein Drittel unter dem Stand von Anfang Jahr. Darum drehte sich das Interview mit Ermotti vor allem. Auf die Frage, ob er denn am Wachstum der Bank gehindert werde, brachte er die Nationalbank ins Spiel: «Ich wundere mich vor allem, wenn im Stabilitätsbericht der Nationalbank das Wachstum der Grossbanken als Risiko thematisiert wird», meinte er da.
In diesem Bericht schreibt die SNB nirgendwo, dass das Wachstum der Grossbanken eine Gefahr sei. Aber sie macht deutlich, dass weder die Credit Suisse noch die UBS schon alle Aufgaben im Zusammenhang mit dem sogenannten «Too big to fail»-Problem gelöst haben, also mit dem Umstand, dass die Grossbanken zum Schutz der Allgemeinheit vom Staat gerettet werden müssten. Das sieht Ermotti als Affront. Im Interview sagt er dazu knapp und klar: «Tatsache ist, dass das ‹Too big to fail›-Problem bei uns gelöst ist.»
Vor diesem Hintergrund erscheint die Kritik an der Bilanz der SNB wie eine plumpe Abwehr nach dem Motto: Nicht ich bin die Gefahr, ihr seid es selbst. Dass Ermotti die Negativzinsen nicht mag, ist zudem weder neu noch überraschend. Niemand im Finanzsektor hat dafür Sympathien. Immerhin zahlen die Banken damit auf ihren Einlagen bei der Notenbank pro Jahr rund 2 Milliarden Franken – so viel wie die SNB der Öffentlichkeit maximal als Gewinn ausschüttet.
Fehlanreize und eine Zwangsjacke
Die Negativzinsen stossen aber auch über die Finanzbranche hinaus zunehmend auf Unverständnis – besonders angesichts einer eigentlichen Hochkonjunktur in der Schweiz. Ermotti hat auch recht, wenn er im Interview moniert, dass sie die Immobilienpreise anheizen. Wegen der Negativzinsen wollen Banken auf keinen Fall Bargeld oder sichere Staatsanleihen halten, damit erscheint die Rendite auf der Vergabe von Hypotheken für sie besonders verlockend. Auch wenn bei späteren Zinserhöhungen Preiskorrekturen auf Immobilien drohen und Ausfälle bei den Hypothekengläubigern.
Auch mit der Kritik an der gigantischen Bilanz der SNB ist Ermotti nicht allein. Sie hat einen grösseren Umfang als das schweizerische Bruttoinlandprodukt und ist gemessen an diesem Verhältnis umfangreicher als jene der Europäischen Zentralbank oder der US-Notenbank Fed. Jüngst hat auch Finanzminister Ueli Maurer Schlagzeilen damit gemacht, als er öffentlich erklärt hat, die SNB-Bilanz habe die «Grenze des Erträglichen» erreicht.
Und Ermotti hat recht damit, dass der Umfang der Bilanz die Handlungsfähigkeit der SNB einschränkt. Will sie die darin lagernden Währungsreserven abbauen, riskiert sie eine erneute Aufwertung des Frankens. Das schadet nicht nur der Exportwirtschaft, sondern beschert ihr sofort auch Buchverluste auf dem dann sinkenden Wert der Devisenreserven. Sollte es zudem zu einer neuen Krise kommen, müsste die Notenbank entweder die bereits rekordtiefen Negativzinsen noch weiter senken – mit der Gefahr, dass sie wirkungslos werden, weil sich das Horten von Bargeld zu lohnen beginnt. Oder die SNB müsste die Bilanz durch weitere Devisenkäufe noch weiter aufblähen, was eine künftige Normalisierung noch weiter erschwert.
Die Verantwortung der Banker
Doch selbst wenn Ermotti unabhängig von seinen Motiven zu Recht auf diese wunden Punkte der aktuellen Geldpolitik hinweist – als Banker sollte er auch nicht vergessen, wie es überhaupt zu dieser Zwangslage in der Geldpolitik kam. Ihr Ursprung war die Finanz- und die Eurokrise, die nur dank dem unkonventionellen Handeln der Notenbanken nicht in eine noch grössere Katastrophe gemündet ist. Und an beiden Krisen hatte das unverantwortliche Verhalten der Banken einen wesentlichen Anteil.
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Video – Löhne der Konzernchefs sind gesunken
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