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Attentat in Bagdad
Ein Mord erschüttert den Irak

Er liess sich nicht einschüchtern:  Terrorismusexperte Hisham al-Hashemi.
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Mehrere Sicherheitskameras haben den Mord aufgezeichnet, der den Irak aufwühlt. Am Montagabend war der bekannte Terrorismusexperte Hisham al-Hashemi in einem weissen Geländewagen vor seinem Haus im wohlhabenden Bagdader Stadtviertel Zayouna vorgefahren. Die Attentäter hatten sich kurz zuvor in Stellung gebracht. Einer wartete auf einem Motorrad, der andere feuerte vier Schüsse durch die Scheibe der Fahrertür. Die Kinder mussten mit ansehen, wie der Körper ihres Vaters aus dem Auto gezogen wurde. Hashimi starb wenig später in einem Spital.

Bislang hat sich keine Gruppe zu dem Mord bekannt, aber der Verdacht richtet sich gleichermassen gegen Schläfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und gegen von Teheran gesteuerte Schiiten-Milizen, vor allem Kata’ib Hizbollah. Bedroht hatten Hashemi in den vergangenen Monaten nach seinen eigenen Worten beide Extremistengruppen – trotzdem blieb er in Bagdad, wo er 1973 geboren worden war, obwohl er nach Angaben von Freunden zeitweise erwogen hatte, aus dem Irak zu fliehen. Er liess sich nicht einschüchtern, war schon von den Schergen Saddam Husseins für mehrere Jahre ins Gefängnis geworfen worden – damals war er selbst noch ein salafistischer Prediger.

Verbindungen zum US-Militär

Hashemi galt als einer der kenntnisreichsten Experten für sunnitischen Extremismus und die Ideologie der Fundamentalisten – Phänomene, die auch schon vor dem Aufstieg des IS den Irak prägten. Das Terrornetzwerk al-Qaida hatte hier nach der Invasion der USA im Jahr 2003 eine seiner Hochburgen. Er beriet die irakische Regierung, hatte beste Verbindungen zum US-Militär und den dem Premierminister unterstellten Anti-Terror-Einheiten sowie dem irakischen Geheimdienst. Deren früherer Chef, Mustafa al-Kadhimi, stieg im Mai zum Regierungschef auf – was Hashemi noch zu erheblich grösserem politischem Einfluss als bisher verhalf.

Hashimi war zugleich ein gefragter Gesprächspartner westlicher Nachrichtendienstler, Diplomaten und Journalisten. Oft konnte man ihn in der Lobby des Palestine-Hotels antreffen, wo er geduldig Hintergründe zu bewaffneten Gruppen in seinem Heimatland erläuterte.

Zuletzt rückten immer stärker die mächtigen schiitischen Milizen in den Vordergrund, von denen sich manche der Kontrolle der Regierung entziehen und einen Staat im Staate bilden, den die iranischen Revolutionsgarden steuern. Sie sind derzeit eine weit grössere Bedrohung des staatlichen Gewaltmonopols als die wieder erstarkenden Überreste des IS, auch wenn beide weitgehend ungestraft politische Gegner bedrohen und ermorden.

Junge Iraker eskortierten Hisham al-Hashemis schlichten Holzsarg durch die Strassen der heiligen Stadt Najaf.

Premier Kadhimi hatte jüngst das Hauptquartier von Kata’ib Hizbollah von einer Spezialeinheit stürmen lassen. Mitglieder der Miliz belagerten daraufhin ein Regierungsgebäude in der Grünen Zone; alle Festgenommenen kamen daraufhin wieder frei. Die Aktion galt im Irak aber als Warnung an den Iran und seine irakischen Handlanger – und Hashimi hatte sie öffentlich gutgeheissen.

Symbolfigur der irakischen Jugend

Kata’ib Hizbollah gilt als diejenige Miliz, die für die meisten Angriffe auf US-Stützpunkte im Irak verantwortlich ist und hinter der Belagerung der US-Botschaft zum Jahreswechsel stand. Ihren damaligen Anführer, Abu Mahdi al-Muhandis, brachten die USA wenige Tage spätere zusammen mit dem Chef der für Auslandseinsätze zuständigen Quds-Brigaden der Revolutionsgarden, Qassim Soleimani, mit einem Drohnenangriff am internationalen Flughafen von Bagdad um. Kata’ib Hizbollah und andere Teheran nahestehende Gruppen haben geschworen, die USA aus dem Irak zu vertreiben.

Hashemi galt auch jungen Irakern als Symbolfigur, die monatelang gegen die korrupte Regierung protestiert hatten. Ein Fanal, wie verrottet der Staat ist, sehen sie darin, dass sich die Attentäter ungehindert Hashemis Haus nähern und unerkannt fliehen konnten. Auch nun gingen sie wieder auf die Strasse, eskortierten Hashemis schlichten Holzsarg durch Bagdads Strassen, der zur Beisetzung in die heilige Stadt Najaf gefahren wurde.