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Reform der zweiten Säule
Ein Kompromiss mit vielen Gegnern

Teilzeit arbeitende Frauen und Arbeitnehmende mit tieferen Löhnen profitieren vom Rentenkompromiss.

Der Bundesrat nimmt einen neuen Anlauf zur Reform der zweiten Säule. Er setzt voll auf ein von den Arbeitgebern und den Gewerkschaften ausgearbeitetes Modell, das nun das Parlament beraten muss.

Warum ist die Reform der zweiten Säule so dringend?

Weil die Lebenserwartung seit der einzigen bisher gelungenen Revision von 2005 stark gestiegen ist, sind die Renten nicht mehr nachhaltig finanziert. In der gesetzlichen beruflichen Vorsorge (BVG) gilt heute ein Umwandlungssatz von 6,8 Prozent. Pro 100’000 Franken Alterskapital zahlt die Pensionskasse also 6800 Franken Rente pro Jahr aus. Weil diese Rentenhöhe nicht mehr durch die angesparten Beiträge und Kapitalerträge gedeckt ist, findet eine Querfinanzierung von jährlich 6 Milliarden Franken statt. Die aktiven Arbeitnehmer müssen also einen Teil der Altersrenten indirekt mitfinanzieren.

Welche Neuerungen enthält der Reformvorschlag?

Der Umwandlungssatz wird von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt, pro 100’000 Franken Alterskapital ergibt dies noch 6000 Franken Jahresrente. Um Renteneinbussen zu vermeiden, sind Kompensationsmassnahmen vorgesehen. Die ersten 15 Jahrgänge, die mit dem tieferen Umwandlungssatz in Rente gehen, erhalten einen lebenslangen monatlichen Rentenzuschlag von 100, 150 oder 200 Franken, abhängig vom Zeitpunkt des Renteneintritts. Dieser Zuschlag wird über einen Lohnbeitrag von 0,5 Prozent auf dem AHV-pflichtigen Jahreseinkommen bis 853’200 Franken finanziert, je hälftig von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Es gibt weitere Massnahmen, um das Rentenniveau zu sichern: Die Lohnabzüge werden auf einen höheren Lohnanteil erhoben, womit mehr Geld angespart wird, wovon vor allem Geringverdiener profitieren. Zudem gibt es statt wie heute vier nach Alter gestaffelte Beitragssätze nur noch zwei: 9 Prozent von 25 bis 44 Jahren und 14 Prozent ab 45 Jahren. Damit werden die Lohnkosten für die Älteren gesenkt und für Jüngere erhöht.

Welche Chancen hat der Kompromiss im Parlament?

Der Kompromiss, der laut Bundesrat 2,7 Milliarden pro Jahr kostet, ist absturzgefährdet. Denn einzelne Branchenverbände, der Gewerbe-, der Pensionskassen- und der Versicherungsverband sowie SVP, FDP, GLP und CVP lehnen den Kompromiss ab. Das Parlament wird wohl einzelne Elemente herausnehmen oder auf die Alternativvorschläge setzen. Die Kritiker des Sozialpartnerkompromisses lehnen vor allem die höheren Lohnabgaben ab, um den Rentenzuschlag zu finanzieren. Dies sei eine systemwidrige Umlagefinanzierung, die in einer Versicherung mit individuellem Alterssparen nichts zu suchen habe.

Warum haben Arbeitgeber und Gewerkschaften einen gemeinsamen Vorschlag gemacht?

Bisher sind seit 2005 zwei Versuche zur Senkung des Umwandlungssatzes gescheitert. 2011 haben die Gewerkschaften erfolgreich das Referendum ergriffen, 2017 scheiterte die Reform der Altersvorsorge am Widerstand von SVP, FDP, Arbeitgebern sowie Linksaussen-Gruppierungen und Gewerkschaftssektionen aus der Romandie. Der Bundesrat hat nach dem Nein von 2017 die Sozialpartner beauftragt, einen gemeinsamen, tragfähigen Vorschlag auszuarbeiten. Der Arbeitgeberverband, der Schweizerische Gewerkschaftsbund und der Arbeitnehmerverband Travailsuisse einigten sich. Der an diesen Verhandlungen ebenfalls beteiligte Gewerbeverband distanzierte sich.

Gibt es andere Reformvorschläge?

Der Pensionskassenverband Asip hat ein eigenes Modell eingereicht, das laut Bundesrat 2,3 Milliarden pro Jahr kostet. Der Asip will den Umwandlungssatz gleich auf 5,8 Prozent senken, weil dies der gestiegenen Lebenserwartung besser Rechnung trage. Die Rentenkürzung soll einerseits durch höhere Beiträge für Jüngere kompensiert werden: Neu sollen Versicherte bereits mit 20 Jahren (statt heute ab 25) BVG-Beiträge zahlen, und zwar 9 Prozent. Andererseits schlägt der Asip vor, einer Übergangsgeneration während zehn Jahren das vorhandene Altersguthaben prozentual zu erhöhen, und zwar aus den Reserven der Kassen. So sollen die Rentenkürzungen durch den tieferen Umwandlungssatz aufgefangen werden. Ein ähnliches Reformmodell haben auch Banken, Baumeister und Detailhändler eingereicht. Der Gewerbeverband hat ebenfalls einen eigenen Vorschlag gemacht. Er will den tieferen Umwandlungssatz mit höheren Sparbeiträgen für die 25- bis 54 -Jährigen auffangen. Eine Übergangsgeneration soll während zehn Jahren eine Rentengarantie erhalten.

Wird das Rentenniveau bei allen Versicherten erhalten?

Grundsätzlich ist das Ziel der Reform, das Rentenniveau der Versicherten zu erhalten. Da allerdings jedes der Modelle mit unterschiedlichen Ausgleichsmechanismen arbeitet, kann es im Einzelfall trotzdem zu Einbussen kommen. Laut Botschaft des Bundesrates sichert der Sozialpartnervorschlag das Rentenniveau bis zu einem Jahreslohn von rund 60’000 Franken. Bei höheren Löhnen kommt es aber zu Renteneinbussen von bis zu 8 Prozent. Beim Asip-Vorschlag wird bis zu einem Lohnniveau von rund 40’000 Franken das Rentenniveau verbessert, bei höheren Löhnen kommt es hingegen zu Renteneinbussen. Das Ausmass dieser Renteneinbussen hängt laut Botschaft vom Lohn und vom Jahrgang der versicherten Person ab und kann mehr als 12 Prozent betragen. Auch bei den anderen Modellen kommt es zu Renteneinbussen.

Warum hat sich der Bundesrat für den Vorschlag der Sozialpartner entschieden?

Mit dem Vorschlag der Sozialpartner könne das Leistungsniveau der obligatorischen beruflichen Vorsorge insgesamt gehalten und für tiefere Einkommen sogar verbessert werden, hält der Bundesrat fest. Davon profitierten insbesondere viele Frauen. Nach Ansicht des Bundesrates sichern die Alternativvorschläge das Rentenniveau nicht genügend.