Das spezielle WM-DuellFür ihn ist das Wunderkind vor allem ein guter Freund
Schweiz - Kanada ist für die beiden mehr als nur ein Länderspiel: Philipp Kurashev und Connor Bedard sind Team- und Linienkollegen bei den Chicago Blackhawks.
Wie lässt sich für einen Spieler eine Horror-Saison ein wenig versüssen? Und Philipp Kurashev erlebte mit den Chicago Blackhawks ein richtig schlimmes Jahr mit vielen, vielen Niederlagen und epischen Serien wie zum Beispiel 22 Auswärtsspielen ohne Punkt. Und dennoch wird er die letzten Monate auch aus einem guten Grund sein Leben lang nie mehr vergessen.
Er spielte Abend für Abend neben dem kanadischen Wunderkind der Liga, einem 18-jährigen Teenager, der ligaweit am meisten Aufmerksamkeit auf sich zog. Und das Schöne für Kurashev: Er erlebte das «Theater Bedard» nicht nur hautnah, ohne selber den ständigen Druck des Rampenlichts zu spüren, er fand auch einen neuen guten Freund.
Connor Bedard ist der Teenager ohne Ruhe
«Manchmal tat mir Connor auch leid», sagt Kurashev. Er meint den ganzen Rummel, der rund um Bedard veranstaltet wurde. Nicht nur in Chicago, auch auswärts. Nicht nur auf dem Eis, sondern überall. Kurashev zählt auf: «Er war unser Spieler, der am häufigsten mit den Medien reden musste. Wenn es um unser Team ging, wurde immer er erwähnt. Er hatte ständig Termine: Interviews, Fotoshootings und was weiss ich noch alles. Auch in den Hotels oder auf der Strasse: Alle wollten ständig etwas von ihm.» Und auf dem Eis? «Wurde sein Name erwähnt oder berührte er den Puck, rasteten im Stadion alle aus.»
Wie Bedard seine erste Saison in der NHL gemeistert habe, dafür habe er nur ein Wort, sagt Kurashev: «Chapeau!» Und wenn er den Grund dafür in der Erfahrung des Teenagers sieht, dies alles schon bei den Junioren erlebt zu haben, dann wird endgültig klar, welch grosse Nummer der Mittelstürmer Connor Bedard im Heimatland des Eishockeys ist.
So gross war der jahrelange Hype um einen Spieler vor seinem ersten Profispiel nie mehr gewesen seit Connor McDavid, dem aktuell alles überstrahlenden Einzelspieler der NHL. Weil im nordamerikanischen Draft-System Jahr für Jahr die jeweils schlechtesten Teams sich die Rechte an den besten Junioren sichern können, wurde letzte Saison das Tabellenende, das «Rennen um Bedard», genauso mit Spannung verfolgt wie der Kampf um die vorderen Ränge.
Die Chicago Blackhawks, nach vielen erfolgreichen Jahren nun im Wiederaufbaumodus unterwegs, gewannen am Ende dieses wenig rühmliche Wetteifern. Und veränderten damit ein Stück weit auch die Karriere Philipp Kurashevs, dem 2018 von Chicago gedrafteten Schweizer.
Denn der Plan schien klar: Einer der Flügel Bedards würde durch einen physisch robusten Routinier besetzt, als Mentor und Beschützer, falls die Gegner zu oft versuchen würden, den Teenager herumzuschubsen. Für den anderen durften sich auch die diversen jüngeren Angreifer Chicagos aufdrängen.
Mit Lukas Reichel, dem grossen deutschen Talent, klappte es nicht, und so kam schon bald Kurashev zum Handkuss. Und er behielt seinen Platz an der Seite des Wunderkindes, der für ihn mittlerweile einfach ein guter Freund ist, mit dem er sich auch neben dem Eis gut versteht. Ein Grund sei, heisst es in Chicago, dass es sich um zwei Hockey-Nerds handle. Kurashev widerspricht nicht: «Unser Hauptthema ist Eishockey.»
Viele Tore, noch mehr Gegentore
Und wie gut der nur 1,78 Meter grosse Bedard ist, erlebte Kurashev Abend für Abend. An seine Kreativität mit dem Puck müsse man sich zunächst gewöhnen: «Oft denkst du, dass er dich gar nicht sehen kann und du nicht frei bist, trotzdem kommt plötzlich ein genauer Pass.»
Dass die beiden auch bei einer Unmenge an Gegentoren auf dem Eis standen und Ende Saison auf eine Minus-44-Bilanz kamen, wurde ihnen in einer eh von Anfang an verlorenen Saison noch verziehen. Der «Wanderzirkus Bedard» erfreute dafür auch die gegnerischen Fans: Sie konnten seine Kunst bewundern und sich in der Regel über einen Sieg des eigenen Teams freuen.
Ganz so euphorisch mag es Kurashev dann aber doch nicht sehen. Selbst dann nicht, wenn er auf seine persönliche Rekordsaison mit 54 Skorerpunkten zurückblickt: «Eishockey ist ein Teamsport, und wenn du so oft verlierst, wirst du mental müde, dann fällt es schwer, positiv eingestellt zu bleiben.»
Da tut die Reise an die WM gut. Mit der Schweiz gewann Kurashev die ersten fünf Spiele, mit Chicago waren es diese Saison nie mehr als zwei Siege hintereinander gewesen. Kurashev gehört zu den Schweizer NHL-Spielern, die immer kommen, wenn der Nationaltrainer ruft. Nur die WM letztes Jahr hat er wegen einer Verletzung verpasst.
Auch wenn er seit 2017, als er in Kanadas Juniorenliga wechselte, fast nur noch in Nordamerika lebt, sei er stolz auf seine Wurzeln. Kurashev kam in Davos auf die Welt («obwohl überall fälschlicherweise Münsingen steht»), sein Vater Konstantin, ein Moskauer, war damals Assistenztrainer Arno Del Curtos. Die Eltern, vor allem Mutter Jelena, schauen bis heute praktisch jedes Spiel Philipps live in der Nacht.
«Sie leben quasi in den Zeitzonen Nordamerikas», erzählt dieser schmunzelnd. Gleiches gilt für seine Grosseltern, die in Russland für den Enkel wach bleiben. Das freut ihn besonders, weil er sie vermisst – er konnte sie in den letzten Jahren nicht mehr sehen. «Ich hoffe, dass das bald wieder möglich sein wird», sagt Kurashev.
Und dann schwärmt er noch von einer anderen Legende
Zum Wiedersehen kommt es hingegen mit Bedard, der auch an der WM trifft wie ein Grosser und schon fünf Tore erzielt hat. Am Sonntag begegnen sich die beiden beim Duell Kanada – Schweiz, Kurashevs Eltern sind extra fürs Wochenende nach Prag gereist. «Ich freue mich extrem auf dieses Spiel», sagt der Stürmer.
Und während sein Kollege, wohl ein künftiger Superstar Kanadas, auf der anderen Seite spielen wird, könnte Kurashev auch mit der Nationalmannschaft ein weiteres Mal neben einer speziellen Persönlichkeit auflaufen. Um die Linien auszubalancieren, hat ihn Fischer mehrfach in die 4. Linie zu Andres Ambühl platziert. «Eine Legende!», sagt Kurashev und beginnt über das ganze Gesicht zu strahlen. «Einfach eine Legende! Und ein Riesenvorbild für alle, als Spieler, vor allem aber als Mensch.»
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