Studie beweist … Engländer schiessen schlecht Penaltys? Stimmt nicht – sagen die Deutschen
England und Elfmeter, das passt nicht. Jeder Fussballfan weiss das. Oder doch? Deutsche Forscher haben dieses Klischee nun untersucht.
WM 1990, Halbfinal Deutschland gegen England: Stuart Pierce scheitert an Bodo Illgner, Chris Waddle haut den Ball drüber. Oder die englische Heim-EM 1996, als sich im Halbfinal das Drama wiederholt: Gareth Southgate schiesst, Andy Köpke hält. Und es sind nicht nur die beiden Beispiele. Auch im Shootout bei anderen grossen Turnieren gegen andere Gegner das gleiche Bild: Die Löwen, die «Three Lions», werden zu ängstlichen Kickern.
Dass sie es auch anders können, zeigten die «Three Lions» in den letzten beiden Spielen, die im Penaltyschiessen endeten: Bei der Nation League 2019 gegen die Schweiz im Spiel um Platz 3 (6:5 n.P.) sowie bei der WM 2018, als die Engländer im Achtelfinal die Kolumbianer aus dem Turnier schossen (4:3 n.P.). Dem Klischee, dass England einfach keine Elfmeter kann, taten diese Siege jedoch keinen Abbruch. Noch immer ist jedem Fussballfan weltweit klar: Kommt das Elfmeterschiessen, verliert England.
Tausende Penaltys untersucht
Jetzt behaupten aber Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule in Köln (DSHS): Das stimmt so nicht. Kann das Mutterland des Fussballs also aufatmen? Es scheint so. Denn: Der Sportpsychologe Michel Brinkschulte hat mit seinen Kollegen von der DSHS das Klischee vom Elfmeter-Fluch als Mythos entlarvt. Die Wissenschaftler haben die Erfolgsquoten von Penaltyschützen im Männerfussball in Bezug auf ihre Nationalität untersucht.
Und ihr Ergebnis scheint klar zu sein: Statistisch gesehen, schneiden englische Kicker nicht schlechter ab als Spieler anderer Nationalitäten. Die Wissenschaftler hatten die Ergebnisse aller geschossenen Elfer in EM- und WM-Spielen seit 1976 untersucht, sowohl solcher, die während der Partie geschossen wurden, als auch jener, die in den spielentscheidenden Strafstoss-Runden nach Spielende ausgeführt wurden. Insgesamt waren das 696.
Auch prüften sie alle Penaltys, die in den höchsten Ligen von Spanien, Italien, England, Deutschland und Holland zwischen der Saison 2006/07 und der Saison 2015/16 geschossen wurden – insgesamt mehr als 4700. Die Ergebnisse brachten die DSHS-Forscher dann mit der Nationalität der Schützen in Verbindung.
Englische Medien feiern das Ergebnis
Im Detail zeigte sich dann Folgendes: Bei spielentscheidenden WM- und EM-Elfmeterschiessen schossen 387 Spieler insgesamt 473 Penaltys, 72 Prozent der Schüsse wurden verwandelt. Innerhalb des Spiels lag die Trefferquote bei 79 Prozent. Ein Zusammenhang zur Nationalität ist nicht festgestellt worden. Auch bei der Auswertung der Ligaspiele zeigte sich kein Einfluss der Nationalität auf den Erfolg.
Und was ist jetzt mit den Engländern? Nun, bei den im Spiel geschossenen Elfmetern liegt ihre Quote (90 Prozent) über dem Durchschnitt, in Elfmeterschiessen dafür darunter (60 Prozent). In keiner Kategorie wichen die Engländer, entgegen der öffentlichen Wahrnehmung, statistisch wirklich stark von den Durchschnittswerten ab.
Die englischen Medien feiern die Ergebnisse. Die Reaktionen von der Insel reichen von Interesse über Erleichterung bis hin zu Genugtuung. So titelt die «Daily Mail»: «England footballers are the best penalty takers in the world» und die BBC schreibt: «England bad at penalties? Think again - say the Germans».
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Ist die Boulevard-Presse schuld?
Ihre Freude ist verständlich. Doch die Wissenschaftler lassen am Ende der Studie noch ein Hintertürchen offen. Man wolle «nicht ausschliessen, dass es bedeutsame Unterschiede zwischen den Nationen geben könnte», wenn der Ball auf den ominösen Punkt gelegt wird, heisst es dort.
«Die gnadenlose Boulevard-Presse Englands könnte den Druck auf die Spieler erhöht haben.»
So würden englische Schützen womöglich das Scheitern als gegeben annehmen und dadurch ihre Erfolgschance minimieren. Darüber hinaus vermuten die Wissenschaftler, auch «die gnadenlose Boulevard-Presse Englands könnte den Druck auf die Spieler erhöht haben». So könnte das Klischee in der Vergangenheit sogar für eine Verschlechterung der Leistung der «Three Lions» gesorgt haben. Oder aber die englischen Spieler und Trainer seien so sehr davon überzeugt, Elfmeterschiessen sei per se nur eine Lotterie, dass sie sich gar nicht erst vernünftig darauf vorbereiteten.
Dieses Hintertürchen ignorieren die englischen Medien aber. Irgendwie verständlich. Dass das Klischee nun als widerlegt gilt, muss einfach zu schön für die Fussballfans im Mutterland des Fussball tönen.
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