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Widerstand gegen Hitler
Er entschied sich für den Tyrannenmord

Undatierte Aufnahme des evangelischen Theologen und NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer.
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Im Zeichen von Corona ist es den Gläubigen an Ostern verboten, gemeinsam die Verse zu singen, die sonst Millionen trösten: «Von guten Mächten wunderbar geborgen.» Doch am Karfreitag werden viele Pfarrer den Autor des Liedes würdigen: Dietrich Bonhoeffer, vor 75 Jahren, am 9. April 1945, im KZ Flossenbürg erhängt. Der damals 39-Jährige gehörte zu den politischen Verschwörern, die das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 geplant hatten.

Bonhoeffer ist ein Kirchenlehrer, der tröstet und beschämt: Noch 1956 bezichtigte ihn der deutsche Bundesgerichtshof des Landes- und Hochverrats und sprach seine Henker vom Justizmord frei. Seine Zeitgenossen in der NS-Zeit hätte seine politische Klarsicht indes beschämen müssen – denn von Anfang an hatte er erkannt, welches Verhängnis Hitler für Deutschland bedeutete. Im Februar 1933 warnte er, es drohe «eine grauenhafte kulturelle Barbarisierung». Und als die evangelische Synode Deutschlands zu den antisemitischen Nürnberger Gesetzen schwieg, rief er ihr ins Gewissen: «Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.» Parteinahme für die Juden war selbst unter Widerstandskämpfern alles andere selbstverständlich.

Zentrum politischer Konspiration

Der 1906 in Breslau als sechstes von acht Geschwistern geborene Dietrich Bonhoeffer war ein theologischer Überflieger: Mit 21 Jahren habilitiert, wurde er drei Jahre später Privatdozent in Berlin. Seine Familie gehörte zur bildungsbürgerlichen Elite Deutschlands. Vater Karl war Professor für Psychiatrie und Neurologie an der Berliner Charité. Im Krieg wurde die Familie in Grunewald zu einem Zentrum der politischen Konspiration.

Gerade seine Klarsicht auf die politische Situation nötigte den Pfarrer, sich dem Unheil entgegenzustellen. Er konnte gar nicht anders, wenn auch auf Umwegen. Weil für ihn der Dienst in der Hitler-Armee völlig undenkbar war, ergriff Bonhoeffer im Juni 1939 das Angebot einer Gastdozentur in New York. Unter dem Druck der Selbstvorwürfe hielt er es dort aber nur drei Wochen aus: «Diese schwierige Epoche unserer nationalen Geschichte muss ich bei den Christenmenschen Deutschlands durchleben.» Zurück in Berlin, wurde er mit Lehr- und Redeverbot belegt. Als Verbindungsmann der Abwehr unter Admiral Wilhelm Canaris unternahm er konspirative Reisen ins Ausland. Obwohl Pazifist, war er überzeugt, die «notwendige Tat» über die «Unbeflecktheit des eigenen Gewissens» stellen zu müssen – und erklärte sich zum Tyrannenmord bereit.

Ein vom Himmel gefallener Heiliger war Bonhoeffer nicht: Er genoss das Leben; spielte gerne Klavier, Tischtennis und Handball; ass und rauchte mit Leidenschaft. Immer wieder rang er mit Eitelkeit, Depressionen – und mit Feigheit. Bonhoeffer gehört zu den Persönlichkeiten der Geschichte, die jung starben und ein Werk nur in Fragmenten hinterliessen. Was hätte er noch bewirken können, wäre er nicht vor der Zeit gestorben?

Widerstandskämpfer und Theologe

Heute berührt und inspiriert er wie kein anderer Kirchenmann. Dabei fasziniert er gleicherweise als Widerstandskämpfer wie als Theologe. Der eine lässt sich vom anderen nicht trennen. Bei Bonhoeffer fallen Sein und Denken, Person und Werk zusammen. Er war eine zugleich tief gläubige und politische Existenz. «In der Diesseitigkeit politischer Entscheidungssituationen, in den Stürmen der Geschichte bekommt man es mit Gott zu tun.»

Erst in der «tiefen Diesseitigkeit» habe er glauben gelernt, schrieb er in seinen Briefen aus dem Gefängnis, die posthum unter dem Titel «Widerstand und Ergebung» um die Welt gingen. Einen Tag nach dem gescheiterten Juli-Attentat auf Hitler schilderte er den Umschlag von Widerstand in Ergebung: «Da wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern die Leiden Gottes in der Welt ernst.»

Seine in der Gefangenschaft entstandene Theologie von der Ohnmacht Gottes treibt Kirchenleute bis heute um. Nachfolge Christi hiess für ihn «die Leiden Gottes an der gottlosen Welt mitleiden». Im Gefängnis verspürte der Theologe – im Unterschied zum Glauben – eine Abscheu gegen alles Religiöse: «Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen», prophezeite er. Das bedeutete für ihn, auf Distanz zu gehen zum apolitischen Heilsindividualismus, zum philosophisch-metaphysischen An-Sich ohne Bezug zur Welt.

Kraft einer neuen Sprache versuchte er, Gott «nichtreligiös zu interpretieren». Und wurde damit zum Vorläufer all der Religionsverdrossenen, die atheistisch oder areligiös an Gott glauben wollen. Doch der Glaube Bonhoeffers intensivierte sich mit dem Schwinden der Überlebenschancen. Zuletzt erblühte seine Theologie in zehn atemberaubenden Gedichten. Heute gehören sie zu den meistrezitierten und meistgesungenen Texten der Kirche.