Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Drohung gegen Corona-Hilfspaket
Wahlverlierer Trump zeigt noch einmal seine Macht

«Das Gesetz heisst Covid-Linderungsgesetz, aber es hat fast nichts mit Covid zu tun»: Präsident Donald Trump legt sich mit dem Kongress an.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Es war ein Rüffel, mit dem so niemand gerechnet hatte. Entsprechend gross war der Schock, den er am späten Dienstagabend in Washington auslöste. Das Corona-Hilfsprogramm, auf das sich der US-Kongress nach zähem Ringen verständigt hatte, «ist eine Schande, ein Witz sogar», zeterte Präsident Donald Trump in einem gut vierminütigen Video, das er über den Kurzmitteilungsdienst Twitter verbreitete.

Statt Bürger und Firmen im Land grosszügig zu unterstützen, verschwende das Parlament Geld «für andere Staaten, Lobbyisten und Einzelgruppen». Die Abgeordneten und Senatoren müssten das Paket grundlegend überarbeiten und ihm ein «brauchbares» Gesetz auf den Tisch legen, liess der US-Präsident verlauten.

Nach Trumps Intervention ist nun wieder völlig ungewiss, ob und wann die Amerikaner im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mit staatlicher Hilfe rechnen können. Das vom Kongress mit grosser Mehrheit verabschiedete Programm umfasst unter anderem direkte Zahlungen von bis zu 600 Dollar an die US-Bürger, eine Aufstockung der Arbeitslosenhilfe sowie Kredite und Zuschüsse für Unternehmen, die auf Entlassungen verzichten.

Das neue Corona-Hilfspaket hat ein Gesamtvolumen von fast 900 Milliarden Dollar. Der Versand der Checks sollte eigentlich bereits nächste Woche beginnen.

«Das Gesetz heisst Covid-Linderungsgesetz, aber es hat fast nichts mit Covid zu tun.»

Donald Trump, Präsident

Aus der Sicht von Trump, der sich aus der Erarbeitung des Programms beinahe vollständig herausgehalten hatte, ist die geplante Einmalzahlung aber zu niedrig. «Ich fordere den Kongress auf, das Gesetz zu ergänzen und die lächerlich geringen 600 Dollar auf 2000 Dollar zu erhöhen», sagte er.

Trump kritisierte zudem, das Paket enthalte viele Zahlungen an andere Staaten sowie Einzelgruppen, die nichts mit dem Kampf gegen Corona zu tun hätten. All diese Gelder müssten aus dem Programm gestrichen werden. «Das Gesetz heisst Covid-Linderungsgesetz, aber es hat fast nichts mit Covid zu tun.»

Kongress könnte Veto kippen

Wie so oft in seiner vierjährigen Amtszeit vermischt Trump in seinen Aussagen sachliche Kritik mit Halb- und Unwahrheiten. So behauptet er etwa, die Familien illegaler Einwanderer würden deutlich mehr Geld erhalten als US-Bürger. Auch sind etwa die genannten Zahlungen an Drittstaaten wie Ägypten und Pakistan nicht Bestandteil des Covid-Pakets, sondern des Haushaltsgesetzes, über das der Kongress parallel abstimmte.

Ein Veto des Präsidenten könnten Senat und Repräsentantenhaus wiederum mit Zwei-Drittel-Voten kippen. Angesichts der klaren Mehrheiten, mit denen beide Kammern das Programm gebilligt hatten, wäre das zumindest nicht ausgeschlossen.

Die Pandemie hat viele Amerikaner in Armut gestürzt: Eine Hilfsorganisation verteilt Essen an Bedürftige in Washington.

Allerdings haben viele Kongressmitglieder Washington bereits im Glauben verlassen, ihre Arbeit vor Weihnachten sei getan. Im schlimmsten Fall würde nun wenige Tage vor Silvester sogar ein Stillstand der Regierungsgeschäfte drohen, weil das derzeitige Haushaltsüberbrückungsgesetz ausläuft. Der Kongress kommt nun aber ohnehin nach Weihnachten erneut zusammen, da Trump sein Veto gegen den Verteidigungshaushalt eingelegt hat.*

Vielerorts herrschte am Mittwoch Rätselraten darüber, was der Präsident mit seinen Drohungen eigentlich bezweckt. Eine Lesart lautet, er wolle sich wenige Wochen vor der Übergabe der Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Joe Biden noch einmal als Volkstribun gerieren, der mehr Geld für die Bürger herausschlägt, als der elitäre Kongress zu geben bereit ist.

Einteilung in Loyalisten und Verräter

Andere Beobachter vermuten, dass er vor allem einstige Verbündete für deren vermeintliche Illoyalität ihm gegenüber bestrafen will. Tatsächlich haben zuletzt Dutzende republikanische Senatoren und Abgeordnete Bidens Sieg bei der Präsidentschaftswahl anerkannt und damit Trumps Zorn auf sich gezogen. Darunter ist auch der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, der als derzeit mächtigster Republikaner im Kongress das Covid-Paket federführend ausgehandelt hatte.

Mit der Einteilung in Loyalisten und Verräter spaltet der Präsident seine Partei ausgerechnet wenige Tage vor den so wichtigen Senatsstichwahlen in Georgia. Dort wird am 5. Januar darüber entschieden, ob die Demokraten bis Anfang 2023 ausser im Weissen Haus auch in beiden Kammern des Kongresses das Sagen haben werden oder ob die Republikaner zumindest ihre knappe Mehrheit im Senat behalten.

Trump schert sich darum offensichtlich weniger als um sein eigenes Schicksal. Trotz aller gescheiterten Versuche, seine Wahlniederlage gerichtlich anzufechten, deutete er in seiner Rede einmal mehr an, dass er im Amt bleiben wolle. Sollte es jetzt kein Corona-Paket geben, werde eben die nächste Regierung ein Programm auflegen müssen, sagte er – «und diese nächste Regierung werde vielleicht ich sein».

Aufstockung der Hilfen auf 2000 Dollar

Die Demokraten, die wegen der angeblich zu hohen Kosten ohnehin höhere Direktzahlungen an die Bürger gefordert hatten, aber am Widerstand der Republikaner gescheitert waren, boten am Mittwoch an, die Aufstockung der Hilfen von 600 auf 2000 Dollar noch vor Silvester zu beschliessen.

Der Abgeordnete Jamie Raskin sagte, ein Veto Trumps sei «grotesk», nachdem dieser zuvor seine Mitarbeit am Paket verweigert habe. Andererseits sei es «das passende Ende seiner Präsidentschaft».

Das neue Corona-Hilfspaket soll die früheren Massnahmen gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie ergänzen. Im März hatte der Kongress ein gigantisches Konjunkturprogramm auf den Weg gebracht. Es handelte sich mit einem Umfang von 2,2 Billionen Dollar um das grösste Hilfspaket der US-Geschichte.

*Donald Trump hat am Mittwochabend Schweizer Zeit sein Veto gegen den US-Verteidigungshaushalt eingelegt. In einem Update dieses Textes hiess es kurzzeitig, dass der US-Präsident sein Veto gegen das Corona-Hilfspaket eingelegt hat. Dies hat Trump zwar ebenfalls angedroht, bis anhin aber noch nicht in die Tat umgesetzt. Wir entschuldigen uns für den Fehler.