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Mörder von Daphne Caruana Galizia sagt aus
«Eine Bombe war einfacher und sauberer»

Ein Schock – und eine grosse, ungelöste Frage: Wer gab den Auftrag zum Mord an Daphne Caruana Galizia? Im Bild eine Gedenkveranstaltung für die Bloggerin in Valletta. 
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Mehr als drei Jahre nach dem Mord an der maltesischen Enthüllungsjournalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia hat nun zum ersten Mal ein geständiger Auftragskiller im Tribunal von Valletta gesprochen – fünf Stunden lang. Kronzeuge Vincent Muscat trug im Gericht eine kugelsichere Weste, und allein dieses Bild führte den Maltesern wieder vor Augen, wie brisant der verhandelte Fall noch immer ist. Und wie ungelöst.

Im Saal sassen auch Angehörige der mutigen Reporterin, die eine Karriere lang gegen die Korruption der maltesischen Eliten angeschrieben hatte. Unter anderem waren auch die Söhne von Daphne Caruana Galizia da, die kürzlich ein Buch herausgegeben haben mit den wichtigsten Geschichten und Kommentaren ihrer Mutter. Muscat begann sein Zeugnis mit einer Entschuldigung an die Familie. Er arbeitet mit der Justiz zusammen, im Gegenzug gestand ihm der Staat eine reduzierte Gefängnisstrafe zu: 15 Jahre Haft.

Die Zigarettenstummel kamen in eine PET-Flasche

Das Mordkomplott, erzählte Muscat dem Gericht, sei nach den Parlamentswahlen 2017 endgültig beschlossen worden. Gewonnen hatte die Labour Party. Die Gebrüder Alfred und George Degiorgio hätten ihn angeheuert, ihnen zu helfen. «Das ist ein guter Job für dich», hätten sie zu ihm gesagt. 150’000 Euro sollte es dafür geben, 50’000 für jeden. Zunächst hätten die drei ihr Opfer wochenlang beobachtet – «mit einem Feldstecher und einem Teleskop». Sie postierten sich auf einer Anhöhe bei Bidnija, wo Caruana Galizia mit der Familie lebte, sehr unbequem sei es da gewesen. Die vielen Zigaretten, die sie geraucht hatten, steckten sie in eine PET-Flasche, um auch ja keine Spuren zu hinterlassen. «Wir schauten ihr bis 2 Uhr früh zu, wie sie auf dem Sofa sass, mit dem Computer auf den Knien.»

Zunächst war der Plan, Caruana Galizia zu erschiessen – aus nächster Nähe, der Schütze würde sich hinter einem Baum im Garten verstecken. Doch einer der Brüder Degiorgio fand, das sei zu gefährlich, da könne man nach der Operation leicht in eine Polizeikontrolle geraten. Und so beschlossen sie, stattdessen eine ferngezündete Bombe einzusetzen, die sie unter dem Fahrersitz ihres Autos platzieren würden, das sei «sauberer und einfacher»: 500 Gramm Sprengstoff und dazu eine Plastikflasche mit Benzin für alle Fälle, damit die Kraft der Explosion alles zerstören würde.

Das angekratzte Postkartenimage einer schönen Insel

Muscat erzählte dem Gericht, er habe gewarnt, eine Bombe könne auch weitere Menschen töten, doch die Komplizen schienen wild entschlossen gewesen zu sein. «Wir machen weiter, egal, wer im Wagen sitzt, auch wenn sie mit anderen unterwegs ist», sollen die Brüder zu ihm gesagt haben. Daphne Caruana Galizia war an jenem 16. Oktober 2017 allein. Die Mörder zündeten die Bombe mit einer SMS, das Handy warfen sie danach ins Meer. Die Wucht der Explosion schleuderte den Kleinwagen in die Luft, er stand danach ausgebrannt neben der Landstrasse von Bidnija.

Europa war geschockt, Malta ist schliesslich ein Mitglied der Europäischen Union. Das Postkartenimage der schönen Inselgruppe war dahin, zumal seither der Verdacht im Raum steht, dass Figuren aus der Regierung oder aus deren Entourage den Auftrag zum Mord an der unbequemen, hartnäckigen Journalistin gegeben haben könnten. (Lesen Sie über die Spuren in die Schweiz.)

Der belastete Ex-Minister nennt die Vorwürfe eine «krasse Lüge»

Muscat nannte in seinem Zeugnis einige prominente Namen von Persönlichkeiten, die in den Fall verwickelt sein sollen – unter anderem jenen des früheren Wirtschaftsministers Chris Cardona. Er habe einen der Brüder Degiorgio zu dessen Büro gefahren, sagte Muscat, und der habe den Regierungspalast durch einen Seiteneingang betreten. Persönlich sei er aber nicht dabei gewesen. Cardona habe die Degiorgios auch über anstehende Polizeioperationen gegen sie informiert. Der Ex-Minister reagierte empört, das sei eine «krasse Lüge», sagte Cardona, «eine böse Fiktion».

Für kommende Woche sind nun Kreuzverhöre geplant. Zitiert wird dann auch Melvin Theuma, ein Taxifahrer, der als Mittelsmann zwischen den Mördern und den Auftraggebern fungierte und ebenfalls gestanden hat. Auch Theuma arbeitet mit der Justiz zusammen. Bisher deckten sich die Darstellungen der zwei Kronzeugen bis ins Detail.