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Euro 2021: Schweiz – Frankreich
Ein Spektakel bis zum grandiosen Ende

Absolute Ekstase: Die Schweiz bezwingt Weltmeister Frankreich nach Penaltyschiessen.
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Was ist das für ein Abend. Was für ein Spiel. Was für ein Auftritt der Schweizer Mannschaft! Und vor allem: Was ist das für ein Ende! Mitternacht ist in Bukarest schon eine Dreiviertelstunde vorbei, als die Entscheidung fällt. 5:4 führen die Schweizer im Elfmeterschiessen, das ist nötig geworden, weil es zwischen der Schweiz und Frankreich nach 120 Minuten 3:3 gestanden hat.

Kylian Mbappé läuft an, das Wunderkind des Weltfussballs, ein paar Schritte nur, dann schiesst er. Der Ball fliegt, Yann Sommer fliegt auch, und dann schafft er es, den linken Arm so hochzureissen, dass er den Schuss abwehren kann. Es ist eine Explosion der Gefühle. Die Schweiz hat geschafft, wovon sie geträumt hat. Sie steht am Freitag in St. Petersburg im Viertelfinal gegen Spanien.

Ein Zeichen an alle Kritiker

Granit Xhaka schaut in die TV-Kamera, streichelt sein blondes Haar zurecht und hält einen Finger vor den Mund. Es ist sein Zeichen an all die, die ihn wegen eines eingeflogenen Coiffeurs kritisiert haben. Xhaka wird am Freitag fehlen, er ist nach zwei Verwarnungen gesperrt. Der Xhaka aus diesem Achtelfinal wird eine grosse Lücke in die Mannschaft reissen.

Die Verwunderung ist in diesem Spiel schon früh da gewesen. Es ist die Verwunderung über diese Schweizer Mannschaft, über die Art, wie sie auftritt, wie sie ihre Nerven unter Kontrolle hat und mit einem Selbstverständnis spielt, als würde sie nie etwas anderes machen. Sie ist so, wie sich Vladimir Petkovic das in seinen Gedanken wohl ausgemalt hat.

Ein Pass von Embolo bleibt in der Abwehr hängen, Seferovic wäre freigestanden. Dann will Haris Seferovic schiessen, die 15. Minute läuft inzwischen, sein Versuch wird abgeblockt, aber der Ball landet bei Steven Zuber auf der linken Seite, Zuber hebt ihn in die Mitte, mit Gefühl und Präzision, und da steht erneut Seferovic. Der Schweizer ignoriert Lenglet weg, und sein Kopfball sorgt für eine Explosion der Gefühle: Er landet in der linken tiefen Ecke, unerreichbar für Lloris.

Es ist Seferovics 23. Tor im 78. Länderspiel, er hat früher schon wichtige Treffer erzielt: im WM-Final 2009 mit der U-17, zum Sieg an der WM 2014 gegen Ecuador, gleich drei beim 5:2 in der Nations League gegen Belgien, jüngst erst das erlösende 1:0 beim Sieg gegen die Türkei. Aber dieses Goal überragt alle anderen, zumindest bis zu diesem Zeitpunkt.

Sind die Franzosen müde?

Die Franzosen sehen wie versteinert aus, sie, Vertreter der Grande Nation, sind auf einmal schwer auf Abwegen. Sind sie müde, die Stars von Real, Barcelona, Bayern, Paris St-Germain oder Chelsea? Verblüfft über die Stärke des Gegners? Oder einfach nur arrogant? Sie haben in der Folge mehr den Ball, sie schiessen alle immer wieder, sieben Mal bis zur Pause.

Doch es schaut nichts dabei heraus, Yann Sommer braucht keinen einzigen Versuch abzuwehren. Ein Sinnbild für die Schweizer der ersten Hälfte ist Manuel Akanji, der den grossen Benzema zum Statisten degradiert. Und eines ist auch Xherdan Shaqiri. Bis dahin läuft er 5,63 Kilometer, das ist nur ein Hauch weniger als die Marathonmänner Kanté, Xhaka und Freuler.

Zur zweiten Halbzeit reagiert Frankreichs Coach Didier Deschamps. Er muss es auch nach dieser trostlosen Vorstellung seiner Mannschaft, er ersetzt Lenglet durch Kingsley Coman und reiht seine Spieler in einem 4-2-4 auf. Es ist ein System wie in den früheren Jahren, spektakulär und deutliches Zeichen, was er verlangt.
Das Spiel nimmt verrückte Züge an, Zuber wird von Pavard unsanft gebremst. Der Schiedsrichter will nichts von einem Foul wissen, der VAR belehrt ihn eines Besseren. Die Schweiz erhält einen Elfmeter. Ricardo Rodriguez läuft an. Einst ein Schütze, auf den Verlass war, aber diese Zeiten sind längst vorbei. Als er mit seinem schlecht platzierten Schuss an Lloris scheitert, bleibt nur die Frage: Wieso darf er eigentlich weiterhin schiessen? Vor diesem Abend hat er schon dreimal in Folge einen Penalty verschossen.

Sein Fehlschuss leitet die Wende ein. Nur vier Minuten später steht es nicht mehr 1:0 für die Schweiz, sondern 2:1 für die Franzosen. Benzema drängt auf einmal in den Mittelpunkt. Zuerst ist grossartig, wie er den Ball annimmt und schliesslich an Sommer vorbeispitzelt. Danach hat er keine Mühe, den Ball mit dem Kopf über die Linie zu drücken. Die beiden Tore bringen die Wucht zum Ausdruck, mit der die Favoriten nun auftreten. Von Arroganz ist keine Spur mehr.

Paul Pogba legt in der 75. Minute nach, und wie er das macht, ist grosse Klasse. Die Freiheiten, die ihm 25 Metern vor dem Tor gewährt werden, nutzt er aus, indem er den Ball in die hohe Ecke dreht. Es ist der Glanzpunkt des Abends. Und bereits das Tor der Entscheidung?

Eine starke Reaktion

Frankreich glaubt das und lässt nach, die Schweiz dafür reagiert. Und es ist eine starke Reaktion, voller Überzeugung und Glauben, dass sie noch nicht geschlagen ist. Seferovic gelingt das Anschlusstor, wieder per Kopf. Neun Minuten bleiben noch zu spielen. Mario Gavranovic, erst seit ein paar Minuten auf dem Platz, trifft ins Tor. Sein Jubel bricht schnell ab, weil er im Abseits gestanden hat. Die Sekunden zerrinnen, Xhaka spielt den Ball in die Tiefe, Gavranovic nutzt den Raum und erzielt wunderbar den Ausgleich zum 3:3.


Das ist in der 90. Minute, und es geht noch weiter. Xhaka schlägt einen weiten Ball, Mehmedi steht völlig frei im Sechzehner. Er kann ihn bloss nicht kontrollieren. Coman trifft die Latte. Dann kommt die Verlängerung.