Aboubakar SoumahoroEin unsäglicher Verdacht hängt über dem Star der italienischen Linken
Der Vorkämpfer von Italiens Landarbeitern wurde als Lichtfigur gefeiert: Nun kommen Zweifel auf an der Paradegeschichte des Neuabgeordneten Aboubakar Soumahoro.
Wie man diese Geschichte auch dreht, sie bleibt traurig. Und voller unangenehmer Zweifel. «La Repubblica» fragt: «Wer ist Aboubakar Soumahoro? Ein naiver Idealist? Oder ein ordinärer Schwindler?» Allein die Frage!
Es ist noch nicht lange her, da wurde Aboubakar Soumahoro, italienischer Neuabgeordneter mit ivorischen Wurzeln, 42 Jahre alt, wie die Lichtfigur der geschwächten Linken im Land gefeiert, wie die personifizierte Hoffnung. Er war ein Star, trat in allen Talkshows auf, setzte Trends in den sozialen Medien. Diese rhetorische Verve im Kampf für die Letzten, für die ausgebeuteten Landarbeiter auf den Äckern im Süden Italiens, für Migrantinnen und Migranten, für die Verlierer der Globalisierung – sie wirkte so wuchtig, weil sie das Echo seiner eigenen Biografie war.
Doch war sie am Ende eine Täuschung?
Sein Italienisch war so gut, dass die Italiener verzaubert waren.
Soumahoro wuchs in der Elfenbeinküste auf, einfache Verhältnisse. Der Wunsch nach einem besseren Leben brachte ihn nach Italien, da war er 19. Zunächst schlug er sich mehr schlecht als recht durch, schlief in den Strassen Roms und Neapels, verrichtete kleine Jobs, das Los der meisten Zuwanderer. Italienisch lernte er schnell, bald war es akzentfrei. Dann die Wende: Soumahoro schrieb sich an der Federico II. ein, der Universität von Neapel, und studierte da Soziologie.
Schon während des Studiums setzte er sich für die «braccianti» ein, so nennen die Italiener die zumeist afrikanischen Feldarbeiter, die sich für ein paar Euro Stundenlohn den Rücken schinden bei der Ernte von Gemüse und Früchten in Apulien, Kalabrien, Sizilien. Sie leben in Ghettos, oft ohne Strom und Wasser, der Agromafia ausgeliefert.
Der Gewerkschafter und Aktivist Soumahoro war ihre Stimme, er marschierte immer an der Spitze der Proteste. 2009 trat er dann ins Leben der Italiener, mit einer seiner Reden gegen den Rassismus, die am Fernsehen gezeigt wurde. Vor allem sein Italienisch war es, das alle beeindruckte. Er gründete seine eigene Gewerkschaft, die Lega Braccianti, schrieb für Feltrinelli ein Buch mit dem Titel «Umanità in rivolta», Menschheit in Revolte – es hörte sich schon wie ein politisches Manifest an.
Lebende Antithese zu Salvini
Das Nachrichtenmagazin «L’Espresso» hob Soumahoro auf sein Cover, neben dem Rechtspopulisten Matteo Salvini. Als wäre er die perfekte Antithese. Das fand wohl auch die linksgrüne Wahlallianz von Verdi und Sinistra Italiana und stellte ihn nun auf für einen Sitz in der Abgeordnetenkammer. Soumahoro gewann.
Zum ersten Sitzungstag präsentierte er sich in schmutzigen Gummistiefeln, dem Symbol der Unterdrückung auf den Feldern, wie er sagte. Alle Kameras waren auf ihn gerichtet, und Soumahoro ballte die rechte Faust und streckte sie in die Luft. Ikonisch, auffällig.
Das ist erst ein paar Wochen her, nun ist alles anders. Soumahoro hat sich gerade selbst von der Fraktion suspendiert, damit er, wie er sagt, Punkt für Punkt alle Vorwürfe entkräften könne, die unheilvoll über ihm und seiner Familie hängen. Offenbar hat ihn die Partei dazu gedrängt.
Die rechte Presse nennt seine Frau jetzt «Lady Gucci».
In Latina bei Rom läuft schon länger eine Ermittlung gegen zwei Kooperativen für Migranten, die von Soumahoros ruandischer Frau und deren Mutter geführt wurden. Man wirft ihnen vor, die dort betreuten Einwanderer schlecht behandelt zu haben. Unterkunft und Essen sollen eine Zumutung gewesen sein. Löhne für 400’000 Euro wurden nicht ausbezahlt, alles staatliche Zuschüsse. Wo floss wohl das Geld hin?
Es tauchten Fotos von Soumahoros Frau in teuren Designerkleidern auf. Die rechte Presse nennt sie nun «Lady Gucci». Zunächst stellte sich Soumahoro als Opfer dar. In einem Video klagt er, man wolle ihn und seine Ideen zerstören, das sei alles nur Dreck und Schlamm. Er weinte dazu.
Mittlerweile will er dieses Video gern ungeschehen machen. Denn es kommen immer mehr Vorwürfe, jeden Tag eine neue Episode in dieser traurigen Geschichte. Es sind auch welche dabei, die ihn direkt treffen, vorgetragen von ehemaligen Weggefährten der Lega Braccianti. Der helle Stern verblasst, noch bevor etwas bewiesen ist.
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