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Kryptowährung in El Salvador
El Salvador wagt das Bitcoin-Experiment

In der Hauptstadt El Salvadors protestieren Teile der Bevölkerung gegen Präsident Nayib Bukeles Entscheidung, den Bitcoin zum offiziellen Zahlungsmittel zu machen.
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Als Schauplatz einer finanziellen Revolution kommt einem El Zonte erst mal nicht in den Sinn. Eineinhalb Stunden braucht man von El Salvadors Hauptstadt San Salvador bis in die kleine Ortschaft an der Pazifikküste. Glitzernde Wolkenkratzer oder wuchtige Konzernzentralen findet man hier nicht, stattdessen Wellblechhütten und ein paar ungeteerte Strassen.

Es gibt Palmen in El Zonte, einen langen Strand und erstklassige Wellen, seit ein paar Jahren aber auch ein mit US-Spenden unterstütztes Experiment: Wer im Dorfladen ein paar Bananen kauft oder gefüllte Teigtaschen am Strassenrand, der kann in Dollar bezahlen, der offiziellen Währung El Salvadors seit 2001; dazu soll jeder Verkäufer aber auch Bitcoins akzeptieren, zumindest theoretisch.

Seit 2018 läuft ein Projekt in El Zonte, das die Digitalwährung als ganz alltägliches Zahlungsmittel implementieren will. Bitcoin-Beach wurde das alles genannt, von einer «Krypto-Küste» ist die Rede, ein Marketinggag, könnte man meinen. Nun aber wird El Zonte zur Blaupause für ganz El Salvador.

Ablenkungsmanöver des Präsidenten?

Seit Dienstag gilt ein neues Gesetz, welches das Land zum ersten der Welt macht, in dem Bitcoins offizielles Zahlungsmittel sind. Fans der Digitalwährung, Finanzexperten und Politiker aus der ganzen Welt schauen nun auf die kleine zentralamerikanische Nation. Was wird bei dem Krypto-Experiment herauskommen? Eine Revolution oder doch der Ruin? Ist das ein echter Aufbruch in neue Zeiten oder nur das Ablenkungsmanöver eines immer autoritärer regierenden Präsidenten?

Gerade einmal drei Monate sind vergangen, seit Nayib Bukele erstmals öffentlich den Plan verkündete, Bitcoins in seinem Land zur offiziellen Währung zu machen. El Salvadors Präsident nutzte dafür nicht etwa das Rednerpult im Parlament, sondern eine Videoschalte an einer Krypto-Konferenz in den USA. Nicht einmal auf Spanisch sprach das Staatsoberhaupt: Auf Englisch pries er stattdessen die Vorteile, welche die Digitalwährung angeblich hätte: Der Bitcoin soll Investitionen ins Land holen und Jobs bringen. Unternehmer sollen eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen und die Salvadorianer im Ausland die Chance, kostengünstig Geld zurück nach Hause zu schicken.

Präsident Bukele arbeitete in der Werbung, bevor er in die Politik ging, Millionen folgen ihm auf Instagram, Twitter und Tiktok.

Schon kurz nach Bukeles Ankündigung kamen Zweifel auf: Transaktionen mit der Kryptowährung, sagen Experten, seien nicht unbedingt kostengünstiger als herkömmliche Geldsendungen. Dazu besteht die begründete Befürchtung, dass der Bitcoin nicht nur Investoren ins Land holt, sondern auch Kriminelle, und sich El Salvador zu einem Paradies für Geldwäscher verwandelt.

Nayib Bukele hielt dies alles nicht auf. Gerade einmal 40 Jahre ist er alt, gern trägt er Baseballcap und Sonnenbrille. 2019 trat er sein Amt an und heute, zwei Jahre später, gehört er zu den beliebtesten Präsidenten, die El Salvador je hatte. Bukele arbeitete in der Werbung, bevor er in die Politik ging, Millionen folgen ihm auf Instagram, Twitter und Tiktok. Dort inszeniert er sich wahlweise als liebender Familienvater oder Rebell im Anzug.

Gibt sich als Macher: El Salvadors Präsident Nayib Bukele.

Bukele gibt sich als Macher, tatsächlich hat er auch einiges erreicht. Vor allem die Mordrate, die zuvor wegen Bandenkriminalität astronomisch hoch war, ist rapide gesunken. Bukele führt dies gern auf seine strenge Sicherheitspolitik zurück, Experten glauben aber, dass geheime Deals mit Gangs die wahre Ursache sind.

Den meisten Salvadorianern ist das egal, Hauptsache, die Strassen sind wieder sicherer. Sie verzeihen Bukele auch, dass er mit Soldaten ins Parlament marschiert, dass er Kriminelle demütigt, Journalisten gängelt und es während des Lockdown wegen Covid-19 zu willkürlichen Verhaftungen kam. Bei den Parlamentswahlen im Februar erzielte seine Partei Nuevas Ideas – neue Ideen – einen Erdrutschsieg. Diese breite Mehrheit nutzt Bukele nun dazu, um unbequeme Richter zu entlassen und seine Macht auszubauen.

Dörfer ohne Strom

Nur fünf Tage nachdem er öffentlich erklärt hatte, Bitcoin zum offiziellen Zahlungsmittel machen zu wollen, wurde ein entsprechendes Gesetz durch das Parlament gepeitscht, ohne grössere Machbarkeitsstudien und ohne breitere Diskussion.

Nun regt sich durchaus Widerstand und zuletzt gab es sogar öffentliche Proteste. Wenige Tage vor der Einführung der Kryptowährung wurde ein Kritiker verhaftet, dazu patrouillieren laut Berichten von vor Ort Soldaten und Polizisten vor Bitcoin-Automaten. Umfragen zeigen, dass zwei Drittel aller Salvadorianer gegen das Krypto-Gesetz sind. Laut ihm müssen Läden und Verkäufer in Zukunft das Digitalgeld akzeptieren, sie können dieses aber wieder in Dollar tauschen. Die grosse Frage ist nun, ob die Menschen die neue Währung wirklich annehmen werden – und wenn ja, was dies für Folgen hat. Die Einführung des Bitcoin hat sich zum Eigentor für die Branche entwickelt. Die Kryptowährung verlor am Dienstag so viel an Wert wie seit dem Börsen-Crash im März 2020 nicht mehr.

Die meisten Menschen in El Salvador haben nicht einmal ein Bankkonto, Experten fragen sich, ob es nicht gefährlich ist, sie nun einer hochvolatilen Währung auszusetzen. Und selbst der Plan der Regierung, Geothermie zu nutzen, um selbst Bitcoins zu generieren, sei bei genauerer Betrachtung wohl nur bedingt machbar. Zu teuer, zu kompliziert. Noch haben viele Dörfer auf dem Land keinen Strom.