Ein Leben lang im Scheinwerferlicht
Matti Nykänen war ein Skisprung-Idol. Der Alkohol hielt ihn auch nach dem Rücktritt in den Schlagzeilen. Ein Nachruf.
Beinahe 40 Jahre lang stand sein Name für Triumphe, Glamour, Tragödien, Exzesse und Skandale. Denn Matti Nykänen war nicht nur ein begnadeter Skispringer, er lieferte der Boulevardpresse über sein Karrierenende hinaus Stoff. Der Abschied aber erfolgte still und leise. Am Sonntagnachmittag klagte er über Schwindelgefühle, am Montagmorgen hatte Nykänens schwaches Herz aufgehört zu schlagen.
Der Adler Nykänen fliegt nach einem Leben im Scheinwerferlicht nun auf den ewigen Wolken. Mit Erfolgen, die auch in der aktuellen Skisprungwelt schwer zu übertreffen sind. Olympiasieg und Silber 1984, drei Starts und drei Goldmedaillen 1988 in Calgary. Mit 46 Weltcupsiegen war er die Nummer 1, bis ihn 2013 der Österreicher Gregor Schlierenzauer übertraf.
Ein unmögliches Leben
Der Laajavuori-Bakken in der Nähe von Jyväskylä heisst schon jetzt Matti-Nykänen-Schanze. Dort begann alles mit Matti Ensio Nykänen. Der Junge hatte Angst, aus der Schule zu fliegen. Er erzählte das Skisprungtrainer Taisko Jussilainen. Der lud ihn ein: «Wenn du Probleme hast, komm zur Schanze.» Und der kleine Matti kam. Er zeigte einen Willen, der ihn schon dann von den anderen trennte. Am Montag erinnerte sich Jussilainen: «Er lebte ein Leben, das kaum möglich ist – eines, das aber viele andere Menschen auch leben.»
Was er damit meint, ist zum Beispiel dies: Im Winter vor seinem Olympiatriple war Nykänen aus der Nationalmannschaft geworfen worden, während der Vierschanzentournee hatte er zwischen zwei Wettkämpfen zu lange gefeiert. Bei einer anderen Vierschanzentournee erwischten ihn die Trainer mit einem Alkoholpegel, der einen Start am nächsten Tag als unwahrscheinlich erscheinen liess. Weit gefehlt: Der Finne sprang – weiter als alle andern.
Ein Jahr nach dem Sieg bei der Junioren-WM wurde Nykänen 1982 in Oslo erstmals Weltmeister. Das Bild, wie der kleine Matti auf den Schultern des Langlauf-Riesen Juha Mieto feiert, macht Finnland noch heute stolz. Diese frühen Erfolge waren Gift für den Skispringer. Nykänen wurde von keinem Medienverantwortlichen in Obhut genommen. «Jeder hat schon zwei oder drei Biere getrunken. Aber wenn ich das tat, musste ich es in der Zeitung lesen», klagte er. Zweimal wurde Nykänen zum Sportler des Jahres gewählt. Seine Karriere ging dann zu Ende, als der V-Stil aufkam. «Das ist etwas für Vogelscheuchen», reklamierte er. 1991 trat er ab.
Mitte der 90er-Jahre verdingte er sich gar als Stripteasetänzer.
Trotz mittelmässigen Talents folgte Nykänen dem Rat einiger Geschäftsleute: Er wurde Sänger. Seine erste Single, «Nacht der Überraschungen» («Yllätysten Yö») verkaufte sich über 25000-mal, was ihm eine «goldene Schallplatte» eintrug. Nykänen ist nach dem früheren Speerwurf-Olympiasieger Tapio Rautavaara der zweite finnische Sportler, der auch im Musikbusiness Gold holte.
Die Euphorie nach dem erfolgreichen Start in die zweite Karriere legte sich schnell. Der Alkohol war weiterhin zu treuer Begleiter Nykänens. Mitte der 90er-Jahre verdingte er sich gar als Stripteasetänzer. Als er wegen Geldmangels seine Medaillen verkaufen wollte, bezahlte 1994 eine Zeitschrift die Schulden und sorgte dafür, dass die Auszeichnungen im finnischen Sportmuseum blieben.
Nykänen war fünfmal verheiratet, zweimal mit der Millionärstochter Mervi Tapola. Mehrfache Misshandlungen und schliesslich eine Messerattacke mit Würgen der Partnerin führten 2010 zu einer Gefängnisstrafe von 16 Monaten. Bereits 2004 und 2005 war er wegen Messerattacken (unter Alkoholeinfluss) verurteilt worden.
Diese Verfehlungen verhinderten die Aufnahme Nykänens in die «Hall of Fame». Neun Bücher und ein Film sind ihm gewidmet; eine Biografie mit seiner Mitarbeit erschien unter dem Titel «Grüsse aus der Hölle». 2009 startete Nykänen auf einem Web-TV-Sender seine eigene Kochshow: «Mattihan se soppa keitti». Was sowohl als «Matti hat diese Suppe gekocht» als auch als «Matti hat für diese Probleme gesorgt» interpretiert werden kann. Er wusste, dass ihm in seinem Leben nicht alles optimal gelungen war.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch