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Dänemarks Christian Eriksen
Er war fünf Minuten tot – nun ist er zurück auf der EM-Bühne

epa11391992 Denmark's Christian Eriksen celebrates scoring a goal during the international friendly soccer match between Denmark and Sweden, in Copenhagen, Denmark, 05 June 2024.  EPA/Liselotte Sabroe  DENMARK OUT
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Auf einmal stand die Fussballwelt still, sie schaute besorgt auf den Rasen des Kopenhagener Parken-Stadions. Dort lag Christian Eriksen und kämpfte um sein Leben.

Der Däne war am 12. Juni 2021 in der Partie gegen Finnland zusammengebrochen, plötzlich und aus dem Nichts. Fünf Minuten sei er tot gewesen, so sagte er das später. Mitspieler bildeten eine Mauer um Eriksen, während dieser reanimiert wurde. Sie wollten ihn vor Blicken schützen. Viele weinten.

Simon Kjaer, Innenverteidiger und als Captain umjubelt, weil er die Mauer angeordnet hatte, sagte einige Monate später im «Guardian»: «Es war kein Kollege, sondern ein Freund. Das machte es so viel intensiver, und was wir taten, geschah instinktiv. Ich glaube nicht, dass man sich auf so etwas vorbereiten kann. Letzten Endes diente alles nur einem Zweck, und das war für Christian, sein damaliges Wohlergehen und seine Familie.»

Auf den Vorfall folgte in den Tagen danach eine Welle an Mitgefühl. Und darauf gleich noch eine an Empörung. Weil die Kameras ohne Skrupel draufhielten, damit die Welt dabei zusehen konnte, wie ein Mann es vielleicht schafft, nicht zu sterben. Und wie dessen Partnerin die bangen Momente am Spielfeldrand hilflos miterleben musste und zusehends daran zerbrach. Ein grausames Schauspiel.

COPENHAGEN, DENMARK - JUNE 12: Players of Denmark stand dejected as Christian Eriksen (Hidden) of Denmark receives medical treatment during the UEFA Euro 2020 Championship Group B match between Denmark and Finland on June 12, 2021 in Copenhagen, Denmark. (Photo by Friedemann Vogel - Pool/Getty Images)

Zur Politik der Verbände Fifa und Uefa gehört es, Aktionen, die zu aussergewöhnlichen Spielunterbrüchen führen, nehmen wir als Beispiel einen Flitzer mit Regenbogenfahne, nicht im TV zu zeigen, um Nachahmer zu vermeiden. Das war eine irritierende Komponente dieses Unglücks. Eine andere: Die dänischen Spieler wurden vor die Wahl gestellt: sofort weiterspielen oder am nächsten Tag. Hauptsache, die Show geht weiter.

Nachdem sie die Partie gegen Finnland 0:1 verloren hatten, schafften es die Dänen irgendwie, Kraft aus dem Ereignis zu schöpfen. Sie drangen ohne ihren Star bis in den Halbfinal vor. Dort unterlagen die Europameister von 1992 England, aber auch erst nach Verlängerung.

Und Eriksen? Nach dem Herzstillstand wurde ihm ein Defibrillator eingesetzt. Aber würde das reichen, um je wieder Leistungssport zu betreiben? In Italien zumindest, wo er zu diesem Zeitpunkt für Inter Mailand aktiv war, ist es Spielern mit Defibrillator nicht erlaubt, zu spielen. Eriksens Vertrag bei Inter wurde sechs Monate nach der EM aufgelöst.

Und beim Comeback traf er sogleich

Eriksen ist ein fantastischer Fussballer. Weil er aussieht wie ein netter Nachbar von nebenan, wirkt er etwas unscheinbar. Aber er kann Pässe spielen, wie es nur wenige können. Über 200 Tore bereitete er in seiner Karriere vor, er gehört zu den besten Freistossschützen der letzten Dekade. Er gewann Titel in den Niederlanden, England und Italien, 2019 war er mit Tottenham Champions-League-Finalist. Dreimal war er Dänemarks Fussballer des Jahres.

Nach dem erzwungenen Abschied aus Italien nahm Eriksen einen neuen Anlauf. Der FC Brentford gab ihm einen Vertrag bis Saisonende, im Februar 2022 kam er zum Comeback. Die ganze Familie war im Stadion, um das zu sehen, es gab Standing Ovations bei der Einwechslung. «Nach dem, was ich durchgemacht hatte, war das ein unglaubliches Gefühl», sagte Eriksen.

Es folgte auch die Rückkehr ins Nationalteam, im März 2022 spielten die Dänen gegen die Niederlande und verloren 2:4. Eriksen wurde eingewechselt und erzielte zwei Minuten darauf ein Tor. «Welcome Back, Christian» stand auf Plakaten von Dänen und Niederländern. 287 Tage waren seit dem denkwürdigen Abend in Kopenhagen vergangen.

AMSTERDAM - (lr) Christian Eriksen of Denmark, Andreas Skov Olsen of Denmark during the friendly match between Netherlands and Denmark at the Johan Cruijff ArenA on March 26, 2022 in Amsterdam, Netherlands. ANP MAURICE VAN STEEN (Photo by ANP via Getty Images)

Nun ist die EM 2024 gestartet. Eriksen, mittlerweile 32, ist wieder dabei, Kjaer und andere Kollegen von damals ebenfalls, am Sonntag spielen sie erstmals, Gegner ist Slowenien. Die Gruppe komplettieren England und Serbien. Keine einfache Konstellation, aber den Dänen wird zugetraut, noch einmal für eine schöne Geschichte zu sorgen.

Eriksen ist heute ein Spieler von Manchester United, er blieb nur ein halbes Jahr in Brentford, schlug sich in der abgelaufenen Saison hin und wieder mit Knieproblemen herum und wurde auch mal einfach so nicht eingesetzt. Bei den Dänen aber dürfte er gesetzt sein. Und überhaupt: Mit seiner Vorgeschichte ist er wohl froh um jede Minute, die er auf dem Fussballplatz stehen darf.

Schliesslich war er während fünf Minuten nicht einmal mehr am Leben.