Schweizer Nationaltrainer bei den Österreichern«Viele kannten Del Curto nicht – für sie war seine spezielle Art neu»
Er coachte vom Hobbysportler bis zum NHL-Spieler. Roger Bader vor dem WM-Duell mit der Schweiz über seine Rolle als Nationaltrainer, die Arbeit mit Arno Del Curto und legendäre ZSC-Zeiten.
Herr Bader, wie dick haben Sie den 12. Mai im Kalender angestrichen?
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mich nicht freut, an der WM gegen die Schweiz (Spielbeginn 20.20 Uhr, die Red.) zu spielen. Vieles ist speziell: mein Heimatland als Gegner, die Schweizer Nationalhymne vor der Partie, die Spieler auf der anderen Seite, die ich alle kenne.
Wie wird man als Schweizer Nationaltrainer Österreichs?
Ich kam 2013 als Ausbildungschef des Verbands plus U-20-Nationaltrainer und war zwei Jahre später als Sportdirektor vorgesehen. Dann durfte ich nach der misslungenen Olympiaqualifikation interimistisch die A-Nationalmannschaft übernehmen. Ich liess vor einem Vorbereitungsturnier keinen Stein auf dem anderen, bot die zehn namhaftesten Spieler nicht auf, weil ich schauen wollte, wie viele gute Junge wir in Österreich haben. Am Ende der Saison stiegen wir von der B- in die A-WM auf. Ich konnte meinen Job bis heute behalten.
Sind Sie der Marcel Koller des Eishockeys?
Es gab damals tatsächlich eine Schlagzeile in der «Kronenzeitung»: «Der Eishockey-Koller». Wir lernten uns aber erst später kennen. Marcel erlebte in Österreich Ähnliches wie ich: Es gibt nur himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt.
Die norddeutsche YB-Trainerin Imke Wübbenhorst kam in die Schlagzeilen, weil sie deutlich direkter kommuniziert als in der Schweiz üblich. Müssen Sie in Österreich auch anders ticken?
Ich sage nie: «In der Schweiz ist das so.» Das würde umgekehrt ja auch niemand hören wollen. Und ich vergleiche die beiden Länder nur, wenn andere damit beginnen und mich um meine Meinung fragen. Als Trainer im Ausland solltest du dich der Mentalität anpassen.
War das ein langer Prozess?
Ich bin offen, darum ging das schnell. Ich konnte auch auf die Unterstützung meiner einheimischen Assistenztrainer zählen. Bei der Integration half auch, dass ich mehrheitlich in Österreich lebe. Man muss sich aber integrieren wollen. Ich ging zum Beispiel auch an politische Vorträge, obwohl ich nicht wählen darf.
Sie stehen mittendrin in der legendären sportlichen Rivalität der beiden Länder.
Auch wenn sie im Skifahren viel ausgeprägter ist, höre ich natürlich von beiden Seiten immer wieder Sprüche. Wenn du aber in Wien lebst, lernst du den Wiener Schmäh kennen. Er hilft mir, schlagfertig zu sein.
Sie leben in Wien?
Weil ich auch als Sportdirektor amte und die Geschäftsstelle in Wien ist, wohne ich drei Wochen im Monat dort.
Der Nationaltrainer, der gleichzeitig auch Direktor der Nationalmannschaft ist. Im Eishockey Österreichs ist alles ein wenig kleiner als in der Schweiz …
Das hat natürlich damit zu tun, dass wir weniger Geld haben als andere Verbände. In einer optimalen Welt wäre das Budget drei- bis viermal höher. Dann hätten wir auch die beiden Ämter separat besetzt. Die Auswahl an Spielern ist auch kleiner als in der Schweiz, auch wenn wir zuletzt Fortschritte gemacht haben.
Wo zeigt sich das?
Während fünfzehn Jahren wurde kein Österreicher im NHL-Draft gewählt. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Nachwuchsförderung nicht gut war. Zuletzt gab es wieder welche, darunter mit Marco Rossi, David Reinbacher und Marco Kasper sogar drei Top-10-Drafts. Und auch Vinzenz Rohrer, ein Drittrundendraft, entwickelt sich gut.
Und damit war die Bilanz in den letzten Jahren besser als jene der Schweiz. Bloss eine Momentaufnahme?
Rossi, Reinbacher und Rohrer verbrachten nur wenig Zeit in Österreich, sie wurden aus der Schweiz in die NHL gedraftet. Und Kasper ging zuvor ein paar Jahre nach Schweden.
Die Liga ist also nicht wirklich im Aufwind?
Unser Problem ist, dass pro Team zehn Ausländer eingesetzt werden dürfen. Das zeigt sich darin, dass fast alle Teams ausländische Goalies haben und unsere Torhüter Mühe haben, zu Einsatzzeit zu kommen. Was in der Schweiz kaum vorstellbar wäre: In meinem Aufgebot für die WM 2023 waren drei Goalies, die in ihrem Club nur Ersatztorhüter waren.
In der Schweiz stand Patrick Fischer zuletzt arg in der Kritik. Haben Sie in Österreich eher Ihre Ruhe, da Eishockey nicht derart im Fokus steht?
Nein, da bleibe auch ich nicht verschont. Was mich aber bei der Kritik an Fischer erstaunt: Das ganze Jahr spielte man gegen Schweden, Tschechien und Finnland. Da muss man sich nicht wundern, wenn man meistens verliert. Will man bloss darum gegen schlechtere Gegner testen, um ein paar Siege mehr zu haben? Ich bin sicher, dass Fischer und Lars Weibel das grosse Bild sehen. Ich finde es generell super, dass in der Schweiz ein Schweizer Nationaltrainer ist. Für mich macht Fischer eine hervorragende Arbeit.
In Ihrem Staff ist seit drei Jahren mit Arno Del Curto ein weiterer Schweizer zu finden. Wie ist seine Rolle definiert?
Eine seiner Stärken ist, auf einzelne Spieler eingehen und sie motivieren zu können. Er kann pushen oder beruhigen, je nachdem, was ein Spieler gerade braucht. Diese Gespräche passieren meistens im Vorfeld der Spiele. Arnos Arbeit ist sehr wertvoll für uns. Meine Idee war von Anfang an, dass er in dieser Rolle agieren würde.
Wie reagierten Ihre Spieler auf ihn?
Ich war erstaunt, dass ihn gar nicht so viele gut kannten und bloss wussten, dass er lange in Davos gewesen war. Für sie war seine spezielle Art neu. Aber wenn es nicht sehr gut funktionieren würde, wäre er nicht immer noch dabei.
Sie beide waren vor 33 Jahren bereits für zwei Saisons ein Trainerduo beim ZSC, einfach in umgekehrten Rollen.
Wir haben kürzlich am Handy das legendäre Penaltyschiessen gegen Lugano mit Wladimir Krutow angeschaut. (lacht) Ich war bereits Assistenztrainer, als Arno zum ZSC kam. Wir kannten uns zwar schon ein wenig, unsere enge Freundschaft entstand aber erst durch die Zusammenarbeit.
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Welche weiteren Erinnerungen sind noch vorhanden?
Wir hatten eine Art Ritual. Nach jedem Spiel im Hallenstadion gingen wir ins Commercio, ein italienisches Restaurant beim Opernhaus. Dort blieben wir bis in die Morgenstunden und warteten auf die erste Ausgabe des «Tages-Anzeigers». Es lag viel Papier auf dem Tisch: Auf Notizblätter schrieben wir Taktik und diverse Aufstellungen auf. Laptops und Handys gab es ja noch keine. Mit der Zeit kannte man uns dort. Wenn die Musiker von ihren Auftritten kamen, fragten sie uns: Wie habt ihr gespielt? Wir fragten jeweils zurück: Und wie habt ihr gespielt?
Danach trennten sich für eine Weile Ihre Wege.
Er ging später nach Davos, ich landete beim Erstligisten Uzwil, wo ich in sieben Saisons meine Sporen als Trainer abverdiente. Wir wurden Schweizer Amateur-Meister mit der jüngsten Mannschaft, man nannte uns darum auch «Davos der 1. Liga».
Sie wurden mit 23 Trainer und coachten «überall und alles»: NLA, NLB, 1. Liga. U-15-, U-17- und U-20-Stufen bei Nationalteams und Profi- wie auch Amateur-Clubs. Also alles vom Hobbysportler bis zum NHL-Spieler.
Man muss sich immer anpassen und sich in die Spieler versetzen. Nicht jeder, der mit Profis umgehen kann, ist automatisch auch ein guter Nachwuchstrainer – und umgekehrt. Was bei mir zu Beginn unglaublich war: Ich durfte sofort Profitrainer sein. Der ZSC-Nachwuchs-Obmann Edwin Hausheer wollte, dass ich zwei Rollen übernehme: Ich sollte das, was Alpo Suhonen beim NLB-Team des ZSC tat, als junger Nachwuchschef umsetzen. Der ZSC-Nachwuchs war damals bloss drittklassig und wegen des Benehmens der Spieler auch noch überall verhasst. Es gelang mir, innert sieben Jahren eine gute Struktur hineinzubringen, den Ruf zu verbessern und die Qualität zu steigern. Ich durfte in diesen sieben Saisons zudem immer Assistent des Trainers der 1. Mannschaft sein. Wurde dieser entlassen, blieb ich. Ich erlebte fünf Cheftrainer, Arno war der letzte davon.
Zurück zum Spiel am Sonntag: Wie wird Österreich gegen die Schweiz spielen?
Wir sind klarer Aussenseiter. Also wollen wir spielen wie einer. Defensiv gut stehen, schnelle Konter fahren, auf gute Special Teams bauen. Und wenn wir noch eine gute Goalieleistung haben, können wir auf einen Punktgewinn hoffen.
Was wäre für Österreich eine erfolgreiche WM?
Wir sind 16. der Weltrangliste. Es war zuletzt immer so, dass es im letzten WM-Spiel um alles ging. Diesmal wird es gegen Grossbritannien eventuell auch so sein. Unser Motto ist AAA, also «Triple A», das ist überall ein Gütesiegel. Sollten wir zum dritten Mal in Serie den Ligaerhalt schaffen, dann wären wir etabliert an der A-WM.
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