Rom lässt die Regionen öffnenEin Sonnenstrahl der Hoffnung
Ausser in der Lombardei und im Piemont sind die Infektionszahlen fürs Erste unter Kontrolle. Nun gibt die italienische Zentralregierung den Regionen neue Freiheiten.
Italien steht vor einem Kurswechsel, man könnte es auch einen Paradigmenwechsel nennen. Und wahrscheinlich hat Südtirol als Wegbereiter gedient, als Avantgarde. Die Zentralregierung in Rom gibt die Verantwortung bei der Öffnung des Lockdown an die Gouverneure aus den Regionen ab, die sich bisher gerne beklagt hatten über die Linie in der Hauptstadt. Den einen ging Premier Giuseppe Conte nie weit genug, den anderen ging er zu weit mit den Beschränkungen des öffentlichen Lebens – je nach politischer Ausrichtung.
Die lauten Gouverneure in der Pflicht
Bisher war es auch immer so gewesen, dass die Massnahmen für alle galten, in den arg betroffenen Gegenden im Norden genauso wie im fast ganz verschonten Süden des Landes. Das half entscheidend mit, die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Nun aber sind nur noch die Lombardei und das Piemont in einer einigermassen kritischen Situation.
Alle anderen Regionen Italiens haben Corona fürs Erste unter Kontrolle gebracht. Als bester Indikator dafür dient die Zahl der belegten Intensivbetten, die grösste Sorge der Italiener seit Beginn der Krise: Sie ist auf unter tausend gefallen. So tief war sie seit der Verfügung des harten Lockdown am 10. März nie mehr gewesen.
Im autonomen Südtirol mochte man nicht mehr warten. Vergangene Woche beschloss das Provinzparlament in Bozen einen Sonderweg und sperrte fast alles auf: Restaurants, Bars, Geschäfte, Museen, Bibliotheken, Industriebetriebe. Vom 18. Mai an dürfen das nun auch alle anderen italienischen Regionen, sie sollen selbst über die Massnahmen und deren Mass entscheiden.
«Es beginnt eine neue Phase für die Gouverneure», sagte Minister Francesco Boccia, der zuständig ist für das Dezentrale. «Sie tragen jetzt die Verantwortung für ihre Regionen.» Der polemische Unterton, der da mitschwang, war durchaus gewollt. Für den Fall, dass die Kurve der Neuinfektionen wieder ansteigt, behält sich Rom das Recht vor, sofort einzugreifen. Auch mit der Errichtung von «Zone rosse», mit Totalverriegelungen einzelner Gemeinden und Gegenden also.
«Wir werden ans Meer gehen, in die Berge, wir werden unsere Städte geniessen können.»
Der Kurswechsel ist ein klares Zeichen dafür, dass man zuversichtlicher geworden ist, was den Sommer betrifft, die Saison und die Ferien. Conte sagte neulich: «Wir werden diesen Sommer nicht auf unseren Balkonen verbringen, die Schönheit Italiens wird nicht in der Quarantäne gefangen bleiben. Wir werden ans Meer gehen, in die Berge, wir werden unsere Städte geniessen können.» Er hoffe, dass alle Italiener ihre Ferien in Italien verbringen werden. Von ausländischen Touristen sprach er nicht. Doch ob sich die Landesgrenzen bald öffnen werden, hängt ja auch nicht nur von Italien ab.
Sardinien hat einen speziellen Plan
Zwischen den italienischen Regionen wird man vorläufig noch immer nicht verkehren dürfen, ausser in Notfällen. Diese Einschränkung wird wahrscheinlich Ende Mai fallen. Viele Italiener besitzen Zweitresidenzen in ihrer Heimatregion oder am Meer, sie sollen dann in ihre Häuser fahren dürfen. Allerdings liegt es dann ebenfalls an den Regionen, Bedingungen festzulegen. Sardinien zum Beispiel plant, jeden Besucher nach Ankunft von Fähre und Flugzeug zuerst auf Corona zu testen. Wie das in der Praxis gehen soll, ist noch nicht so klar.
Unterdessen haben Expertengruppen Leitlinien für die «Phase zwei» erarbeitet, und auch da interessieren vor allem jene zu den Stränden. In den Strandbädern mit Staatslizenzen soll jeder Sonnenschirm mindestens viereinhalb Meter von dem nebenan entfernt sein, zwischen den Liegereihen soll die Distanz fünf Meter betragen. Vor dem Besuch muss man seinen Platz online buchen. An den freien Stränden schauen Polizisten und Stewards zum Rechten, sie kanalisieren die Besucher. Wird es zu dicht, ist schnell zu. Badetuch in den Sand und draufliegen? Darf man nicht.
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