Donald Trumps Comeback-Rede«Wer weiss, vielleicht schlage ich sie bald ein drittes Mal»
Beim ersten Auftritt seit seinem Abgang untermauert der Ex-Präsident seinen Führungsanspruch über die Republikaner. Und er deutet an, was er 2024 vor hat.
Es hatte sich einiges aufgestaut bei Donald Trump, kein Zweifel. Sein Twitter-Kanal ist seit einigen Wochen abgestellt, seine anderen Social-Media-Konten sind es auch, und Interviews hat der abgewählte Präsident seit seinem Abgang kaum gegeben. Wenn Trump etwas mitteilen wollte, musste er Pressemitteilungen über sein Büro verschicken, das er sich in seinem Exil in Florida eingerichtet hat. Und an sich wäre es ja auch nicht aussergewöhnlich, dass sich ein Ex-Präsident aus der Öffentlichkeit zurückzieht – es ist viel eher die Regel.
Trump hat diese Regel gebrochen, wie schon so viele Regeln zuvor. Am Sonntagabend meldete er sich mit seinem ersten öffentlichen Auftritt seit dem 20. Januar zurück, mit einer eineinhalbstündigen Rede vor Teilnehmern der CPAC-Konferenz in Orlando.
Er kritisierte dort mit scharfen Worten die Politik seines Nachfolgers Joe Biden. Er erging sich in minutenlangen Falschbehauptungen über seine Wahlniederlage, die er immer noch auf Betrug zurückführt.
Und er bekräftigte seinen Anspruch, die Republikanische Partei weiterhin anzuführen. Er habe nicht vor, eine neue Partei zu gründen, wie manche spekuliert hätten. «Wir haben die Republikanische Partei. Sie wird zusammenkommen und stärker sein als je zuvor.»
Es kann nur einen geben
Die CPAC ist eine jährliche Konferenz konservativer Politiker und Aktivisten. Ihre Teilnehmer sind nicht unbedingt repräsentativ für die republikanische Basis. In früheren Jahren dominierten dort phasenweise libertäre Stimmen, die in der nationalen Partei kein Gewicht haben, und während seiner ersten Präsidentschaftskandidatur 2016 hatte Trump einen Auftritt bei der Konferenz kurzerhand abgesagt, nachdem einige Aktivisten einen Protest gegen ihn angekündigten hatten.
Diesmal stand allerdings ausser Frage, wen das Publikum hören und sehen wollte: Trump. Im Konferenzhotel hatte ein Künstler eine vergoldete Statue des Ex-Präsidenten aufgestellt, und im Saal wurden die Besucher in einer Erhebung gefragt, wen sie sich als Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2024 wünschten.
Trump landete mit 55 Prozent der Stimmen auf dem ersten Platz, deutlich vor Ron DeSantis, dem Gouverneur von Florida, der 21 Prozent holte. Alle anderen potenziellen Kandidaten lagen abgeschlagen dahinter.
Hörte man Trump und den anderen Rednern an der dreitägigen Konferenz zu, hatte man nicht den Eindruck, dass die Republikaner gerade die Präsidentschaft sowie auch die Mehrheit im US-Senat verloren haben. Da war keine Manöverkritik, da war auch keine Forderung nach einer «Autopsie», die normalerweise nach Niederlagen auftaucht.
Bedauern? Kein Wort dazu von Trump
Stattdessen behauptete Trump bei seinem Auftritt unverdrossen und mindestens ein halbes Dutzend Mal, dass er die Wahl wie schon 2016 gewonnen habe: «Und wer weiss, vielleicht schlage ich sie bald ein drittes Mal.»
Er klagte über kurzfristig geänderte Wahlgesetze, er fabulierte ohne jede Grundlage über «illegale Einwanderer und Tote, die gewählt haben» und über Wahlzettel mit seinem Namen, die verschwunden seien. Und er wiederholte all das, was er schon in den Tagen vor dem Sturm seiner Anhänger auf das Capitol gesagt hatte: «Diese Wahl war manipuliert, und der Oberste Gerichtshof wollte nichts dagegen tun. Sie hatten den Mumm nicht.» Die Menschen im Saal quittierten das, indem sie Trump zuriefen: «Du hast gewonnen, du hast gewonnen!»
Bedauern über das, was am 6. Januar im Capitol geschah? Reue? Kein Wort dazu von Trump.
Ein alter Wahlkampfschlager
Trumps Berater hatten ihn im Vorfeld dazu gedrängt, vor allem über Joe Biden zu sprechen. Das tat Trump dann auch. Er kritisierte besonders die Migrationspolitik der neuen Regierung – und griff damit ein Thema auf, das ihm im Wahlkampf 2016 genützt hatte, das aber in den vergangenen Kampagne keine Rolle spielte.
Er wies darauf hin, dass die Zahl der Einwanderer, die an der Südgrenze ankommen, zuletzt wieder stark angestiegen ist, und er führte das zurück auf Bidens «Versprechen und dumme Worte», die «Hunderttausende und Millionen» Migranten in die USA locken würden. «Er hat eine massive Flut an illegaler Einwanderung ausgelöst.»
Er bezeichnete den Auftakt zu Bidens Amtszeit auch als den «desaströsesten Monat», den je ein Präsident gehabt habe, und machte seinen Nachfolger dafür verantwortlich, dass viele Schulen noch immer nicht zum Präsenzunterricht zurückgekehrt sind – ein weiteres Thema, von dem sich die Republikaner erhoffen, dass es ihnen gegen die Demokraten hilft.
Amerikas Konservative klagten drei Tage lang über Cancel Culture, aber wollten an ihrer Konferenz keine Trump-Kritiker hören.
Das Hauptthema der CPAC-Konferenz war die sogenannte Cancel Culture, die Amerika in den Augen vieler Konservativer zunehmend auszeichnet. Ein Redner nach dem anderen klagte darüber, dass konservative Stimmen von der Politik, den grossen Konzernen, den Universitäten und vom Kulturbetrieb gnadenlos ausgegrenzt würden. Das grösste Opfer dieser Entwicklung – und zugleich der Einzige, der dagegen wirklich ankämpft – ist in dieser Lesart Donald Trump.
«Sie werden euch verfolgen»
«Sie werden euch verfolgen, sie werden eure Familien verfolgen und eure Arbeitgeber», rief der republikanische Abgeordnete Jim Jordan in den Saal. «Und auf welche Person haben sie es am meisten abgesehen?» Die Antwort gab Jordan selbst: Die Demokraten seien «besessen davon, Trump zu hassen». Das ändere aber nichts daran, dass Trump der Anführer der konservativen Bewegung sei, sagte Jordan – und in vier Jahren wieder der Anführer des ganzen Landes.
Was bei all dem Gerede über Cancel Culture nicht zur Sprache kam, war der Umstand, dass Trumps Anhänger längst ihre ganz eigene Cancel Culture betreiben. Jene republikanischen Politiker, die sich seit Trumps Behauptung von der gestohlenen Wahl von ihm distanziert haben, wurden von der Partei in den Bundesstaaten und von Trump-Loyalisten gemassregelt. An der CPAC trat kein einziger Redner auf, der über Trump etwas Kritisches zu sagen hatte.
Dafür nahm sich Trump in seiner Rede Zeit, namentlich all jene Abgeordneten und Senatoren aufzuzählen, die für das Impeachment gegen ihn gestimmt hatten. Er rief zur Abwahl all dieser Politiker auf. Er kündigte an, überall im Land Republikaner zu unterstützen, die auf seiner Linie politisierten. Und er stellte in Aussicht, 2024 womöglich selbst wieder für die Präsidentschaftswahl anzutreten: «Einem Republikaner wird 2024 die triumphale Rückkehr ins Weisse Haus gelingen. Ich frage mich, wer das sein wird? Wer, wer, wer?»
Im Saal war die Antwort darauf klar.
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