Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Streit zwischen Teheran und Ankara
Erdogan trägt ein Gedicht vor – und löst eine diplomatische Krise aus

Der türkische Präsident hatte bei einer Siegesparade zum Bargkarabach-Konflikt in Aserbaidschan lyrisch Bezug auf Gebiet im Iran genommen. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Ein vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgetragenes Gedicht hat eine diplomatische Krise zwischen dem Iran und der Türkei ausgelöst. In dem Gedicht «Aras, Aras» wird auf die Teilung des Siedlungsgebietes der Aseris entlang des Flusses Aras Bezug genommen, der heute die iranisch-aserbaidschanische Grenze bildet. Der Iran sah in Erdogans Vortrag einen Angriff auf seine Souveränitätsrechte über seine Nordprovinzen. Das Thema fand sich am Samstag auf den Titelseiten iranischer Zeitungen.

Die Grenze wurde nach der Niederlage Persiens gegen Russland 1828 im Frieden von Turkmantschai festgelegt. Das Gebiet im Norden des Flusses wurde damals Russland zugesprochen, das Gebiet südlich blieb bei Persien.

Telefonat zwischen den Aussenministern

Wegen der Verstimmung telefonierten am Samstagabend die Aussenminister der beiden Staaten, Mohammed Dschawad Sarif und Mevlüt Cavusoglu. Dabei wurden nach einem Bericht der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA die Differenzen ausgeräumt worden. Teheran wolle laut Sarif die gute und herzliche Beziehung zwischen der iranischen Führung und Erdogan weiterführen. Laut IRNA sagte Cavusoglu, dass Erdogan die territoriale Integrität des Irans respektiere und ihm nicht bewusst gewesen sei, dass das Gedicht diesbezüglich zu Empfindlichkeiten im Iran führen würde.

Erdogan hatte in seine Rede bei der aserbaidschanischen Siegesparade nach dem Krieg gegen Armenien um Berg Karabach am Donnerstag in Baku aus dem Gedicht zitiert. Aus Protest dagegen bestellte das iranische Aussenministerium am Freitag den türkischen Botschafter in Teheran ein. Daraufhin reagierte die Türkei mit den Einbestellung des iranischen Botschafter wegen Beleidigung Erdogans.

«Wusste er (Erdogan) denn nicht, dass er mit diesem Gedicht die Souveränität des Irans infrage stellt», fragte Irans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif. «Keiner» dürfe so über die iranischen Provinzen Ost- und West-Aserbaidschan sowie Ardabil sprechen. Alle drei Provinzen seien «eine iranische Festung und ein unzertrennlicher Teil des Landes».

Erdogans Sprecher Fahrettin Altun entgegnete am Samstag: «Wir verurteilen die aggressiven Bemerkungen zu unserem Präsidenten und unser Land unter dem Vorwand eines Gedichtes.» Die iranische Regierung versuche, den Kontext der Verse zu verzerren.

Im Iran leben mehr als elf Millionen Aseris in den Provinzen Ost- und West-Aserbaidschan, Ardabil im Nordosten des Landes sowie Sandschan, Hamedan und Ghaswin in West- und Zentraliran. Neben persisch sprechen sie Aseri, das der türkischen Sprache ähnlich ist. Viele Aseris im Iran sind erfolgreiche Geschäftsleute und die meisten Supermärkte in Land werden von ihnen geführt. Ernsthafte Diskussionen im Iran über einen Anschluss der Aseri-Provinzen an die Republik Aserbaidschan gibt es nicht.

Verletzte bei Schiesserei in Konfliktregion Berg-Karabach

Einen Monat nach Ende der Kämpfe in der Konfliktregion Berg-Karabach im Südkaukasus sind dort bei einer Schiesserei mehrere Soldaten verletzt worden. Die Behörden des Gebiets sprachen am Samstag von einem Angriff Aserbaidschans auf einen ihrer Militärposten. Bei dem Zwischenfall am Freitagabend hätten drei Streitkräfte der Karabach-Armee Verletzungen erlitten.

Aserbaidschanische Medien hatten zuvor von einer Provokation von Karabach-Soldaten im Süden der Konfliktregion berichtet. Dabei sei ein Soldat auf aserbaidschanischer Seite verwundet worden.

Am Samstagabend (Ortszeit) sprach das armenische Verteidigungsministerium von einem neuen Angriff Aserbaidschans in der Nähe zweier Dörfer. Die Karabach-Armee ergreife «angemessene Massnahmen». Details wurden zunächst nicht genannt. Das bedeutet einen Verstoss gegen das Friedensabkommen für Berg-Karabach.

Darauf hatten sich die beiden Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien unter Vermittlung Russlands verständigt. Um die Waffenruhe zu kontrollieren, sind fast 2000 russische Friedenssoldaten in der Region. Ranghohe Vertreter forderten der Agentur Interfax zufolge beide Seite auf, sich an die Waffenruhe zu halten.

Über 4500 Tote

Der jüngste Krieg der beiden Länder hatte am 27. September begonnen und dauerte bis zum 9. November. Aserbaidschan holte sich dabei weite Teile des Anfang der 1990er verlorenen Gebiets zurück. Insgesamt starben auf beiden Seiten mehr als 4600 Menschen – die meisten Soldaten. Der Konflikt ist schon jahrzehntealt.

Aserbaidschan hob in der Nacht zum Samstag den Kriegszustand auf. Zuvor hatte das Land den «Sieg» über Armenien mit einer grossen Militärparade gefeiert. Dagegen werfen viele Armenier ihrer Regierung eine Kapitulation vor. Bei Protesten fordern Demonstranten immer wieder den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinjan. Sie bezeichnen ihn als «Verräter». Bei einer Demonstration am Freitag wurden nach Polizeiangaben mehr als 100 Menschen festgenommen.

Unterdessen dauert die Identifizierung von Toten an. Bislang seien mehr als 2900 forensische Untersuchungen von gefallenen Soldaten vorgenommen worden, teilte das armenische Gesundheitsministerium mit. Dabei werden demnach DNA-Proben von Soldaten mit Proben von Verwandten abgeglichen. Aktuell würden 541 Leichen untersucht.

SDA