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Tennis-Talent Ritschard
Einst drohte die Armamputation, jetzt gehört er zum Davis-Cup-Team

Hochgeschossener Aggressivspieler: Alexander Ritschard ist eine Bereicherung für das Schweizer Davis-Cup-Team.
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Der neue Mann im Schweizer Team ist an diesem Freitag in Biel gegen Libanon zwar nur Ersatzmann, aber nicht zu übersehen. Mit seinen 1,93 m überragt er am Spielfeldrand die meisten – umso mehr noch, wenn er dann auch noch hochspringt, was er gern tut. Alexander Ritschard ist in der Schweizer Tennisszene zwar kein Unbekannter, doch nach vielen Jahren in den USA markiert seine Davis-Cup-Premiere die Rückkehr des verlorenen Sohnes. Sie fällt in die beste Phase seiner Karriere.

Seine Mutter Heidi, früher Balletttänzerin, ist Amerikanerin, sein Vater Hans ist ein früherer Tennisprofi (Bestmarke ATP 390) und coachte unter anderem Heinz Günthardt, inzwischen ist er Architekt. Eine grosse Figur im Tennis ist auch Onkel Beat, jahrelang Chef des Zürcher WTA-Turniers. Seine ersten grösseren Auftritte hatte Alexander als Teenager in der Zürcher Saalsporthalle, wo es vor gut zehn Jahren ein Champions-Turnier mit Spielern wie Stefan Edberg, Ivan Lendl oder Pete Sampras gab und parallel dazu ein Turnier mit hoffnungsvollen Junioren ausgetragen wurde. Da hielt er, damals bester Schweizer Junior, jeweils sehr gut mit, schlug sogar Top-10-Junioren.

Doch bald entschwand Ritschard, der 2011 wie Belinda Bencic Schweizer Juniorenmeister geworden war, in die USA und aus dem Fokus der heimischen Tennisszene. Er begann ein Studium an der University von Virginia in Charlottesville, die über eines der stärksten Tennisteams verfügt. Dort spielte aber sein Körper plötzlich nicht mehr mit. Verursacht durch einen Geburtsfehler, kam es zu Wachstumsstörungen.

«Der Arzt sagte, sie seien kurz davor gestanden, den Arm abzutrennen.»

Alexander Ritschard

«Mit 19 hatte ich viele Probleme, mit dem Arm, der Schulter, der Lunge», erzählt Ritschard. «Zwischen 19 und 21 hatte ich vier Operationen. Da hätte es nicht viel Sinn gemacht, als Profi zu spielen.» Der Herd des Übels war eine Rippe im rechten Schulterbereich, die seine Hauptarterie verschloss, Thrombosen auslöste und letztlich um sechs Zentimeter verkürzt werden musste. «Mein Arm erhielt kein Blut mehr und war wie am Verrotten», blickt Ritschard zurück. «Um das zu reparieren, waren zwei Operationen notwendig. Ich hatte wirklich Glück.»

Eigentlich spreche er nicht gern darüber, «aber es war schon ein Riesendrama. Der Arzt sagte, sie seien kurz davor gestanden, den Arm abzutrennen, weil ich sonst hätte sterben können. Anscheinend hatte ich Glück, dass sie die Arterie wieder öffnen konnten.» Der Stent, den sie ihm einsetzten, um die Arterie wieder zu öffnen, ist immer noch im Arm. Etwas Ungewissheit ist geblieben: «So weit scheint es jetzt aber gut zu sein.» Sein Sohn habe sich erstaunlich gut von diesen Operationen erholt, sagt der Vater. «Wir dachten damals, dass er nie mehr würde Tennis spielen können.»

«Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mehr Schweizer als Amerikaner bin.»

Alexander Ritschard

Ritschard gehörte, obwohl er nur unregelmässig spielte, dreimal zum Team der Virginia Cavaliers, das die College-Meisterschaft der USA gewann. Nachdem er 2018 den Bachelor of Arts abgeschlossen hatte, überzeugte ihn sein Teamcoach Brian Boland, sich dem amerikanischen Verband anzuschliessen und für die USA zu spielen. «Eigentlich wollte ich nicht wechseln, aber im letzten Jahr machte er extrem Druck. Ich vertraute ihm, hatte vier super Jahre gehabt. Später musste ich aber erfahren, dass es nicht der richtige Entscheid war und er nicht der Typ, als den ich ihn gesehen hatte.» Der Kontakt ist inzwischen abgebrochen.

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2021 beschloss Ritschard, in die Schweiz zurückzukehren. «Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mehr Schweizer als Amerikaner bin.» Er war in der Schweizer Tennisszene schon immer gut vernetzt, spielte immer wieder Interclub für Seeblick, auch die Kontakte zu Swiss Tennis rissen nie ab. Nun hat er eine eigene Wohnung in Rüschlikon. «Ich bin froh, dass er dabei ist. Er bringt eine gute Energie und noch mehr Breite ins Team», sagt Davis-Cup-Captain Severin Lüthi. Ritschards Mutter hatte nichts gegen den erneuten Nationenwechsel: «Sie drängte sogar mehr darauf hin als mein Vater.» 

Nach vier Jahren für die USA spielt er nun wieder für die Schweiz: Davis-Cup-Debütant Alexander Ritschard.

Es sei eine «Riesenehre», erstmals im Team zu stehen, sagt Ritschard, der als Hobby Musik produziert und auflegt, unter dem Künstlernamen Lost Ray («Ein Song von mir wurde auf Spotify schon fast 15’000-mal angeklickt», sagt er). Das Davis-Cup-Aufgebot habe ihm «einen Schub» verliehen und möglicherweise mitgeholfen, seinen zweiten Final auf der Challenger-Tour zu erreichen.

Diesen verlor er im italienischen Forli vergangene Woche als Qualifikant gegen den Briten Jack Draper, beim 6:3, 3:6, 6:7 (6:8) vergab er vier Matchbälle. «Bei einem fehlte mir nur ein halber Zentimeter», bedauert er. Als Folge davon ist er diese Woche als Nummer 232 so gut klassiert wie noch nie zuvor. 

Für Ritschard ging es in den vergangenen Jahren kontinuierlich aufwärts, alles andere als sprunghaft. 2018 erreichte er die Top 500, 2019 die Top 400, 2020 die Top 300. Inzwischen ist er in jenen Ranglistenregionen angelangt, die normalerweise reichen, um Grand-Slam-Qualifikationsturniere zu bestreiten. «Mein Ziel ist es, Grand-Slam-Turniere zu spielen und ein Challenger-Turnier zu gewinnen», sagt Ritschard. «Ich denke auch, dass ich in die Top 150 vorstossen kann.» Erstaunlicherweise hat der 27-Jährige bisher noch kein ATP-Turnier bestritten, mit Ausnahme einer Qualifikation für das Gstaader Swiss Open.

Um seine Ziele zu erreichen, hat er offiziell gleich drei Coaches im Team: Der Kolumbianer Juan Ramirez ist sein Chefcoach, als Assistenz fungiert Dario Camenzind, und schliesslich führt er auch seinen Vater Hans als Coach auf. «Das tat ich nur, weil er mein Vater ist. Sonst wäre er wohl sauer geworden und hätte geschimpft», sagt Ritschard und lacht.